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„Für eine Aktion bekam ich von der Polizei sogar einen Sekt“—Flitzer Jimmy Jump im Interview

Jimmy Jump ist der größte Unruhestifter des Fußballs. VICE Sports sprach mit ihm über eine Anfrage von EA Sports als Flitzer-Vorlage, Küsse mit Lionel Messi und warum er sich nie ein Ticket kauft.
Foto: Imago

Jaume Marquet ist eigentlich ein ganz normaler Kerl: Er ist brennender Barcelona-Fan, mag das Bier in Deutschland und arbeitet als Koch in einem Restaurant. Aber der 40-Jährige ist auch der berühmteste Flitzer der Welt. Unter seinem Künstlernamen Jimmy Jump macht der Katalane die Fußballwelt seit Jahren unsicher.

Er küsste Messi auf die Wange, berührte den WM-Pokal und versuchte, Cristiano Ronaldos Frisur zu zerstören. Mittlerweile hat er in unzähligen Stadien Hausverbot und steckt bis zum Hals in den Schulden, aber will trotzdem nicht mit seiner großen Leidenschaft aufhören. VICE Sports sprach mit ihm über eine Anfrage von EA Sports als Flitzer-Vorlage, Küsse mit Lionel Messi und warum er sich nie ein Ticket kauft.

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VICE Sports: Kannst du das Gefühl beschreiben, kurz bevor du auf den Rasen rennst?
Jimmy Jump: Das ist ein unvergleichliches Gefühl. Ein Kribbeln durchströmt den ganzen Körper und man ist vollgepumpt mit Adrenalin. Natürlich schwingt auch ein wenig Angst und Unsicherheit mit. Doch wenn man dann losrennt und tausende Augenpaare auf einen gerichtet sind, ist es wie ein Rausch.

Flitzt du nur wegen des Rausches?
Dieser Rausch ist natürlich ein wichtiger Part. Aber eigentlich flitze ich, weil ich schon immer ins Fernsehen wollte.

Es gibt auch andere Methoden ins Fernsehen zu kommen. Warum hast du dich für das Flitzen entschieden?
Ich liebe den Fußball, kein Sport dieser Welt genießt so viel Aufmerksamkeit. Ich bin in Katalonien geboren und mein Herz schlägt im Tiki-Taka-Rhythmus. Man findet nirgendwo eine so wunderbare Atmosphäre wie im Fußballstadion. Ist doch klar, dass ich dort flitzen will.

Jimmy Jump in der Allianz Arena in München (Foto: facebook.com/Jimmy-jump-36205170562/)

Wie gut ist eine Flitzer-Aktion von dir im Voraus geplant?
Bevor ich flitze, ist alles zu hundert Prozent durchgeplant. Ich kaufe mir keine Tickets für das Stadion—das wäre zu teuer. Ich muss mich reinschleichen und die Sicherheitslücken durchbrechen. Das benötigt punktgenaue Planung.

Wie kommst du ohne Ticket ins Stadion?
Ich bin ein Profi. Meine Tricks verrate ich hier bestimmt nicht. Aber glaub mir, ich komme in jedes Stadion. (lacht)

Wir werden es doch niemandem verraten…
Nein, das kann ich nicht—auch wegen der Justiz. Da ich meine Aktionen vorab ankündige, warten sowieso immer öfter Leute an den Eingängen auf mich.

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Was sagen deine Freunde und deine Familie zu dem Hobby?
Die finden das überhaupt nicht gut. Vor allem meine Mutter wünscht sich, dass ich eine Frau kennenlerne und eine Familie gründe. Allerdings bin ich sehr hoch verschuldet, das könnte also schwierig werden.

Durch das Flitzen?
Ja, jedes Mal wenn ich flitze und gefangen werde, kostet das Strafe. Mein Rasen-Sturm im Olympiastadion hat mich zum Beispiel 1.000 Euro gekostet. Mittlerweile habe ich 300.000 Euro Schulden.

300.000 Euro sind viel Geld. Ist es dir das wert?
Ich zahle die Raten monatlich ab. Trotzdem werde ich den Rest meines Lebens verschuldet sein. Aber ja, das ist es mir wert. Menschen zum Lachen zu bringen, ist unbezahlbar und manchmal muss man sich auch waghalsige Dinge trauen. Das Leben ist schließlich kurz.

*Mittlerweile bist du eine kleine Berühmtheit und hast über 200.000 Facebook-Follower. Gibt es keine Möglichkeiten auf einen Sponsor?*
Leider nicht. Ich habe bei Red Bull schon wegen eines Sponsorings angefragt. Uninteressiert waren sie nicht, aber am Ende war ihnen das doch zu heikel. Ich mache schließlich hochgradig illegale Dinge. Aber EA Sports hat sich wegen ihres FIFA-Spiels bei mir gemeldet. Sie wollten mich als Vorlage für einen Flitzer im Spiel. Das hat aber am Ende dann leider auch nicht geklappt.

Jedes Mal wenn du flitzt, wirst du von der Security festgenommen. Wo wird man hingebracht, wenn man eingefangen wurde?
Das ist unterschiedlich. Oft erstmal in die Katakomben und dann über Nacht ins Gefängnis. Nach meiner Aktion beim WM-Finale in Südafrika war ich ein paar Nächte im Knast. Einige Polizisten kennen mich auch schon und wollen dann ein Foto mit mir machen. Einmal habe ich sogar einen Sekt von der Polizei bekommen.

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Warum das?
Das war beim EM-Finale 2004 in Portugal. Louis Figo war kurz vor dem Spiel von Barcelona zu Real Madrid gewechselt, das ist Hochverrat. Daraufhin bin ich mit der Barça-Flagge auf ihn zugerannt und habe sie ihm an den Kopf geworfen. Die ganze Welt hat das gesehen und die Polizei fand die Aktion so sympathisch, dass ich später einen Sekt bekam. Anscheinend waren sie Barça-Fans.

Wo war es am schwersten für dich zu flitzen?
Beim WM-Finale in Südafrika. Dort herrscht eine hohe Kriminalitätsrate, ich hatte Angst vor der Reaktion der Polizei und den Zuschauern. Vor dem Anpfiff bin ich trotzdem auf den Pokal zugerannt. Ich hatte die typische rote Mütze auf und wollte dem Pokal auch eine aufsetzen. Dazu bin ich nicht mehr gekommen, weil ich kurz davor niedergetackelt wurde. Aber ich habe ihn berührt.

Was bedeutet deine rote Mütze?
Das ist die Barretina, ein Symbol für Katalonien. Bei Feierlichkeiten und besonderen Anlässen wird diese Mütze in meiner Heimat getragen. Es ist mein Markenzeichen, mit dieser Mütze den Platz zu stürmen. Alle sollen sehen, wo ich herkomme.

Was war deine spektakulärste Aktion?
Ich hatte wirklich viele tolle Läufe. 2011 zum Beispiel bin ich beim Champions-League-Halbfinale zwischen Barcelona und Real Madrid geflitzt. Ich habe das Spielfeld mit der Barretina gestürmt und wollte die Mütze Cristiano Ronaldo aufsetzen. Der hat sich allerdings geweigert und fand die Aktion nicht wirklich lustig. Macht auch Sinn, als Spieler von Real Madrid kommt eine Barretina auf dem Kopf nicht gut an. (lacht)

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2007 war das Spiel zwischen Barcelona und Bayern München, wo du auf Lionel Messi zugerannt bist und mit ihm geredet hast. Was hast du ihm gesagt?
Ich hatte wieder die rote Mütze dabei und gratulierte ihm zu seinem Torerfolg. Daraufhin hat er sich die Barretina von mir aufsetzen lassen und ich habe ihm einen Kuss gegeben. Dann kam auch schon die Security und ich wurde gefangen. Aber immerhin kann ich behaupten, den besten Fußballer der Welt geküsst zu haben.

Beim FC St. Pauli hast du bei deinem Platzsturm sogar aufs Tor geschossen. Ist Pauli dein Lieblingsverein in Deutschland?
Ja, die Atmosphäre in dem Stadion ist phänomenal und sie haben mich einfach auf das Tor schießen lassen. Das war super. Mittlerweile wohne ich auch in Hamburg, leider habe ich noch eine Weile Hausverbot im Stadion.

Warum rennst du nicht wie die meisten Flitzer nackt?
Aus Respekt vor den Zuschauern und meiner Familie. Manche Menschen wollen keine nackten Männer sehen und ich will niemanden belästigen. Ich renne für die Freiheit der Menschen und den Spaß am Leben. Und Messi hätte sich bestimmt nicht von einem nackten Mann küssen lassen.

Was ist dein Ziel für die Zukunft?
Mittlerweile bin ich so wahnsinnig hoch verschuldet, dass ich vermutlich für einige Monate ins Gefängnis müsste, wenn ich nochmal flitze. Darauf habe ich wenig Lust. Ich habe schon darüber nachgedacht, das Flitzen endgültig an den Nagel zu hängen. Aber das kann ich nicht, denn Jimmy Jump ist ein Teil von mir. Wenn ich nur an die WM in Russland denke, kribbelt es mir in den Füßen. Aber erstmal muss ich gezwungenermaßen eine kleine Pause einlegen.