FYI.

This story is over 5 years old.

fifa

Eine Abrechnung mit der FIFA-Weltrangliste

Obwohl Belgien schon im WM-Viertelfinale rausflog, führen sie ab heute die Weltrangliste an. Kein Wunder, vergibt die FIFA doch für Siege im WM-Finale genauso viele Punkte wie für gewonnene Vorrundenspiele.
Foto: Imago

Heute wurde die FIFA-Weltrangliste aktualisiert und keine Sorge, auch dieses Mal gibt es reichlich Grund zum Lachen.

Das hat auch mit der Tatsache zu tun, dass Belgien ab heute zum allersten Mal von der Spitze grüßen wird. Denn dank ihrer jüngsten Erfolge in der EM-Quali wurde die Mannschaft von Trainer Marc Wilmots auf Platz eins gespült.

Moment, Belgien?

OK, die Belgier haben sich zwar souverän für Frankreich qualifiziert, während sich der bisherige Zweite, Deutschland, in den letzten Spielen nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Zudem hat Belgien bereits in der Qualifikation zur WM in Brasilien mit Top-Ergebnissen auf sich aufmerksam gemacht. Doch als es dann drauf ankam, konnte man den vielen Vorschusslorbeeren nicht wirklich gerecht werden: Nachdem die Belgier schon im Achtelfinale gegen die USA lange zittern mussten, war dann gegen Argentinien im Viertelfinale endgültig Schluss. Das Bauchgefühl sagt einem, dass ein WM-Viertelfinalist nur ein Jahr und vier Monate nach Turnierende nicht vor dem gefühlt noch immer frisch gebackenen Weltmeister stehen darf. Zumal Deutschland ja nicht wie der WM-Dritte Holland einen Absturz in der EM-Quali hingelegt hat, sondern sich letztendlich als Gruppenerster (mit gerade mal zwei Punkten weniger als Belgien) für die EURO 2016 in Frankreich qualifizieren konnte.

Anzeige

Gut für Belgien, dass diese Szene fürs FIFA-Ranking keine Rolle spielt.

Auf und nieder immer wieder

Einer der Hauptkritikpunkte am FIFA-Ranking besteht darin, dass einem die Rangliste im Grunde wie eine Echtzeittabelle vorkommt, obwohl sie doch eigentlich die Leistungen der letzten vier Jahre—wenn auch unterschiedlich gewichtet—berücksichtigen will. Mit anderen Worten: Kaum gewinnt eine Mannschaft mal ein paar Spiele in Serie (während die Tabellennachbarn einige Federn lassen), wird sie sich im Ranking mit großer Wahrscheinlichkeit—bisweilen deutlich—verbessern können. Doch wehe dem, der anschließend ein paar Mal nicht gewinnt…

Bestes Beispiel: Wales. Nachdem man im Juni-Ranking noch auf Platz 22 stand, wurde man im Juli plötzlich auf Platz 10 (und damit nur einen Platz hinter England) gelistet. Was war geschehen? Man hatte in der EM-Quali Belgien mit 1:0 geschlagen. Punkt. Seitdem konnte man sogar bis auf Platz 8 klettern (und damit zum allerersten Mal am Mutterland des Fußballs vorbeiziehen). Aber keine Sorge, England: Da Wales in den letzten vier Spielen „nur" zweimal gewinnen konnte, fällt es im November-Ranking wieder bis auf den 15. Platz zurück.

Auch wenn Wales' verrücktes Auf und Ab im Ranking per se schon viele Fragen aufwirft, ist die viel größere Frage, was der Fußballzwerg—nichts für ungut, Wales-Fans!—überhaupt in den Top 10 zu suchen hat. Eine Mannschaft, deren letzte—und einzige—WM-Teilnahme auf das Jahr 1958 zurückgeht und die sich bis vor Kurzem noch nie für eine EM qualifizieren konnte. Jeder vernünftige Fußballfan wird wohl zustimmen, dass Wales einfach nichts vor dem amtierenden Europameister Spanien zu suchen hat (wie noch im FIFA-Ranking vom August dieses Jahres).

Anzeige

Bereits im Juli sorgte das Ranking für besonders viele Lacher, als Argentinien—nachdem man gerade erst im Finale der Copa America von Chile geschlagen wurde—Deutschland auf Platz 1 ablöste. Zwei Endspiele innerhalb eines Jahres verloren und trotzdem bestes Team der Welt: Millionen von Fußballfans verstanden die Welt nicht mehr.

Lieber widerlich als wieder nicht" gilt nicht beim FIFA-Ranking

Und weil man das alles mathematisch auch noch wunderbar erklären kann, muss der Fehler im System—genauer gesagt in der Arithmetik hinter der Rangliste—stecken. Und ja, hier ist einiges verquer.

Das fängt schon damit an, dass der Sieg in einem WM-Finale den gleichen Wert hat wie ein Sieg in der Vorrunde. Und manchmal auch weniger. Kein Witz. Für den Sieg im WM-Finale 2006 gegen Frankreich bekam Italien weniger Punkte als für den 2:0-Sieg gegen Ghana in der Vorrunde. Warum? Weil man im Endspiel erst im Elfmeterschießen gewann.

Außerdem kann es für das Ranking sogar „schädlich" sein, sich für ein Endturnier zu qualifizieren. Beispiel Wales: Hätten sich die Waliser für die WM in Brasilien qualifiziert und wären dort—gewagte These…—schon in der Vorrunde rausgeflogen, würden sie heute im Ranking deutlich schlechter dastehen. Denn im aktuellen System kommt man durch Siege in bedeutungslosen Freundschaftsspielen weiter als durch die (erfolglose) Teilnahme an Großturnieren. Ein WM-Vorrundenaus—wegen der höchst möglichen Wertung für Endrundenspiele—hätte den Walisern gehörig die Weltranglistenbilanz verhagelt. Irland kann davon ein Lied singen. Nachdem man sich für die EM 2012 qualifizieren konnte, ging man auf Platz 18 im FIFA-Ranking ins Turnier. Nach drei Vorrundenpleiten und dem vorzeitigen Aus rutschten die Iren bis Jahresende auf Platz 42. Hätte man sich nicht qualifiziert und stattdessen ein paar Freundschaftsspiele gegen Aufbaugegner bestritten, hätte man sich im Ranking nur minimal verschlechtert.

Und wer jetzt denkt, dann steht meine Mannschaft eben auf Platz X, ich pfeife einfach auf die obskure FIFA-Rangliste, dem sei gesagt: Das Ranking ist mehr als nur eine Random-Liste, die irgendwo im Internet rumgeistert. Sie kann gut und gerne mitentscheiden, wer sich für das nächste Großturnier qualifiziert. Denn die FIFA-Weltrangliste dient als Grundlage für die Aufteilung der Lostöpfe zwecks EM- und WM-Quali. Aus diesem Grund dürfen sich die Israelis auf dem Weg zur WM 2018 in ihrer Gruppe G auf Spanien und Italien „freuen". Aufgrund seiner schlechten Platzierung im FIFA-Ranking hatte es Italien nämlich nicht in Topf 1 geschafft (anders als beispielsweise Rumänien oder, natürlich, Wales).

Darum kann es auch nur eine logische Schlussfolgerung geben. Die FIFA-Weltrangliste muss endlich grundlegend reformiert werden.