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Sorry, Medien! Es gibt doch ein Vermummungsverbot

In diesen Tagen berichten viele Medien, dass es heuer auf der Demonstration gegen den Wiener Akademikerball kein Vermummungsverbot geben wird. Doch das ist schlichtweg falsch.
Foto von VICE Media

Dieser Artikel ist Teil unserer Berichterstattung zum Akademikerball 2015.

Im vergangenen Jahr hatte die Wiener Polizei bei den Protesten gegen den Akademiker-Ball zusätzlich zum gesetzlich geregelten Vermummungsverbot eine Sperrzone in großen Teilen Wiens ausgesprochen. Diese Zone umfasste neun Wiener Bezirke und betraf somit potentiell rund 400.000 Menschen. In diesem Areal war es etwa verboten, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt einen Schal über das Gesicht zu ziehen. Dieses exzessive Verbot wurde im letzten Jahr massiv kritisiert, VerfassungsjuristInnen stellten auch die Legalität dieser Maßnahme in Frage.

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In diesem Jahr hat die Polizei im Vorfeld der Demonstration ausgewählte JournalistInnen zu einem Podiums-Gespräch eingeladen, wo sie ihre Strategie präsentierte. In Folge haben die meisten Medien geschrieben, dass es bei den Protesten gegen den Akademikerball-Ball in diesem Jahr kein Vermummungsverbot geben würde. Diese Darstellung hat nur einen Haken: Sie stimmt nicht.

Tatsächlich wird es, ganz genauso wie in den vergangenen Jahren, auch in diesem Jahr auf den Demonstrationen und Kundgebungen ein Vermummungsverbot geben, das ist auch eindeutig im Paragraf neun des Versammlungsgesetzes geregelt. Die Polizei könnte das übrigens auch gar nicht aufheben, selbst wenn sie wollte (was natürlich nicht der Fall ist).

Nach den Medienberichten könnten Menschen glauben, dass in diesem Jahr Vermummung erlaubt sei und dementsprechend handeln.

Das einzige was es heuer nicht geben wird, ist das Verbot der Vermummung für alle SpaziergängerInnen in den inneren Bezirken der Stadt Wien. Das bestätigt auch Polizeisprecher Roman Hahslinger auf meine Nachfrage und sagt, dass auf der Demonstration selbst das Vermummungsverbot selbstverständlich weiterhin in Kraft ist.

Die jetzige Desinformation in den Medien könnte sich noch als sehr problematisch erweisen. Nach den Medienberichten könnten Menschen glauben, dass in diesem Jahr Vermummung erlaubt sei und dementsprechend handeln. Das wiederum kann der Polizei den Vorwand für Verhaftungen oder Anzeigen liefern. Eine breite Kriminalisierung der Proteste ist möglich, nach der Demonstration kann dann wie schon im letzten Jahr von hunderten Anzeigen berichtet werden, von denen ein Großteil wegen des Mittelalter-Paragrafen Landfriedensbruch oder eben wegen des Vermummungsverbots verhängt wurde.

In Österreich gibt es das Vermummungsverbot bereits seit 2002. Im April dieses Jahres hatten sich in Wien rund 5000 AntifaschistInnen versammelt, um gegen einen Aufmarsch von Neonazis am Heldenplatz zu protestieren. Ein trauriges Häuflein von rund 70 Nazis musste von einigen tausend PolizistInnen vor den wütenden AntifaschistInnen geschützt werden, die Polizei setzte dabei Wasserwerfer, Hunde und Pfefferspray gegen die DemonstrantInnen ein.

Unmittelbar nach der Demo kamen vor allem aus der FPÖ Stimmen für ein Vermummungsverbot. Zu diesem Zeitpunkt bildeten ÖVP und FPÖ die österreichische Bundesregierung. Es machte den Eindruck, als sei der Entwurf bereits länger in der Lade gelegen und es wäre nur auf einen Anlassfall gewartet worden. Ein starker Befürworter der Vermummung war übrigens auch der damalige ÖVP-Innenminister Strasser. Schließlich wurde das Verbot mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sowie der oppositionellen Sozialdemokratie durchgesetzt (Übrigens war auch Falter-Journalist Klenk, der aktuell in vielen Medien als Kritiker zitiert wurde, damals nicht gegen das Verbot—auf Nachfrage sagt er heute, er sei sowohl gegen das Vermummen als auch gegen das Verbot gewesen, wie hier in einem öffentlichen Facebook-Post aus dem letzten Jahr nachzulesen).

Aber warum vermummen sich Menschen eigentlich? Es kann ganz unterschiedliche Gründe haben, warum jemand das eigene Gesicht nicht gern auf einer Demonstration und potentiell in allen Medien zeigen möchte (Auf Demos gibt es kein Recht am eigenen Bild). Viele dieser Gründe haben auch gar nichts mit Militanz zu tun. Manche haben Sorge vor möglichen Problemen am Arbeitsplatz, jüngere Leute könnten Schwierigkeiten mit den Eltern bekommen, andere möchten nicht von den Nazis aus der Nachbarschaft erkannt werden, wieder andere wollen nicht in den Karteien der Staatspolizei landen. Doch es ist hier noch gar nicht der Punkt, ob jemand prinzipiell für oder gegen dieses Verbot ist. Es geht schlicht darum, dass korrekte Informationen weitergegeben werden.

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