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Super-Bowl-Abklatsch oder charmante Hommage? Unterwegs beim German Bowl XXXVIII

Am Wochenende stieg in Berlin der German Bowl. Wir waren da, um zu schauen, ob die neue Football-Begeisterung auch auf „deutsch" funktioniert.
Dominik Putnai

„Gibt es auch eine Halbzeitshow?" Natürlich war das die erste Reaktion auf meinen bevorstehenden Besuch des German Bowls. Der Super Bowl ist ja nicht nur ein Spiel, sondern ein popkulturelles Ereignis. Während sich jeder an den Hai in Katy Perrys Halbzeitshow vor zwei Jahren erinnert, wird es beim Ergebnis des Spiels schon schwieriger. Die NFL weiß, wie sie ihr Mega-Ereignis inszeniert, und die Ran-NFL-Crew macht einen ziemlich guten Job, den etwas schwierigen Sport in die Wohnzimmer zu bringen. 1,78 Millionen Zuschauer sahen alleine in Deutschland den Super Bowl. Und das waren nicht nur Snapback-Träger, die einmal im Jahr einen legitimen Grund haben, um zwei Uhr morgens ohne Scham einen Eimer Hot Wings zu essen. American Football hat eine große Community die Deutschland aufgebaut. Doch kann der German Bowl ihre Speerspitze sein?

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In dem Namen German Bowl steckt ein Versprechen mehr als „nur" Sport anzubieten. Aber wie schafft man es den Glamour des amerikanischen Originals in einem Land, wo Helene Fischer der größte Star ist, zu behalten? Ich war mir nicht mal sicher, ob das überhaupt das Ziel des Ganzen ist. Von einer peinlichen „deutschen" Kopie bis hin zu einer charmanten Hommage war alles möglich. Die Antworten fand ich beim Vienna German Bowl XXXVIII zwischen den Schwäbisch Hall Unicorns und New Yorker Lions Braunschweig im Friedrich-Ludwig-Jahn Park in Berlin.

Foto: AFV Deutschland

Vor dem Spiel versuchte man in einer FanZone vor allem den jüngeren Gästen den Sport näher zu bringen. Football kann ja schnell mal wie der erfundene Sport des Klassenkameraden wirken, der bei jeder Gelegenheit die Regeln ändert. Neben den verschiedenen Ständen, versuchte eine Marching Band auf einer Bühne ein authentisches amerikanisches Gefühl zu erzeugen. Das klappte soweit auch ganz gut, bis sie DJ Bobo-Songs neu interpretierte. Den Zuschauern schien es trotzdem zu gefallen. Für die meisten, die weiter angereist sind, schien der German Bowl eine Art Klassentreffen zu sein. „Ha noi, du au hier?", begrüßte ein gut aufgelegter Schwäbisch Hall Unicorns-Fan einen scheinbar alten Bekannten aus dem Lager der Lions. Die Fans als auch die Vereine scheinen hierzulande eine verschworene, kleine Gemeinschaft zu sein: Die GFL hat auf Facebook ein Zehntel der Fans der Basketball-Bundesliga. Dieses Dasein als Außenseiter schweißt zusammen. Dennoch machte sich auch beim Endspiel der Saison 2016 das aufkeimende Interesse der Deutschen am US-Sport bemerkbar. Überall sah man Football-Fans in NFL-Trikots. Den Löwenanteil hatten aber trotzdem die mitgereisten Anhänger, die entweder gänzlich grün-weiß (Unicorns) oder schwarz-rot (Lions) gekleidet waren.

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Während beim Event das Augenmerk in erster Linie auf der perfekten Plastik-Inszenierung des Super Bowls lag, orientierten sich die Fans (zum Glück) eher an der Atmosphäre im Fußballstadion. Die Fusion der beiden Sportkulturen machte im Stadion absolut Sinn. Während die Lions durch eine große Version des Vereinslöwen und zwei Flammenwerfern das Spielfeld betraten, legte sich über den Zugang der Unicorns grüner Rauch als diese auf das Spielfeld folgten. Auf den Rängen wurden diese frenetisch begrüßt—schließlich erhoffte man sich, dass „ihre Jungs" den Favoriten aus Braunschweig das erste Mal in der Vereinsgeschichte besiegen können. Mit einem Banner, der sich auch im Fußballstadion nicht verstecken müsste, wollten sie nochmal für eine Extramotivation sorgen. Auch wenn es am Ende trotzdem nicht ganz reichen sollte, merkte man immer wieder, dass der German Bowl für alle Beteiligten eine Herzensangelegenheit war. Wenn der Nischensport mal im Fernsehen zu sehen ist, dann wenigstens von seiner Schokoladenseite! Statt der sterilen Stimmung in den amerikanischen Stadien bekam man eher das Fußballerlebnis außerhalb der Kurve. Vorsänger stimmten gemeinsam mit den Cheerleadern die Gesänge an und das Publikum zog auf beiden Seiten mit. Die Kurven waren auch zum ersten Mal in der Geschichte des Events ausverkauft—auch die 13.047 Gäste waren dementsprechend ein neuer Besucherrekord.

Foto: AFV Deutschland

Als sich das Stadion wieder etwas beruhigt hatte, ertönte die deutsche Nationalhymne. Wie erwartet, verwies kein kniender Spieler auf soziale Missstände. Auch wenn auf den Zuschauerrängen die ein oder andere Hand in Richtung Herz schnalzte, blieben vor Freunde weinende Zuschauer oder Flugzeuge, die eine Deutschland-Flagge an den Himmel malten, glücklicherweise aus. Nach dem Coin Toss wurde dann auch Football gespielt.

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Da es mein erster Besuch eines Footballspiels war, wirkte das Spielfeld in der Realität wie eine Miniatur. Auch mit Grundkenntnissen von amerikanischen Längeneinheiten (Danke, Subway!) überraschte es mich, wie wenig ein Yard am Ende war. Außerdem musste man bei den Spielzügen auch verdammt aufmerksam sein—da man die Distanz zum First Down bei jedem Spielzug selbst abschätzen muss. Der im Fernsehen vermittelten Eindruck, dass zwischen den einzelnen Plays eine halbe Ewigkeit liegt, hat sich nicht bewahrheitet. Vielmehr war die Werbung bei der TV-Übertragung die Ursache, dass man manchmal warten musste. Mit einem 14-14 verabschiedeten sich die Mannschaften nach 24 gespielten Minuten in die Pause. Und die Halbzeitshow? Statt einer Bühne auf der verschiedene Superstars den Auftritt ihres Lebens haben, wurde eine blaue, mit Luft gefüllte Matte aufgebaut, auf der Akrobaten ihre Sprünge zeigten. Damit würde ich meine Freunde wohl nicht beeindrucken können. Vielleicht kommt Kanye West ja nächstes Jahr—beim richtigen Super Bowl scheint man ihn ja nicht zu wollen.

Foto: AFV Deutschland

Tatsächlich war das Spiel sehr kurzweilig und das nicht nur weil es mit 31-20 am Ende relativ punktreich war. Einen Vergleich zur NFL zu ziehen wäre unfair. Denn Selbstinszenierung fand auf dem Platz quasi nicht statt und auch wenn das Niveau mit dem der US-Liga nicht zu vergleichen ist, war es dennoch interessant anzuschauen. Besonders als sich im letzten Viertel auf beiden Seiten Unkonzentriertheiten einschlichen und die Entfernungen zum neuen First Down immer weiter wuchsen, gewann das Spiel nochmal so richtig an Spannung. Erst dreieinhalb Minuten vor Schluss konnte Evan Landi (Lions, TE) via Touchdown den Sack zu und das „Fourpeat" perfekt machen.

Der anschließende Jubel fiel sowohl auf dem Feld als auch auf den Rängen, trotz eines Banners, verhaltener als erwartet aus. Vielleicht lag es daran, dass das Spiel schon vor dem Abpfiff entschieden war. Vielleicht an den drei in Serie gewonnen Titeln in Folge und der daraus entstandenen Erwartungshaltung. Vielleicht lag es an dem Respekt vor einem Gegner, der das dritte Mal in Folge auf der Zielgeraden an ihnen gescheitert war. Wahrscheinlich war es von allem ein bisschen. Die Meisterzeremonie sollte dann wieder ganz im Stile des amerikanischen Vorbilds ausfallen: Auf dem Platz wurde ein Podium aufgebaut um die Feierlichkeiten möglichst nahe am amerikanischen Original zu halten, gab es außerdem noch Feuerwerk und Meisterschaftsshirts. Was nicht nur im Stadion für schöne Bilder gesorgt haben wird. Die schönste Szene des German Bowls spielte sich aber an einem Nebenschauplatz ab.

Foto: Dominik Putnai

Die eigentliche Essenz des German Bowls fand man ein paar Minuten vor der Siegerehrung am Zaun, der die Spieler vom Platz trennte, vor: In einer Reihe klatschten die Unicorns-Spieler mit jedem Fan, der noch da war, ab. Andere ließen sich anschließend auch noch von den Zuschauern, die aus der schwäbischen Kleinstadt bis nach Berlin gefahren sind, um ihre Mannschaft zu unterstützen, trösten. Das, was dem German Bowl im Vergleich zum Super Bowl an Glamour fehlt, macht er mit seinem Charme wieder vergessen. Es war auch gar nicht das Ziel, ein peinliches Konkurrenzprodukt zu der beliebtesten Sportliga eines anderen Kontinents zu entwickeln (Nicht wahr, liebe MLS!), sondern zu zeigen wer man ist: Ein Haufen Football-Verrückter die Jahr für Jahr eine bessere Hommage an das Event, das sie zu ihrem Sport gebracht hat, zu richten.