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Wer hat Angst vor dem grünen Pflänzchen?

Weil Fans hinter seinem Tor kifften, hatte Hertha-Torwart Thomas Kraft nach eigener Aussage Angst im Krankenwagen zu landen. Der Vorfall ist zwar absurd, doch er zeigt auch, wie weit die Welten von Fans und Spielern auseinanderliegen.

In der 23. Spielminute hatte Thomas Kraft, Torwart von Hertha BSC Berlin, keine Lust mehr. „Hinter meinem Tor soll einer seinen Joint ausmachen. Das ist ein Wahnsinn. Das geht nicht", schrie er zur Hertha-Bank. Hinter Krafts Tor standen zahlreiche Berliner Fans und rauchten Cannabis. In dem Testspiel am Mittwoch im Neuruppiner Volksparkstadion musste sich Hertha am Ende dem spanischen Erstligisten Rayo Vallecano mit 0:1 geschlagen geben. Doch hinterher wurde nur über den Joint-Vorfall als Sommerlochanekdote gesprochen.

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Die Vorbereitungsphase der Fußballvereine ist ideal, um seinen Idolen mal ganz nah zu kommen. Trotz hartem Programm herrscht Klassenfahrts- und Urlaubsatmosphäre. Es ist die druckfreiste Zeit im Jahr. Steht man als Fan sonst mit tausenden Anderen hinter Zäunen auf der Tribüne, kann man in den Trainingslager-Hochburgen Belek, Kitzbühel oder La Manga die Stars anfassen. Auch ein lässiges Selfie oder ein Autogramm ist drin. Bei Testspielen können Fans auf den kleinen Plätzen das satte Grün riechen und mal am Tornetz rütteln. Die Welt der Fans prallt auf den Kosmos der Profispieler. Der Joint-Vorfall zeigt, wie weit sie auseinander liegen und wie hart der Aufprall sein kann.

Dem Hertha-Trainingslager in der brandenburgischen Provinz konnte aufgrund der Nähe zur Hauptstadt der ein oder andere Fan einen Besuch abstatten. Wer schonmal im Stadion stand und den süßlichen Geruch von Cannabis in der Nase spürte, weiß, wie weit weg ein Joint noch gut zu riechen ist und wie normal es für viele Fans ist während eines Spiels einen zu rauchen. Auf der Straße oder im Berliner Nachtleben kommt einem die süßliche Wolke auch oft entgegen. Es stört kaum jemanden. Fußballer sehen das wohl anders.

Kraft erklärte nach dem Spiel, dass er die Situation gefährlich fand: „Plötzlich zog dieser süßliche Geruch durch meinen Strafraum. Sekunden später war das eine richtige Dampfwolke. Hätte ich das Zeug noch eine Viertelstunde länger eingeatmet, dann hätte man einen Krankenwagen für mich holen müssen." Schließlich schlichtete Ersatz-Keeper Gersbeck, Berliner Junge, der früher selbst in Kurve stand, die Situation. Er gab den Hasch-Herthanern zu verstehen, dass sie woanders weiter rauchen sollten.

Kraft war nach dem Spiel aber immer noch sauer. „Das geht gar nicht. Da sind Kinder im Stadion. Die Leute sollen das in ihren eigenen vier Wänden machen, aber nicht bei einer Sportveranstaltung. Oder noch besser, sie lassen die Finger ganz davon", sagte er. Trainer Pal Dardai sah die Situation etwas konstruktiver. „Thomas hat vernünftig gehandelt, indem er uns informiert hat und wir reagieren konnten. Schließlich darf er das Zeug nicht einatmen, es geht um die Dopingbestimmungen."

Für die Fans scheint die Aufregung lächerlich und übertrieben zu sein, für die Hertha-Spieler und Verantwortlichen absolut gerechtfertigt. Wenn in Trainingslagern nur noch eine kleine Rauchwolke zwischen Fans und Spielern liegt, zeigen sich die eklatanten Unterschiede dieser zwei Welten. Die einen machen Urlaub und lassen mit Gras und Alkohol die Seele baumeln. Die anderen aus der Leistungsfabrik Bundesliga werden seit Jahren getrimmt von allem die Finger zu lassen, so dass sie für das Passivrauchen ins Krankenhaus wollen.

Wie man ohne viel Aufregung beim Trainingslager der eigenen Mannschaft richtig entspannen kann, zeigten die Fans von Hauptstadt-Rivale Union Berlin. Ihr Foto aus dem Trainingslager in Österreich mit Shisha im Planschbecken ging um die Welt und erfreute auch die Spieler.

Supp' union Berlin à l'entrainement! Génies ! pic.twitter.com/RVJS7hTy3A
— Swid (@RomainSwidurski) 9. Juli 2015