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Auch Profisportler sind Arschlöcher, die in die Dusche pinkeln

Oliver Kahn erzählte in seiner Biografie von einer bewegenden Szene, als ihn ein Mitspieler in der Dusche anpinkelte. Bundesligavereine haben das Dusch-Pinkeln als Problem erkannt und Strafenkataloge eingeführt. Zu Recht?
Foto: Imago

Letztes Tor gewinnt, abgekürzte Auslaufrunde und nach einem Kaltgetränk geht es sofort unter die wohlverdiente Dusche. Wenn das warme Wasser auf den glühenden Kopf prasselt, eilt aber schon ein gelber Fluss an deinen Füßen vorbei. Die Quelle sprudelt aus deinem Mitspieler heraus. Er pinkelt. Dieser etwas ordinäre Mannschaftskamerad, der mit dem Urinieren unter der Dusche wenig Probleme hat, spielt in fast jedem Team. Und obwohl du das nicht so toll findest, macht er eigentlich alles richtig. Eigentlich.

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„Pinkeln verboten"-Schilder hängen an den Wänden uriger Kachelkabinen oder auch in neuen Sportfunktionsbauten. In vielen Amateur- und Jugendmannschaften gibt es dieses große Pinkel-Problem unter der Dusche. Die Reaktionen darauf sind meist genauso unvorhersehbar wie ein Pass von Andrea Pirlo. Mal wird der Pinkler lautstark durch Lachen oder Gejohle in seinem Akt bestärkt, mal werden ihm fehlendes Schamgefühl und mangelndes Hygienegespür vorgehalten. Doch für einige Spieler scheint es inmitten der testosterongeschwängerten Kabinenwelt voll dreckverschmutzter Knie und schweißnasser Rücken in Ordnung zu sein, mal kurz mit ihrem spritzenden Glied herumzuwedeln. Das passiert dann gerne auch mal wie mit einem Feuerwehrschlauch, um dem ein oder anderen Mitspieler das Löschen zu lehren. Viele Spieler fühlen sich dadurch jedoch genötigt—so ist das selbst bei den Profis.

„Ich drehte das kalte Wasser an, um mich erst mal abzukühlen, schloss die Augen, um die anderen Typen auszublenden", erzählt Oliver Kahn in seiner Biografie „Ich" über den Anfang seiner Karriere als 18-Jähriger beim Karlsruher SC. „Doch plötzlich spürte ich, wie es an meinem linken Oberschenkel wieder anfing, warm zu werden, das Wasser rieselte dort nicht kalt, sondern sogar ziemlich warm. Erschrocken riss ich die Augen auf: Einer der Spieler hatte sich in die Dusche neben mich gestellt—und damit begonnen, mich im hohen Bogen anzupinkeln!", beschreibt der mehrmalige Welttorhüter sein persönliches Pinkelerlebnis, das in der Bundesliga keinesfalls zur Seltenheit gehören dürfte.

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Bezahlte Berufsfußballer können das Dusche-Pinkeln nämlich auch nicht einfach ablegen. Immer wieder werden von findigen Lokaljournalisten die Strafenkataloge deutscher Profiklubs geleakt. Und oft mit dabei: Die Pinkeln-in-der-Dusche-Strafe. Auf dem Strafenkatalog der Mannschaft des FC Augsburg wird das Urinieren unter der Dusche mit 50 Euro geahndet. Bei Borussia Mönchengladbach oder Drittligist Fortuna Köln kostet es 20 Euro. Beim Zweitligisten Union Berlin muss der Pinkler zehn Euro zahlen. Dabei ist das ein Tabuthema.

Aus der sagenumwobenen Welt der Kabine—die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist—dringt eigentlich so gar nichts heraus. Schon eine alte Fußballerweisheit besagt: „Was in der Kabine passiert, bleibt in der Kabine." Das Pinkel-Problem unter der Dusche gehört wohl zu den größten Tabuthemen im Sport. Dabei gibt ein Großteil der Deutschen zu, dass sie beim Duschen zuhause gerne mal loslassen und sich den Weg zur Toilette sparen. Aber warum wird es bei so vielen Quertreibern unter den Duschhähnen deutscher Sportlerkabinen überhaupt noch tabuisiert und verboten?

Menschen, die behaupten nicht in ihre Dusche zu pinkeln, sind mir mehr als suspekt.
— Lilli (@Lillipillibilli) 18. November 2015

Das fragten sich im letzten Jahr auch zwei Studenten der britischen Universität East Anglia (UEA) in Norwich und regten ihre 15.000 Kommilitonen an, am Morgen unter der Dusche zu urinieren, statt das Klo zu benutzen. Ziel der Aktion: Das Wasser für die Klospülung zu sparen. Tatsächlich ließe sich eine große Menge an Wasser sparen und der Vorgang wäre sehr umweltfreundlich. Die etwa 15 Liter pro Person und Tag würden bei 80 Millionen Menschen in Deutschland um die 400 Millionen Kubikmeter Wasser sparen, womit sich acht Mal der Bodensee füllen ließe.

Die Gegner sprechen jedoch von unhygienischen Zuständen und erklären sich mit der wesentlich umweltfreundlicheren Sparfunktion bei Toiletten, die es seit einigen Jahren zumindest in Deutschland gibt. Dabei besteht Urin im Wesentlichen aus Wasser und Salzen. Er sei zwar nicht steril, wie ein Mythos besagt, doch er ist die vermutlich sterilste Flüssigkeit des menschlichen Körpers. Ein Gesundheitsrisiko besteht nach Expertenmeinung offenbar tatsächlich nicht, auch weil das Wasser der Dusche die ganze Zeit läuft. Aber ist das feuchtfröhliche Pinkeln in der Umkleidekabine von Fußballteams eine gute Idee?

Nein. Die ohnehin nur mit Badelatschen und Adiletten zu betretenden Kabinen in Sportdeutschland müssen schon genug Dreck, Gestank und undefinierbare Flüssigkeiten verkraften. In der Kabine will keiner Hintern an Hintern mit seinen Mitspielern stehen und die warmen Ausscheidungen des rechten Flügelspielers an seinen blutigen Knien spüren. Zu Hause kann dann jeder gerne wieder Wasser sparen. Wer das aber nach dem Spiel in der Kreisklasse versucht, bekommt Hiebe mit der nassen Handtuchpeitsche.

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