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Basketball

Wie Kristaps Porziņģis zum besten Big Man der NBA werden kann

Kristaps Porzingis ist gerade einmal 21 Jahre alt und schon jetzt ein einzigartiger Spieler. Wir haben analysiert, an was der New York Knicks-Center noch arbeiten muss, um sein ganzes Potenzial auszuschöpfen.
Anthony Gruppuso-USA TODAY Sports

Zwar ist der Lette schon jetzt ein einzigartiger und verdammt guter Spieler, aber er muss trotzdem noch an einigen Aspekten seines Spiels feilen, um sein volles Potenzial auszuschöpfen.

Kaum hatte Kristaps Porziņģis im Oktober 2015 zum ersten Mal das Spielfeld im Madison Square Garden betreten, sorgte er auch schon für Aufsehen im NBA-Kosmos. Seine Mischung aus Größe, Treffsicherheit und Defensivarbeit macht ihn zum Aushängeschild der neuen Drei-Punkte-Wurf-Ära des Basketballs, in der selbst Center genauso oft von Downtown werfen, wie sie unterm Korb zum Block ansetzen.

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Aber schon vor Porziņģis haben mehrere großgewachsene Basketballspieler auch den Bereich hinter der Drei-Punkte-Linie in ihre Reichweite aufgenommen. Dirk Nowitzki betrat im Jahr 1998 die nordamerikanische Basketballbühne und seitdem sind über 2,10 Meter große Wurfschützen in der NBA genauso üblich wie Designer-Anzüge. Mit 2,21 Meter ist Porziņģis jedoch mit Abstand der Größte und der Center der New York Knicks ist dank seiner geschmeidigen Bewegungen und seines phänomenalen Ballgefühls ein wahres Basketballwunder.

Schauen wir uns doch mal an, was genau Porziņģis so besonders macht—und was er tun kann, um sein Talent bestmöglich auszunutzen.

Spot-Ups und Pick-and-Pops

Eine Offensivfähigkeit hebt Porziņģis von allen anderen riesigen Spielern in der gesamten NBA-Geschichte ab: Er versenkt scheinbar mit Leichtigkeit offene Spot-Up-Dreier—also Drei-Punkte-Würfe, die er direkt nach dem Erhalten des Balls abfeuert. In dieser Saison hat der Lette pro Spiel 4,8 solcher „Catch and Shoot"-Dreier genommen und liegt damit ligaweit auf Platz 10. Allgemein gesprochen lässt er pro Spiel 5,4 Drei-Punkte-Würfe los—selbst Nowitzki hat im Laufe seiner Karriere niemals einen so hohen Durchschnitt erreicht.

Und trotz dieser hohen Wurfquote trifft Porziņģis unglaubliche 42 Prozent seiner Dreier-Versuche und ist damit besser als Eric Gordon, J.R. Smith und sogar Klay Thompson (!). Nur zwei andere Big Men befinden sich in Bezug auf Wurfquote und -effizienz auf ungefährer Augenhöhe: Kevin Love und Ryan Anderson. Vor allem Anderson bietet hier die Grundlage für einen interessanten Vergleich, da er eher ein reiner Spot-Up-Werfer ist und sich vor allem im hinteren Bereich zwischen Drei-Punkte-Linie und Freiwurffläche aufhält. Mit einer Größe von 2,08 Metern ist Anderson außerdem der Prototyp eines Stretch Fours—also eines Power Forwards, der das Spiel öffnet und breiter macht. Er wirft locker über kleinere Verteidiger hinweg und besitzt die Genauigkeit, um wirklich so oft „downtown" unterwegs sein zu können.

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Porziņģis ist natürlich noch mal 13 Zentimeter größer. In anderen Worten: Zwischen Porziņģis und Anderson besteht ein Größenunterschied wie zwischen Anderson und den Shooting Guards Courtney Lee oder Bradley Beal. Dieser Umstand verschafft Porziņģis und den Knicks einen Riesenvorteil, weil diese Mischung aus Größe und Wurfgenauigkeit zu sehr viel Offensivgewicht führt. Wenn ein Verteidiger einer kleineren Gegner deckt, dann kann er trotz eines kleinen Abstands beim Wurf immer noch genügend Druck ausüben. Wenn man jedoch einen gleich großen Gegner verteidigt, dann wird dieser Abstand automatisch geringer.

Porziņģis ist nach Boban Marjanovic der zweitgrößte Spieler der NBA. Ergo: Jeder muss sich quasi an ihn kleben, um bei seinen Spot-up-Dreiern Druck ausüben zu können. Manchmal ist jedoch selbst das nicht genug. Im folgenden Video ist gut zu sehen, wie Porziņģis auch schwierige Dreier dank seines schnellen und hohen Wurfs versenkt:

Die Knicks machen sich Porziņģis' Offensivgewicht zunutze, indem sie ihn bei Zügen zum Korb oder bei Post-Ups für freie Würfe anspielen. Die Absicht dahinter ist es, die New Yorker Gegner direkt auf den Ball gehen zu lassen—und wenn Porziņģis' Verteidiger den Letten dann alleine lässt, nutzt der das aus, indem er entweder einfache Würfe versenkt oder sich in eine noch bessere Position zum Korb begeben kann.

Theoretisch ist diese Taktik sehr sinnvoll, vor allem wenn Spieler wie etwa Carmelo Anthony in Bedrängnis oder im Post schnelle Entscheidungen treffen. In der Praxis ist diese Taktik jedoch nicht immer die beste Möglichkeit, Porziņģis' einzigartiges Offensivgewicht zu nutzen. Das liegt größtenteils daran, dass die balldominierenden Spieler der Knicks nicht gerade auf die Vorlagenkrone aus sind: Anthony hat diese Saison seinen zweitniedrigsten Assist-Durchschnitt seit seinem Wechsel nach New York und Derrick Rose kann sogar den niedrigsten Assist-Durchschnitt seiner gesamten Karriere vorweisen. Viel zu oft ist Porziņģis nur die zweite Wahl und muss lediglich als riesige Ablenkung bei viel weniger effizienten Scoring-Optionen fungieren.

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Aufgrund von Porziņģis' Talenten auch abseits des Balls nutzt man das Offensivgewicht des Letten am optimalsten, indem man ihn als Screen beim Pick-and-Pop einsetzt. Wenn er den Block setzt, ist sein Verteidiger nämlich gezwungen, für den Bruchteil einer Sekunde bei der Verteidigung des ballführenden Spielers mitzuhelfen, damit der nicht zum Korb ziehen kann. Und das löst eine Kettenreaktion aus, die die Verteidigung sofort durcheinander bringt.

Früher oder später wird dieser Spielzug zum Grundrepertoire von Porziņģis' Spiel gehören. Wenn man die Taktik der Knicks darauf aufbaut, dann werden plötzlich überall auf dem Spielfeld offene Wurfmöglichkeiten geschaffen. Porziņģis' Größe, seine Treffgenauigkeit und sein schneller Wurf machen es unmöglich, ihn richtig zu verteidigen. Mit dieser Taktik wird aber nicht nur der Lette mehr ins Spiel mit eingebunden, sondern auch andere offensive Ziele der Knicks erreicht—egal ob nun ein Derrick Rose, der direkt in den Post marschiert, oder ein Carmelo Anthony, der selbst Spot-Up-Würfe nimmt oder zum Korb zieht.

Passspiel und Fähigkeiten als Spielmacher

Um sein Potenzial als Screen-and-Pop-Waffe zu maximieren, muss Porziņģis ein besserer Passgeber werden. Derzeit kommt er pro Match nur auf 1,3 Assists und hat keine wirklich gute Nase dafür, offene Würfe für seine Mitspieler zu kreieren. Zwar kann Porziņģis auch bei einer Doppeldeckung im Stehen passen, aber selbst dann werden seine offensichtlichen Zuspiele oft von antizipierenden Gegnern abgefangen. In den nachfolgenden Clips hat der Lette zwar immer das Richtige vor, schafft es dann jedoch nicht, den relativ einfachen Pass an den Mann zu bringen:

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Besonders die Golden State Warriors haben es geschafft, Porziņģis' fehlende Qualitäten als Spielmacher aufzudecken, indem sie ihn bei Ballbesitz stark unter Druck setzten und so zu schnellen Entscheidungen zwangen. Teams, die so viel Druck auf den Mann ausüben wie die Warriors, sind allerdings anfällig für Pässe und Züge zum Korb—vor allem dann, wenn sie doppelt decken. Derzeit ist diese Reaktion bei den Knicks nicht zu beobachten, weil sich Porziņģis in diesem Szenario noch nicht wohl fühlt:

Das Gefälle von Porziņģis' individueller Klasse zu seinen Fähigkeiten als Spielmacher ist doch recht steil. Er hat zwar schon gezeigt, dass er sehr gut nach links dribbeln und werfen sowie direkt zum Korb ziehen kann, aber es wird noch ein wenig dauern, bis er der Spieler ist, auf den sich die Knicks in wirklich jeder Spielsituation verlassen können.

Der Signature Move

In gewisser Weise ist Porziņģis ein 2,21 Meter großer Guard. Sein Lieblingsmove ist das schnelle Antäuschen eines Wurfs, gefolgt von einem Zug nach links. So schafft er sich für seinen Wurf fast immer genügend Platz. Diesen Bewegungsablauf hat er richtig gut drauf und die Zuschauer jubeln jedes Mal freudig auf, wenn er dazu ansetzt. Ein solcher Pull-Up-Wurf aus der Mitteldistanz sollte jedoch eher ein situationsbedingter Move und keine Standardbewegung sein. Manchmal scheint es sogar so, als ob sich Porziņģis bereits vor dem Erhalten des Balls darauf festlegt, was er machen wird—und dann dribbelt er direkt in einen Verteidiger:

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Bei seiner Größe ist es jedoch nicht nötig, dass Porziņģis ständig perfekt spielt. Er muss sich nur ein kleines bisschen von seinem Gegenspieler lösen können, um seinen sehr effizienten Wurf auszupacken.

Die Beinarbeit im Post

Ein Aspekt, in dem sich Porziņģis noch stark verbessern kann, ist seine Beinarbeit, wenn er mit dem Rücken zum Korb steht. Er mag sich zwar geschmeidig im Bereich zwischen Drei-Punkte-Linie und Freiwurffläche bewegen, aber wenn er sich dann auf traditionelle Art und Weise im Post vorarbeitet, wird es schnell recht komisch. Im nachfolgenden Video versucht er sich an einer sehr schönen Wurftäuschung, versaut die Beinarbeit aber komplett. Um diesen Move richtig anzubringen, sollte das Dribbling in einem Links-Rechts-Zug münden—die natürliche Bewegung bei einem Hook- oder Turnaround-Wurf. Porziņģis bleibt jedoch stocksteif und der Fake geht ins Leere:

Hier ist noch ein weiteres Beispiel, diesmal gegen die Dallas Mavericks. Porziņģis täuscht den Pass zum Mitspieler an der Grundlinie perfekt an und bringt damit den Verteidiger im Post aus der Balance. Sein rechter Fuß sollte bei der Drehung jedoch komplett in der Zone sein, bevor er überhaupt zum Dribbeln ansetzt. Indem er quasi in die Bewegung hineindribbelt, macht sich Porziņģis langsamer und vermasselt so fast die Möglichkeit zum Punkten:

Porziņģis hat bei diesem Spielzug zwar den Korb gemacht, aber das heißt nicht, dass seine mangelhafte Beinarbeit keine Nachteile bringt. Die richtige Beinarbeit bei einer solch einfachen Drehbewegung ist der Schlüssel, der noch so viele andere Moves im Post, sowie Möglichkeiten zum Punkten oder zur Verwirrung der Defense eröffnet. Ein Beispiel: In diesem Video zeigt Hakeem Olajuwon LeBron James die nötige Beinarbeit sowie alle Bewegungen, die nach dem ersten wichtigen Schritt folgen können.

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Wenn sich sein Spiel mit dem Rücken zum Korb verbessert, dann wird Porziņģis sein volles Potenzial ausschöpfen können. Eine Möglichkeit, den gefährlichen Pick-and-Pop zu verteidigen, ist die Deckung mit einem großen Flügelspieler, der Porziņģis' Bewegungsraum minimiert. Ein verlässliches Spiel am und im Post macht diese Möglichkeit jedoch zunichte und setzt den Gegner noch mehr unter Druck.

Porziņģis ist schon jetzt ein herausragender Spieler. Sein Wurf und sein direktes Mann-gegen-Mann-Spiel sind sehr gut, er ist unglaublich groß und seine Fähigkeiten als Verteidiger sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Derzeit ist sein defensives Talent vielleicht sogar größer als sein offensives, aber er hat in beiden Bereichen noch so viel Potenzial, dass er noch jahrelang als Two-Way-Spieler eingesetzt werden kann.

Es wäre ein großer Fehler, Porziņģis nur auf den Spot-Up-Wurf zu reduzieren. Nowitzki ist ja auch nicht nur einer der talentiertesten Werfer aller Zeiten, sondern war über ein Jahrzehnt lang ebenfalls einer der besten Spieler der NBA, wenn es um das Spiel mit dem Rücken zum Korb ging. Und genau dieser Umstand hebt ihn von ähnlichen Spielern wie etwa Ersan Illyasova oder Channing Frye ab. Wenn Porziņģis also seinen 2,21 Meter großen Körper perfekt einsetzen will, dann sollte er sich an Nowitzki orientieren.

Porziņģis ist erst 21 Jahre alt. Er wird sich also auf jeden Fall noch verbessern—und das in allen Bereichen. In den kommenden Saisons wird sich herauskristallisieren, zu welchem Spielertyp er sich entwickelt. An welchen Aspekten seines Spiels wird er im Sommer feilen? Und wie werden die Knicks ihn auf dem Parkett einsetzen? Je vielseitiger er agiert, desto schwieriger fällt es den Gegnern, ihn zu verteidigen.

In einer Liga voller vielseitiger „Big Men" ragt Porziņģis vor allem wegen seines guten Wurfs heraus. In Zukunft werden es aber vor allem seine anderen Fähigkeiten sein, die ihn als Spieler definieren—und vielleicht zu mehr als „nur einem" Basketballwunder machen.