Wo du dir die WM-Spiele anschauen solltest

Foto von Alois Gstöttner, via VICE Media

Österreich ist ja angeblich eine Nation aus 8 Millionen Fußballtrainern. Eine schnelle Netzrecherche konnte diese Zahl zwar nicht bestätigen, aber das würde zumindest erklären, warum unsere Nationalmannschaft bei keinem nennenswerten Großereignis dabei war, das wir nicht selbst mitveranstaltet haben. Jedenfalls weiß jeder immer, wie es besser ginge, was auch der Grund ist, warum Fußballschauen mit uns Österreichern so viel Spaß macht. Die einzige Frage, die wir Profistrategen und Mannschaftspsychologen uns bei der WM stellen müssen ist, in welcher Form und an welchem Ort wir diesen Spaß am liebsten genießen wollen. Dabei geht es eigentlich weniger um Wissen, als einfach nur darum, sich für die richtige Option zu entscheiden. Und damit ihr am Ende nicht in der falschen Runde landet, die eure Expertise nicht zu schätzen weiß (oder damit ihr von genau solchen Menschen in Ruhe gelassen werdet), haben wir hier die verschiedenen Fußball-Zuschau-Modi für euch zusammengetragen.

Public Viewing

Foto von Dominik Geiger, via VICE Media

Eigentlich ist Public Viewing eine Perversion dessen, worum es beim Fußball geht. Immerhin gab es auch davor schon Orte, an denen sich grölende Fans getroffen haben, um mit viel Körperkreativität und Exzess-Energie ihrer gemeinsamen Leidenschaft zu huldigen. Diese Orte heißen Stadion und liegen meistens genau dort, wo sie niemanden betreffen, der von dem ganzen Scheiß verschont bleiben will. Leider bedeutet das meistens auch: irgendwo am Rande der Stadt, wo selbst Fußballfans nicht unbedingt hin pilgern wollen—zumindest nicht diejenigen, die man heute bei Public Viewings trifft. Viele, die es gewohnt sind, in der Schlange zu schwitzen, blaue Augen für ihre Mannschaft zu kassieren und 10 hartverdiente Euro für Anti-Alk zu bezahlen, schauen verächtlich auf diese neue Form der kollektiven Ball-Ekstase herab. Für alle anderen sind diese Orte des verordneten Gemeinschaftsgefühls der ideale Ort, um irgendwie bei der WM dabei zu sein und sich trotzdem hauptsächlich aufs Trinken und Reden zu konzentrieren. Was praktisch ist, weil diese Orte meistens sowieso dieselben sind, wo du dich auch sonst zum Trinken und Reden hinbegeben würdest, nur dass sie während der WM eben Public Viewing-Spots heißen.

Privatparty

Foto von Bruno Karl, via VICE Media

Ich bin mir sicher, du hast die besten Freunde der Welt. Ihre Partys sind die lustigsten, eure gemeinsame Witze-Dynamik ist Late Night Show-verdächtig und sie taggen dich auch bestimmt nur unter Postings, die dir nicht peinlich sind. Lass dir eins aber trotzdem gesagt sein: Deine Freunde sind nicht deine Freunde, wenn die Fußball-WM im Fernsehen läuft. Dann sind sie einzig und allein die Freunde des Fußballs. Das muss nicht das Schlimmste sein. Was du aber sehr wohl tun solltest, ist, dir darüber im Klaren zu sein, dass Privatpartys an einem WM-Spieltag nichts mit Privatpartys an jedem anderen Tag des Jahres zu tun haben und du dir nicht einbilden brauchst, du könntest mit deinen Freunden irgendeine Art von Spaß haben, die verlangt, dass sie ihre Augen vom Ball auf dem Bildschirm lösen. Für Menschen, die sehr viel emotionale Energie in die Flugbahn von Lederbällen stecken können, sind diese Partys das Beste. Alle anderen sollten fernbleiben und sich einfach unter den Fotos von diesem legendären Abend taggen lassen.

Pub/Beisl

Foto von Dominik Geiger, via VICE Media

Meine erste und schönste WM war jene, die 2002 in Japan und Südkorea ausgetragen wurde. Das liegt daran, dass ich sie fast ausschließlich in Wiener Beisln und englischen „Pubs" (die in Wahrheit auch Beisl waren, deren Besitzer nur zufällig irgendwann aus England eingewandert sind) geschaut habe. Das war zwar nicht ganz einfach, weil die Spiele damals wegen der Zeitverschiebung alle um 9:00 und 11:00 Uhr vormittags begonnen haben, aber zum Glück war ich gerade Student und hatte deshalb sehr viel Zeit, um mir die schönsten Lokale rauszusuchen, die extra für die Fußballspiele früh aufmachten. Damals habe ich auch gelernt, dass Beisl, die nach nur 5 Stunden Sperrstunde schon wieder öffnen, eindeutig die besten sind: Sie sind schattig, entspannt und strahlen viel Wiener Gemütlichkeit aus. Gleichzeitig sind sie auch ein bisschen traurig und riechen so wie die Luft, die dir sonst aus der Klimaanlage deines betrunkenen Taxifahrers entgegenschlägt, aber das alles schärft den Charakter und ist die perfekte Lösung, wenn ihr nicht ganz alleine, aber auch nicht ganz in der Menge sein wollt und nicht ganz so viele richtige Freunde habt.

Alleine zuhause

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Die traurigste Option und zugleich die Königsdisziplin des passiven Fußball-Genusses ist das Alone-Watching in den eigenen vier Wänden. Sicher, du wirst laut und deutlich das Grölen von nebenan hören und du hast niemanden, dem du dich hetero- oder homoerotisch an den Busen der Freude schmiegen kannst, wenn die Mannschaft, die dir weniger egal ist, ein Tor schießt. Aber genau diese emotionale Durststrecke macht dich am Ende nur noch stärker. Entbehrungen sind das Holz, aus dem echte Fans geschnitzt sind und auch, wenn es dabei mal wurmig zugeht oder du dir einen Splitter einziehst, wirst du als gestärkte Eiche aus der WM hervorgehen. Vermutlich wirst du es nicht schaffen, dir jedes Spiel auf diese Art anzusehen, weil das die verdammten First-World-Problems-Version von Guantanamo ist. Das ist okay. Versuch es einfach mal an zwei, drei Abenden und lass nebenbei ruhig eine Serie auf dem Laptop laufen. Der Punkt ist, dass du dir so nicht nur Respekt erarbeitest, sondern dir auch eine legitime Ausrede fürs Daheimbleiben verschaffst, ohne asozial zu wirken. Das ist zwar nicht sehr sportlich, aber seien wir uns ehrlich—wenn es wirklich um den Sport ginge, hättet ihr wohl gerade nicht einen Artikel darüber gelesen, wie ihr euch am bequemsten andere Leute beim Schwitzen ansehen könnt.