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Polen

In Polen verkleiden sich Polizisten jetzt als Journalisten

Beim Erstliga-Abstiegsspiel zwischen Ruch Chorzów​ und Górnik Łęczna​ nahmen getarnte Beamte Fans fest und filmten sie. Besonders Journalisten fürchten sich vor solchen Praktiken.
Foto: Twitter.com

Platzsturm in Braunschweig, Sitzschalen-Würfe in München. Nicht erst seit den diesjährigen Relegationsspielen in Deutschland wissen wir, wie emotional Fans auf Ab- oder Nichtaufstieg reagieren können. Am letzten Spieltag der Abstiegsrunde der polnischen Ekstraklasa zwischen Ruch Chorzów und Górnik Łęczna (2:2) mussten gleich beide Teams den bitteren Gang in die zweite Liga antreten – und dementsprechend frustriert reagierten die Fans. Schon während des laufenden Spiels stürmten Ruch-Anhänger den Platz – doch die Polizei hatte sich mit einer äußert umstrittenen Taktik auf diesen Fall vorbereitet. So wurden vereinzelte Platzstürmer nicht nur von behelmter und berittener Polizei überwältigt, sondern auch von Polizisten, die sich als Journalisten getarnt hatten. Die verkleideten Beamten trugen Westen mit Aufschriften wie "Media" und "Foto", die bewusst zur Kennzeichnung für Fotografen und Journalisten gedacht sind. Während die uniformierten Beamten die Fans auf den Tribünen in Schach hielten, nahmen die getarnten Polizisten sechs Platzstürmer fest.

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Die Polizei begründet ihr Vorgehen damit, dass sie nur so die Sicherheit der Spieler garantieren konnte. Im Innenraum des Stadion seien laut Reglement der polnischen Liga neben Spielern und Betreuern lediglich gekennzeichnete Journalisten erlaubt. Um die Aktivitäten der Fans besser beobachten zu können, wurden deshalb die Polizisten verkleidet – die Presse-Leibchen sollen sie vom Verein erhalten haben. Wie das polnische Portal Interia Sport berichtet, soll schon im Vorfeld des Platzsturms Pyrotechnik aus dem Heimbereich auf das Spielfeld geworfen worden sein. Von diesen Vorkommnissen sollen die getarnten Beamten Berichten zufolge Fotos und Videos gemacht haben, um die Täter identifizieren zu können.

Nach den Vorkommnissen meldeten sich Journalisten und Verbände wie der polnische Presse-Club und kritisierten das Vorgehen der Polizei scharf. "Für getarnte Polizeibeamte oder andere Dienste, die sich als Medien ausgeben, gibt es keine Entschuldigung", heißt es in einem gemeinsamen Protestschreiben zahlreicher polnischer Chefredakteure. "Die Medien waren, sind und sollten neutrale Spieler sowie Beobachter der Ereignisse bleiben. Dies ist vor allem bei Demonstrationen oder gewaltsamen Auseinandersetzungen wichtig. Der Status als Journalist oder Fotograf garantiert uns, dass wir nicht als eine der Konfliktparteien behandelt werden." Die Journalisten forderten eine "sofortige Einstellung dieser Praktiken der Polizeiarbeit" – die einen Mangel an Vertrauen an Journalisten und deren Kennzeichnung fördern würden und somit gefährlich sei.

Die Vorkommnisse haben aber erstmal nur Folgen für Ruch Chorzów: Der polnische Fußballverband bestrafte den ohnehin schon finanziell klammen Absteiger mit einer Geldstrafe in Höhe von 60.000 Zloty, das sind circa 14.000 Euro. Außerdem brummte er dem Verein für die kommende Saison zwei Heimspiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf, und – noch härter – ihre Fans dürfen bis Ende des Jahres keine Auswärtsspiele besuchen.