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„We're all out of bubblegum“ – Ein Nachruf auf Roddy Piper

Am Freitag ist Roddy Piper im Alter von 61 an Herzversagen gestorben. Er war wild, ungehobelt, blutig und unterhaltsam. Und er war "all out of bubblegum".
Titelbild: Ingrid Richter via flickr

Am 27. März 1984 fand in der Sendung Championship Wrestling ein Talkshow-Segment namens „Piper's Pit" statt. Es war die Zeit, als jeder große Wrestling-Star eine eigene Themenecke eingerichtet bekam, um zwischen den Matches und in stilechter 80er-Deko gegen seine aktuellen Todfeinde zu wettern (oder sich mit ein bisschen Glück neue zu machen).

Neben „Piper's Pit" gab es damals auch den „Barber Shop" von Brutus „The Barber" Beefcake, „The Funeral Parlor" des Undertakers und das „Heartbreak Hotel" von Shawn Michaels. Sie alle waren wie Derivate aus der Twilight Zone und auf ihre Weise sensationell.Aber keine dieser Shows-in-der-Show konnte in Sachen Spontaneität, Unterhaltungswert und Echtheit mit „Piper's Pit" mithalten. Der Grund war sein Host—der Wrestler „Rowdy" Roddy Piper. Und bei kaum einem dieser Segmente wurde sein Talent deutlicher als an diesem 27. März.

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Damals hatte Piper seinen bis heute farblosesten Gast in der Show; den gimmick-losen Frankie Williams aus Columbus, Ohio. Aber das Besondere an dem Segment ist nicht sein Gast (auch wenn er wie ein junger Benicio del Toro aussieht) oder seine Heimatstadt (auch wenn Columbus ebenfalls der Geburtsort von Wrestling-Legende „Macho Man" Randy Savage ist).

Das Besondere ist, dass Roddy Piper seine besten schottischen Manieren auspackt und seinen Gast mitten im Gespräch zu verprügeln beginnt. „It's simple as this", schreit Piper ins Mikro, bevor er Williams durch den Vorhang von der Bühne wirft. „Just when they think they got the answer, I change the questions!"

Heute wirkt dieser Satz symptomatisch für seine ganze Karriere. Als die Fans glaubten, ihn wegen seines mangelnden athletischen Talents auf das Abstellgleis der Wrestling-Geschichte schieben zu können, fragte er „Was ist eigentlich Wrestling?" und schuf sich seine eigene Nische aus Faustschlägen und Beschimpfungen.

Gerade, als die Fans ihn nach seiner Krebsdiagnose 2006 schon abgeschrieben hatten, fragte Piper „Warum sollte ein krebskranker Wrestler nicht trotzdem ein Comeback feiern können?" und rauchte zur Behandlung der Krankheit auf der Bühne Gras.

Und gerade, als die Welt ihn als Comic-Karikatur eines Dudelsack-spielenden Schotten eingeordnet hatte (der eigentlich Roderick Toombs heißt und aus Kanada stammt), fragte er „Wieso sollte ein Wrestler nicht auch in einem kapitalismuskritischen Zombiefilm mitspielen können" und schaffte seinen größten Mainstream-Erfolg mit John Carpenters They Live.

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Der Film, den Slavoj Žižek in seinem Pervert's Guide to Ideology als „vergessenes Meisterwerk des linken Hollywoods" und ultimative Kritik an unserer menschlichen Ideologie bezeichnet, ist es auch, aus dem das inzwischen Meme-gewordene Zitat „I'm here to chew bubblegum and kick ass. And I'm all out of bubblegum." stammt.

Am Freitag ist Roddy Piper alias Roderick Toombs an den Folgen eines Herzstillstands verstorben. Neben They Live und seinen legendären „Piper's Pit"-Momenten wird Piper aber vor allem als der Wrestler in Erinnerung bleiben, der schon bei Wrestlemania war, bevor diese noch eine Nummer hatte (und dort gegen Hulk Hogan antrat, der kürzlich auf ganz andere Art zu existieren aufgehört hat).

Piper hat Kokosnüsse auf Schädeln zerhauen, sich Verfolgungsjagden durch Hollywoodd geliefert und Bret Hart wortwörtlich bis aufs Blut bekämpft. Er hat Arschtritte verteilt, wo es nur ging. 2005 wurde Piper in die WWE Hall of Fame aufgenommen. Er wurde 61 Jahre alt. Heute sind wir alle „out of bubblegum".

Markus auf Twitter: @wurstzombie


Titelbild: Ingrid Richter | flickr | cc by 2.0