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Kobe Bryant

Das Erbe von Kobe Bryant? Es wird keines geben

Kobe Bryant wird als einer der größten Spieler aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Doch was wird er uns hinterlassen? Nicht viel, dafür war er schlicht und ergreifend zu komplex, um ihn fassen zu können.
Foto: Imago

Über Tote soll man bekanntlich nicht schlecht sprechen. Besonders nicht, wenn sie erst vor wenigen Stunden von uns gegangen sind. Kobe Bean Bryant hat heute Nacht sein letztes Spiel gemacht und uns noch ein letztes Mal den alten Kobe gegeben. 60 Punkte waren es am Ende. Der perfekte Abgang also? Nein, mit Sicherheit nicht. Als gefühlter Fast-Sportinvalide hat er in seinem letzten Abgesang nochmal 50 Würfe genommen, mehr als je zuvor in seiner Karriere. Gott sei Dank hatten die Rockets gewonnen, denn somit hatten die Utah Jazz keine Chance mehr, in die Playoffs zu kommen, und ließen Kobe dementsprechend gewähren. Schaut man sich vor allem die letzten zwei Minuten an, dann hatte die Verteidigungsleistung der eigentlichen Defensiv-Spezialisten aus dem Mormonen-Staat etwas von Mau Mau gegen einen 5-Jährigen. Du lässt ihn halt gewinnen.

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Ein Abschied wie aus einem schlechten Sportfilm, aber hey, wir sind ja auch in Hollywood hier. Bisschen Cheese zum Abschied? Passt schon, oder? Nein, das tut es keineswegs.

Ich bin nie ein Kobe-Fan gewesen, trotzdem waren für mich die letzten Monate nur schwer mit anzusehen. Nicht, weil der 37-Jährige nach 20 Saisons Knochenmühle NBA wie selbstverständlich auf dem Court stand und den talentierten Jungspunden der Lakers die Würfe nahm. Nein, es tat weh, dass er nicht schon vorher aufhören konnte. Kobe Bryant war für die Minuten, die er abriss, der mit Abstand schlechteste Spieler der NBA. 35 Prozent aus dem Feld und 28 Prozent von der Dreierlinie sind einfach nur gruselige Quoten. Es war erschreckend, wie der stolze Krieger Kobe Bryant von seinem Körper im Stich gelassen wurde und zum Ende von Spielen einbandagiert wie eine Mumie auf der Bank saß. Der einst so beinharte Verteidiger, der früher den besten Flügelspieler des Gegners ausschaltete, konnte seine Gegenspieler nur noch durchwinken wie ein Zollbeamter in der knallenden Mittagssonne. Und wenn er bei jedem Tip-Off lächelte und die Glückwünsche der Gegner und Fans entgegennahm, wirkte er nur noch gebrechlicher. Ein Sportrentner, der den Tod hinauszögerte.

Nun ist er also weg, mindestens zwei Jahre zu spät. Die Frage ist natürlich, wie uns Kobe Bryant in Erinnerung bleiben wird. Das Traurige ist, dass er uns nur ein dürftiges Erbe hinterlassen wird.

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Klar, über seine 81 Punkte gegen die Raptors werden noch Generationen sprechen, fünf Meisterschaften, ein MVP-Titel und Platz 3 in der ewigen Scorer-Liste sind nicht wegdiskutierbar. Niemand wird anzweifeln, dass Kobe einer der zehn besten Spieler aller Zeiten war.

Doch was war sein Impact? Magic Johnson und Larry Bird haben die NBA aus der Versenkung gehoben, Michael Jordan hat sie zur Milliarden-Marke gemacht. Selbst Allen Iverson hat mit seiner Persönlichkeit die NBA verändert. Aber Kobe? Wenn man ehrlich ist, wird nicht viel bleiben.

Kobe ist eine höchst komplexe Persönlichkeit. Er wuchs in Italien auf, spricht mehrere Sprachen, ist unglaublich intelligent und höflich. Doch er ist auch ein Egomane, was er nie abgelegt hat. Kobe hat sich nie durchschauen lassen und wirkte generell sehr unnahbar. Als er mit 18 in der Liga debütierte, bekam er schnell den Stempel Next Jordan aufgedrückt. Zeit seiner Karriere versuchte er, Michael Jordan zu übertrumpfen. Er kopierte seinen Stil, ließ sich von seinem Hunger inspirieren und bat ihn häufig um Rat. Doch während MJ in der öffentlichen Wahrnehmung zum Überathleten stilisiert wurde und jede Arschloch-Aktion als Gewinner-Mentalität („Maybe there is no 'I' in 'Team', but there is an 'I' in 'Win'") verklärt wurde, durfte sich Kobe keinen Fehler erlauben. Kobe wurde zwar von Menschen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein geliebt, doch von so ziemlich jedem anderen gehasst. Er war der Nacheiferer von Jordan, mit dem irgendwas nicht zu stimmen schien. Wenn Michael Jordan perfekt war, dann war Kobe das Abziehbild von Perfektion. Und wer mag schon eine Fälschung?

Die öffentliche Wahrnehmung von Kobe begann sich zu ändern, als man realisierte, dass Kobes Besessenheit vor allem daher rührte, dass er einfach Basketball liebte. Egal, ob er sich mit Shaq im Training prügelte, wegen Vergewaltigung auf der Anklagebank saß oder Dwight Howard fertig machte—Basketball war immer für ihn da. Ich habe Kobe Bryant in seinen ersten Jahren auch verabscheut. Der Typ sah zu gut aus, konnte scheinbar alles und er wusste, dass er alles konnte. Auch heute würde ich mir nie ein hässliches Kobe-Bryant-Trikot kaufen, doch wie so viele fing ich an, ihn zu respektieren, als er sein Spiel revolutionierte und plötzlich mit Fußarbeit und Detail-Besessenheit das Spiel dominierte. Jemand, der Basketball so sehr liebte und sich komplett neu erfand, der hat einfach Respekt verdient. Doch im Falle von Kobe Bryant wird es immer nur Respekt bleiben. Denn er hat weder Basketball noch die NBA revolutioniert. Er war einfach nur ein Killer, und die haben keine Erben.

Folgt Toni auf Twitter: @sopranovic