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einmal hin alles drin

Real Madrid oder die Philosophie des planlosen Powershoppings

Real Madrid ist der größte Verein der Welt. Dafür gab Präsident Florentino Pérez in seiner Amtszeit etwa 1,2 Milliarden Euro für Spieler aus. Nachhaltigkeit? Die bringt kein Prestige.
Foto: twitter.com/irresistibleOne

Es war eine Niederlage, die schmerzte. Schließlich war es der El Clásico. Das 0:4 von Real Madrid gegen den FC Barcelona ist kaum verdaut, schon sucht man in Madrid nach Schuldigen für die schmerzhafte Machtdemonstration des katalanischen Dauerrivalen. Gesucht wird dieser von Reals Präsident Florentino Pérez—dabei ist er das eigentliche Problem.

In einer extra von Pérez anberaumten Pressekonferenz wurde zur Verwunderung aller Anwesenden Reals Trainer Rafael Benitez „vollstes Vertrauen" ausgesprochen. Die Schuldigen wurden trotzdem gefunden. Die Medien wurden für ihre Berichterstattung kritisiert und die rechtsradikalen Hooligans der „Ultras Sur" waren ebenso Schuld wie Ex-Trainer Carlo Ancelotti, der das Team zu Grunde richtete.

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Pérez ist ein Machtmensch. Der Ingenieur arbeitete sich hoch, ist Milliardär und Chef des Baukonzerns ACS. Doch er wollte mehr als nur in die Forbes-Liste. Im Jahr 1995 scheiterte er noch, doch fünf Jahre später wurde er Präsident von Real Madrid. Real ist nicht nur einer der größten Sportvereine der Welt, sondern auch eine der größten globalen Marken und ein wahres Symbol von Macht und Reichtum. Der Vorsitz von Real stillte seine Gier nach Prestige jedoch nicht.

In seiner ersten Amtszeit holte er mit Zinédine Zidane, Luís Figo, David Beckham, Michael Owen, Ronaldo oder Robinho lauter teure Superstars und läutete die „Galaktische Ära" ein. Zwei Meisterschaften und ein Champions-League-Sieg später blieben die Erfolge danach aber aus und er verließ im Jahr 2006 den Verein wieder. 2009 kam er zurück und verfiel innerhalb der ersten zwei Monate mit Verpflichtungen von Cristiano Ronaldo, Kaká, Karim Benzema, Raúl Albiol und Xabi Alonso erneut in einen Kaufrausch. Ein 200-Millionen-Kaufrausch. Pérez' Ziel in seinem Image-Wahn: Jedes Jahr sollte Real einen Superstar für mehrere Millionen kaufen.

Cristiano Ronaldo wird von Präsident Florentino Pérez im Jahr 2009 bei Real vorgestellt (Foto: Imago)

In den zwölf Jahren bei Real Madrid (2000 bis 2006 und seit 2009) hat Pérez etwa 1,2 Milliarden Euro alleine für Spielertransfers ausgegeben, doch gewann Real in dieser Zeit „nur" zwei Mal die Champions League und holte lediglich drei spanische Meisterschaften. Zu wenig für Real, Pérez, sein Geld und die Ansprüche der Fans. Pérez weist den schlechtesten Titel-Durchschnitt aller Real-Präsidenten seit 70 Jahren auf.

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Real ist der umsatzstärkste Sportverein der Welt, auch, oder gerade, weil Pérez nicht auf sportliche Kontinuität, sondern auf das Image des glamourösen Weltvereins setzt. So musste ein verdienter Spieler wie Ángel Di María, der mit Real die Champions League gewann und den Spielstil unter Ex-Trainer Ancelotti prägte, gehen. Für ihn kam der WM-Teenischwarm James Rodriguez. Ein guter Kicker, aber niemand, der di Marias Stärke im Sprint und Umschaltspiel hat. Rodriguez aber ist ein Posterboy, der mit Traumtoren bei der WM und als vom People-Magazin ausgezeichneter „Sexiest Man Alive" unzählige Trikots in Lateinamerika verkauft. Ein Hype, den Pérez liebt, der Real Geld einbringt, sie sportlich aber nicht weiterbringt.

Im Verein wagt sich niemand, den Alleinherrscher anzugreifen. „Ich habe eine klare Meinung, aber ich kann nicht immer sagen, was ich denke", sagte Reals Superstar Cristiano Ronaldo im letzten Jahr. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er weder Xabi Alonso noch Ángel Di María und Mesut Özil ziehen lassen wollte. Perez erwiderte: „ Di María hatte finanzielle Ansprüche, die Real nicht erfüllen konnte. Der Klub hat die beste Offerte unterbreitet, die man einem Fußballer machen kann. Wären seine Bedingungen akzeptiert worden, wäre die finanzielle Stabilität des Klubs in Gefahr. Daher haben wir Rodriguez verpflichtet." Für den größenwahnsinnigen Präsidenten des größten Klubs der Welt eine nicht ganz glaubwürdige Argumentation.

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Die Pérez-Transferpolitik wird aber auch offen kritisiert, aber nur von außen. „Sie sind in einem modernen Kreislauf gefangen", sagte Arsenal-Trainer Arsène Wenger der L'Equipe Sport & Style vor zwei Wochen. „Sie brauchen immer neue Gesichter, sie sind süchtig nach Schlagzeilen", trifft der Franzose das eigentliche Problem von Pérez und Real Madrid auf den Kopf. „Für mich hängt konstanter Erfolg vom Zusammenhalt innerhalb des Klubs ab. Andauernd alle Leute rauszuwerfen, macht nur Sinn, wenn man unendlich hohe Einnahmen hat. Dann kannst du gewinnen. Wenn nicht, bist du weg." Wenger weiß: Es gibt keine Opposition zum gefestigten Real-Herrscher Pérez—wer ihn kritisiert, fliegt.

So much talent in one photo.Who is your fav player? #Beckham #Figo #Ronaldo #Zidane #Raul #HalaMadrid!i #RealMadrid pic.twitter.com/XZaIgxp15I
— Belal E. (@irresistibleOne) 27. Oktober 2015

So wie der gefeuerte Ex-Coach Ancelotti. Der Italiener holte mit Real Madrid den so lang ersehnten zehnten Champions League-Titel, La Décima. Ein Jahr darauf gewann der Italiener jedoch keinen Titel und musste gehen. „Es war keine einfache Entscheidung. Aber es ist an der Zeit, die Mannschaft wiederzubeleben, um neue Titel zu gewinnen", sagte Pérez im Mai. Es wurden neue Spieler gekauft und der gebürtige Madrilene Rafael Benitez sollte als Coach neue Pokale holen.

Jetzt steht Real Madrid mit sechs Punkten Rückstand auf den FC Barcelona in der Liga auf Platz drei. In der Champions League müssen sie wieder den Titel holen—sonst muss Benitez spätestens am Ende der Saison gehen. Und dann fängt eine neue Kurzzeitgeschichte an, ohne sportliche Kontinuität, sondern mit maximalen Ausgaben und Pérez' so geliebtem Prestige. Eine Madrider Erfolgsära kann wohl erst geprägt werden, wenn die Ära von Pérez beendet wird.

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie