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marshawn lynch

Der Mensch Marshawn Lynch ist noch großartiger, als wir dachten

Ein Journalist der Seattle Times hat die schönsten Anekdoten des legendären Running Backs zusammengestellt. Wie zu erwarten ist er nicht nur ein einzigartiger Spieler, sondern auch ein großartiger Mensch. Und ein absoluter Geizhals.
Joe Nicholson-USA TODAY Sports

Es ist der 1. Februar 2015. Die Seahawks stehen im Super Bowl einen Yard vor der Endzone der New England Patriots entfernt. Es sind noch 22 Sekunden auf der Uhr und ein Touchdown würde über Sieg oder Niederlage entscheiden. Im University of Phoenix Stadium, aber auch vor den Bildschirmen, gibt es für die meisten nur eine Option: Der Running Back Marshawn Lynch bekommt den Ball und tankt sein Team zur Weltmeisterschaft. Pete Carroll entscheidet sich jedoch für den vielleicht schlechtesten Playcall aller Zeiten. Russell Wilson soll lieber einen Pass spielen—und wirft eine Interception. Der Rest ist Geschichte.

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In dieser Nacht endete auch mehr oder weniger die Karriere des Running Backs, dessen geschundener Körper anschließend eine Leisten-OP benötigte, von der er sich nur langsam erholte. Nach ein paar kurzen und glanzlosen Auftritten endete am Tag des Super Bowl 50 seine Profi-Karriere. Auch wenn viele in ihm einen Exzentriker sahen, huschte er mit einem kryptischen Tweet, der seine Sportschuhe über einem Strommast hängend zeigte, von der großen Bühne.

pic.twitter.com/wesip4IhOR
— Shawn Lynch (@MoneyLynch) February 8, 2016

Heute geht es ihm besser denn je. „Beast Mode" war nie der klassische Athlet, dessen Leben nur aus Sport und Geldausgeben bestand. Tatsächlich hat Lynch bis heute keinen Cent von den rund 50 Millionen Dollar, die er in seiner Karriere verdient hat, ausgegeben und hilft momentan bei sozialen Projekten in seiner Heimatstadt Oakland. Seinen Cousin, den Rapper Mistah F.A.B., nerven die Geldprobleme manchmal. „Er lebt, als wäre er pleite. Er fragt Sachen wie ‚Bruder, kannst du mir zehn Dollar leihen?'", so der Rapper und fügt hinzu: „Er ist ein Geizhals. Aber so ist er eben. Man lernt ihn lieben." Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit.

Als Lynch zum Beispiel 2015 bei McDonalds von einem 17-jährigen Verkäufer auf seine Schuhe angesprochen wurde, drückte ihm der Seahawks-Spieler 500 Dollar für neue Sneaker in die Hand. Natürlich warf das auch die Frage auf, was ein Profisportler in einem Fast-Food-Restaurant zu suchen hat. Auch hier lautete die Antwort, dass Marshawn eben anders war und den Sport nie so verbissen sah.

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Solange er ablieferte, wollte ihm auch niemand in seine teilweise ungesunde Ernährung reinreden. Ganz im Gegenteil: Sie wurde sogar noch subventioniert. Da Lynch eine sonderbare Obsession für Skittles hatte, wurden während seiner Spiele extra für ihn Skittles-Spender aufgestellt. Außerdem war auch die einzige Pressekonferenz, bei der er vernünftige Antworten gab, „sponsored by Skittles". Für sonstige Medienvertreter war der Running Back ein absoluter Albtraum.

Stoisch beantwortete er alle Fragen einer Pressekonferenz meist nur mit einer Antwort, die sich komplett durch die Interviews zog—bis heute ist sein „I'm only here so I won't get fined"-Frage-Antwort-Spiel mit den Journalisten legendär. Lynch hasste den Medienrummel der Liga und ließ lieber Taten auf dem Feld für sich sprechen. Mit seinem exzentrischen Auftreten steigerte er jedoch seinen Stellenwert bei den Journalisten bis zum Gehtnichtmehr.

Natürlich war ein Spieler, der sich wie ein Traktor durch die Abwehrreihen pflügte—dabei auch das direkte Duell mit den Verteidigern suchte—und anschließend mit der Hand im Schritt in die Endzone fiel, interessanter als ein beliebiger Kicker. Zum Legendenstatus trugen auch Geschichten wie die seiner Mutter bei. Die erklärte sich die Kraft ihres Sohnes damit, dass er wegen eines unterentwickelten Zwillings zwei Plazentas im Mutterleib hatte und die Ärzte ihr sagten, ihr Sohn würde stark werden. Genau diese Mischung aus Ambivalenz und Talent schafften auch den Mythos um seine Person, der mit jeder neuen Story wächst. Sogar ein Jahr nach seinem Karriereende.

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"He's not carrying the football, he's carrying his team" - Tom Cable on @MoneyLynch#ThankYouBeastModehttps://t.co/IKKh5R5elX

— Seattle Seahawks (@Seahawks) February 8, 2016

Denn offensichtlich vermisst die Sportwelt den Superstar. Deswegen trug ein Redakteur der „Seattle Times" die besten Beast-Mode-Stories seiner ehemaligen Teamkollegen zusammen. „Shitty", so Lynchs unschöner Spitzname als Kind, soll unter anderem den Pfleger eines verletzten Mannschaftskollegen permanent als „Gaylord" bezeichnet haben. Nicht, weil er homophob ist, sondern als Referenz an die Figur „Gaylord Forker"—einen Pfleger aus dem Ben-Stiller-Film „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich".

Außerdem half er dem Defensive End Cliff Avril vor Ort bei dem Bau einer Schule in Haiti und war sich auch nicht für Arbeiten wie Betonmischen zu fein. Seine ehemaligen Teammates bekommen auch heute noch Nachrichten, in denen Beast Mode danach fragt, wie es ihren Familienmitgliedern, die er bereits getroffen hat, geht. Obwohl jeder eine gute Geschichte hatte, stammte die schönste von Ricardo Lockette und seinem Vater.

Ricardo Lockette was drilled and appears to be out cold, hope he's ok pic.twitter.com/C5zdBzzwFX
— The Cauldron (@TheCauldron) November 1, 2015

Nachdem Lockette auf dem Spielfeld fast gestorben wäre, besuchte Lynch den schwerverletzten Mannschaftskameraden im Krankenhaus. Seinem völlig aufgelösten Freund sagte Lynch: „Weine doch nicht die ganze Zeit, weil Beast Mode nicht weint und wenn du weinst, mache ich das auch." Lockettes Vater Earl ergänzte die rührende Geschichte: „Wir waren mit Ricardo [im Krankenhaus] und alle waren traurig. Dann kam eine Krankenschwester zu uns und sagte, dass sie nicht viel über Football wüsste, aber dass da draußen ein Typ stünde, der sagt, er müsse hier rein, weil er ein Kollege von Ricardo sei. Ich ging in die Lobby und da stand Marshawn, der sagte: ‚Ich wusste, es war mehr als das, was sie mir erzählt haben, als er zu Boden ging. Ich wusste, es war ernster, und ich kann ihn nicht einfach hier lassen.' Was Ricardo nicht wusste, ist, dass Marshawn in sein Zimmer schaute und ihn da sah, liegend, ans Bett gefesselt, bewegungsunfähig und weinend. Und Marshawn begann auch zu heulen. Auch wenn ich euch nicht alles erzählen werde, ging Marshawn ein paar Schritte umher, wischte seine Tränen weg und gab meinem Sohn das Gefühl, dass er rennen und springen könnte."

Um euch nach der herzzerreißenden Geschichte nochmal ein positives Gefühl zu geben, habt ihr hier ein Video von Lynch, wie er auf einem Kamel sitzt und rappt.