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Warum der nächste europäische MVP aus Griechenland kommt

Giannis Antetokounmpo spielt seit dieser Saison Aufbau—bei einer Körpergröße von 2,11 Metern. Mit seinen 21 Jahren gehört er schon zu den zehn besten Spielern der NBA. Dirks Nachfolger ist damit gefunden.
Photo by Benny Sieu-USA TODAY Sports

Barack Obama tries to pronounce Giannis Antetokounmpo pic.twitter.com/s3f1svIoFt
— Dan Feldman (@DanFeldmanNBA) November 16, 2016

Obamas Auftreten in der Öffentlichkeit ist in der Regel ziemlich lässig. Bei seinem letzten Griechenlandbesuch als US-Präsident verhaspelte er sich dennoch kurz. Man kann es ihm nicht verübeln—es gibt weitaus unkomplizierte Namen als „Giannis Antetokounmpo", der deswegen häufig nur „The Greek Freak" oder „The Human Alphabet" genannt wird. „Er scheint jedes Jahr besser zu werden", meinte Barack Obama und hatte damit Recht: Der Grieche, der mit zarten 21 Jahren schon vier NBA-Saisons auf dem Buckel hat, ist momentan der beste Europäer der Liga. Nachdem ihn sein Coach und Aufbau-Legende Jason Kidd in der letzten Saison von der Shooting auf die Point Guard-Position verschob, explodierten seine Stats förmlich. Für die Playoffs wird es wahrscheinlich auch dieses Jahr nicht reichen. Jedoch müssten wir uns schwer täuschen, wenn der nächste europäische MVP nicht aus Griechenland käme.

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Die aktuelle Saison ist zwar erst ein paar Wochen alt, doch es zeichnet sich bereits ein MVP-Rennen ab, das so offen ist, wie lange nicht mehr. Neben LeBron und den „Superschurken" von den Warriors, gibt es eine ganze Reihe anderer Kandidaten, die sich mit außergewöhnlichen Leistungen um den Titel des besten Spielers der Liga bewerben. Man denke an James Harden, Russell Westbrook, DeMar DeRozan und Damian Lillard.

Direkt dahinter kommt allerdings schon Giannis Antetokounmpo. „The Greek Freak" startete ebenfalls sensationell in die Spielzeit. Auf seinem Statistikbogen lesen sich bisher 21.8 Punkte, 8.9 Rebounds, 5.5 Assists, 1.9 Steals und 2.1 Blocks pro Spiel. In jeder der genannten Kategorien hat er sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert—obwohl er weniger Minuten spielt. Außerdem ist er mit seinen 21 Jahren noch meilenweit von seiner Prime entfernt. Kaum jemand schaffte es, bereits in diesem Alter alle Facetten des Spiels so gut zu vereinen: Antetokounmpo könnte deshalb der erste Spieler in der Geschichte der NBA werden, der eine 20-8-5-2-2-Saison spielt.

Das liegt in erster Linie an den physischen Voraussetzungen von Giannis, die einfach nur verrückt sind. Seine schlaksige Statur und seine ewig langen Arme ermöglichen ihm Dinge, von denen andere Spieler nur Träumen können. Damit seine Fähigkeiten auf dem Court bestmöglich genutzt werden können, wird er seit letzter Saison als Playmaker eingesetzt—bei einer Körpergröße von 2,11 Metern. Im Vergleich zu seinen Aufbaugegnern ist er ein wandelndes Missmatch. In den letzten 28 Spielen der vergangenen Saison legte er so fünf Triple-Doubles auf und gab damit seinem Team—vor allem nach der Verletzung von Khris Middleton—weiterhin eine Richtung und einen Leader. Dass Giannis als Point Guard so floriert, liegt vielleicht auch an seinem Vorbild: Allen Iverson. Gegenüber der NBPA verriet er: „Ich hatte sogar Cornrows. Ich wollte wie er sein, als ich meine kleinen Brüder ausdribblte."

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Z-Bo ahnt nichts Gutes. Foto von Benny Sieu-USA TODAY Sports

Sein Vater war ein Fußballprofi in Nigeria und seine Mutter eine Hochspringerin. Beide sportlichen Veranlagungen konnte Giannis für sich nutzen: Seine exzellente Beinarbeit, aber auch seine explosive Sprungkraft machen sein Spiel einzigartig. Seine Fähigkeit ins Eins-gegen-Eins zu gehen und seinen Zug zum Korb erinnern an den Basketball der neunziger Jahre. Die Ursache der Faszination um ihn: „The Greek Freak" mischt Athletik mit der europäischen Spielphilosophie, die mehr auf Taktik und Technik beruht. Übrigens ist Giannis nicht das einzige Basketball-Talent in der Antetokounmpo-Familie: Sein älterer Bruder Thanasis konnte bereits NBA-Luft schnuppern und auch sein kleiner Bruder Kostas ist auf dem besten Weg dorthin.

Mittlerweile wohnt seine komplette Familie bei ihm in Milwaukee. Seine Entwicklung hätte kaum besser verlaufen können, denn seinem Jahrgang ist er—auch wegen dem Erfahrungsbonus—schon lange enteilt. Das Problem des „Bucks"-Franchises ist ein anderes. Im Gegensatz zum 21-Jährigen weisen alle anderen Spieler eklatante Defizite auf: Jabari Parker ist zwar eine Scoring-Maschine, dafür aber in der Defense völlig überfordert. Cavs-Neuzugang Matthew Dellavedova sorgt für ein gutes Ballmovement, sucht aber immer noch seinen Wurf. Greg Monroe hat im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls einen Gang runter geschaltet und der Rest der Rotation ist einfach nicht stark genug um Spiele zu entscheiden. Durch diese Umstände tut auch Khris Middletons Knieverletzung doppelt weh: Mit dem Shooting Guard wird in den nächsten vier Monaten nicht zu rechnen sein.

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Da dem Kader momentan die Qualität für den großen Wurf fehlt, muss man das Jahr nutzen um weiterhin an den Fähigkeiten des griechischen Rohdiamanten zu feilen. Dann wird er wohl auch bald dazu in der Lage sein, sein Team zu tragen. Sollte ihn keine Verletzungen stoppen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er in einem Atemzug mit Stephen Curry, LeBron James und Russell Westbrook genannt wird. Man lehnt sich auch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man sagt, dass er nach Dirk Nowitzki wohl der zweite europäische MVP wird. Das Feld europäischer Superstars bleibt auch nach den Gasol-Brüdern und Dirk weiterhin dicht besiedelt—trotzdem sticht „The Greek Freak" heraus.

Solange Kristaps Porzingis bei den Knicks spielt, wird er nach Carmelo Anthony in der Offensive erstmal nur die zweite Option bleiben. Auch wenn sich beide Teams im Rebulid-Prozess befinden, bleibt New York mit dem Team alternder Superstars auch in den nächsten Jahren eine Wundertüte. Bei den Bucks gibt es zum einen ein ruhigeres Umfeld und zum anderen einen erkennbaren Plan. Wenn man die Deutschlandbrille auszieht, hat Dennis Schröder zwar immer noch das Potenzial ein Allstar zu werden, muss sich aber erstmal als Starter beweisen, bevor er je Teil einer MVP-Diskussion werden könnte. Sämtliche anderen Europäer in der Liga sind von der Trophäe soweit entfernt, wie Charles Barkley von einem Meisterschaftsring.

Ohne Kampf kein Ball. Foto von Benny Sieu-USA TODAY Sports

Dieses Jahr wird die Bucks-Saison wohl Mitte April enden. Denn abgesehen von den Brooklyn Nets warten in diesem Kalenderjahr nur Titelaspiranten und Playoff-Kandidaten auf die Bucks. „The Greek Freak" macht zwar alles was in seiner Macht steht, aber er bekommt dabei einfach zu wenig Unterstützung von seinem Team. Daher wird man spätestens beim Allstar-Break ausgeträumt haben, was die Playoffs betrifft. Das muss aber auf lange Sicht nichts Schlechtes bedeuten: Ohne den Druck der Playoffs hat Middleton alle Zeit der Welt um seine Verletzung vollständig auszukurieren und außerdem könnte man im Draft ein weiteres Puzzlestück für einen Contender aus Wisconsin ziehen. Denn der MVP-Titel geht schließlich mit dem Teamerfolg einher.

Natürlich ist es für „The Greek Freak" noch ein weiter Weg zum besten Spieler der Liga. Zwar kann er seinen teilweise etwas wackeligen Jumpshot aus der Mittel- und der Dreierdistanz durch seine tödlichen Drives zum Korb kompensieren—dennoch besteht hier Arbeitsbedarf. Die Dreierquote von 17,4 Prozent ist selbstverständlich mehr als ausbaufähig. Bekommt er das hin, ist ihm ein MVP-Titel in den nächsten zehn Jahren beinahe garantiert. Sollte er es dennoch nicht schaffen, setzen wir auf seinen kleinen Bruder Kostas.