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Frauen an die Macht

Die Zeit ist reif für einen weiblichen Head Coach in der NBA

Letzte Woche hat Becky Hammon als erste Frau ein NBA-Team zum Summer-League-Titel geführt. Und damit gezeigt, dass Frauen auch Head Coach können.
Photo by Stephen R. Sylvanie-USA TODAY Sports

Normalerweise weckt ein Sieg bei der NBA Summer League kein besonders großes mediales Interesse. Nur wenige der teilnehmenden Spieler werden jemals echte Stars werden und viele werden es nicht einmal in die NBA schaffen. Doch als die San Antonio Spurs am vergangenen Montag die Phoenix Suns mit drei Punkten Differenz besiegten, schrieb Head Coach Becky Hammon Geschichte. Hammon—die zuvor schon als erste Frau überhaupt Vollzeit als NBA-Assistenztrainer arbeiten durfte—war die erste Frau, die es schaffte, als Head Coach eine Männermannschaft in einem von der NBA gesponserten Turnier zu betreuen und dann noch einen Titel zu gewinnen. Und beides in gerade mal drei Wochen.

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Die Sportwelt fiel aus allen Wolken. Doch warum eigentlich? Hammon sorgte über viele Jahre in der WNBA für Spitzenleistungen und nahm zudem im Dress der russischen Mannschaft an zwei Olympischen Spielen teil. Dass die Frau also eine Menge von Basketball verstehen würde, war klar und im Grunde nichts Neues. Wäre da nicht ihr „Handicap", dass sie eine Frau ist…

Eigentlich sollte man denken, dass die Teams in der NBA ein großes Interesse daran haben, die bestmöglichen Trainer auszuwählen, wenn sie—und ja, das tun sie—möglichst viele Spiele gewinnen möchten. Warum sträubt man sich dann aber so dagegen, bei der Suche nach Trainern auch mal nach weiblichen Kandidaten Ausschau zu halten?

Eins nach dem anderen: In der Welt des Sports ist es zwar nicht ungewöhnlich, dass sich das Geschlecht zwischen der Person, die auf der Trainerbank sitzt, und der Personen auf dem Spielfeld unterscheidet. Doch meist sieht es dann so aus, dass der Coach ein Mann und die Spieler Spielerinnen sind. 1972 wurden noch 90 Prozent aller College-Frauenteams von Frauen trainiert. Doch als dann langsam die Gehälter stiegen, haben sich plötzlich immer mehr Männer auf die Stellen beworben. Heute haben nicht einmal mehr die Hälfte aller Frauenteams auf dem College weibliche Head Coaches.

Wenn wir uns zum Vergleich dem Männersportbereich zuwenden, müssen wir feststellen, dass die Frauen hier scheinbar komplett außen vor sind. Weniger als 1 Prozent aller College-Männerteams werden von Frauen gecoached—kein einziges davon in der Division I. Und über den Profibereich wollen wir erst gar nicht sprechen.

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Dieses Muster ist (leider) nicht nur auf den Sport begrenzt, auch in der freien Wirtschaft, der Politik und vielen weiteren Sphären dominieren Männer in der Chefetage (und nein, daran ändert auch nichts die Tatsache, dass es Frauen wie Angela Merkel oder Hillary Clinton gibt).

Zumindest in der Politik sind einige Head-Coach-Positionen schon von Frauen besetzt. Wann zieht die NBA endlich nach? Foto: Wikimedia Commons.

Warum gibt es also die Tendenz, dass Männer viel häufiger in Führungspositionen vertreten sind? Wenn man davon ausgeht, dass bis auf den Geschlechtsunterschied alle Faktoren gleich sind, könnte man annehmen, dass Männer einfach bessere Leader sind als Frauen bzw. besser darin sind, sich für Führungsetagen zu empfehlen. Aber natürlich sind die übrigen Faktoren nicht gleich. Und das nicht mal annähernd. Selbst heute noch sehen sich Frauen sexistischem Verhalten und Diskriminierung ausgesetzt, sei es auf sozialer, kultureller, politischer oder wirtschaftlicher Ebene. Und wenn wir über den Männersportbereich sprechen, ist es überhaupt nicht möglich, die These, dass Männer bessere Führungspersonen sind, auf ihre Richtigkeit zu testen. Schließlich sind Frauen fast komplett außen vor.

Trotzdem können wir einige Daten heranziehen, die mit Sport und dem Geschlecht bei Coaches zu tun haben. So hat eine Studie herausgefunden, dass Softball-Frauenmannschaften in College-Ligen 1977 in 83,5 Prozent der Fälle von Frauen gecoached wurden. Im Jahr 2014 waren es hingegen nur noch 66,3 Prozent.

In der Studie kam außerdem heraus, dass der entscheidende Faktor, ob ein Trainer bzw. eine Trainerin mit ihrer Mannschaft Erfolg hat, nicht von seinem/ihrem Geschlecht abhängt, sondern einzig und allein von der Tatsache, wie viel Geld das jeweilige College in seine Softball-Mannschaft steckt. Mit anderen Worten gibt es also keinerlei Beweis dafür, dass Männer bessere Softball-Trainer sind als Frauen.

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Natürlich wäre es schön, mehr als nur diese eine Studie zu haben. Und noch besser wäre es, wenn es Studien zum Männersportbereich gäbe. Das würde aber voraussetzen, dass Männerteams auch (Chef-)Trainerinnen einstellen. Solange das nicht der Fall ist, kann es keine Studien geben. Eine echte Zwickmühle also.

Vielleicht bewirkt jetzt aber der Erfolg von Becky Hammon, dass endlich mehr Geschlechterdiversität zustande kommt. Verschiedene Spurs-Spieler haben sich auf jeden Fall schon positiv über ihren Summer-League-Coach geäußert, darunter Jonathan Simmons: „Ich liebe sie einfach, obwohl ich sie erst seit ein paar Tagen kenne. Sie ist ein wirklich cooler Coach. Sie ist ein Coach, der uns Spieler versteht."

Bobby Marks—ein früherer stellvertretender Geschäftsführer bei den Brooklyn Nets—hat das wohl überzeugendste Mini-Empfehlungsschreiben formuliert: „Ich weiß, dass das eine echte Ansage ist, aber: Wenn ich der Besitzer eines Teams wäre und gerade einen Head Coach suchen würde, würde ich als erstes Becky Hammon anrufen."

Marks' Äußerung sorgte übrigens sogar in der USA Today für Schlagzeilen. Auch wenn man erneut sagen muss, dass nicht Hammons guter Leumund, sondern das Fehlen von Frauen in der NBA die eigentliche Story sein sollte.

Whiteboard? Check. Ziemlich im Stress, obwohl nur Summer League? Check. Ein Coach ist und bleibt eben ein Coach. Foto: Stephen R. Sylvanie/USA TODAY Sports

Die Orlando Magic warten seit der Saison 2011/12 darauf, mal wieder mehr Spiele zu gewinnen, als zu verlieren (was man auch eine „winning season" nennt). Nachdem sie am Ende der letzten Saison Jacque Vaughn vor die Tür gesetzt haben, hat das Team auf eine altbewährte Entscheidung gesetzt und sich die Dienste von Scott Skiles—einem Trainer mit schon 13 Jahren NBA auf dem Buckel—gesichert. Auch wenn seine Zeit als Head Coach nicht unbedingt mit großen Erfolgen gespickt war. Denn in acht von 13 Saisons haben seine ehemaligen Mannschaften mehr Spiele verloren als gewonnen.

Das muss aber nicht zwangsläufig heißen, dass Skiles kein guter Trainer ist. Denn der Erfolg eines Teams hängt natürlich in den meisten Fällen davon ab, wie gut der eigene Kader ist. Eine Studie, die ich zusammen mit Mike Leeds, Eva Leeds und Mike Mondello durchgeführt habe, hat nämlich gezeigt, dass die meisten NBA-Trainer die Leistung ihrer Einzelspieler nicht wirklich beeinflussen können. Vielleicht hatte Skiles also einfach nur ziemlich oft ziemlich schlechte Spieler zur Verfügung.

Was die kommende Saison betrifft, haben die Magic ihren Kader bisher kaum nennenswert verbessern können. Darum spricht vieles dafür, dass man auch nächste Saison wieder ein beisammen Team haben wird, das aufgrund des Fehlens von wirklich guten Spielern auf einen überdurchschnittlichen Coach angewiesen sein wird, der das Beste aus seinen Spielern rauszukitzeln vermag. Um einen solchen Trainer zu finden, sollte man den Suchradius möglichst ausweiten.

Doch wenn man auf der Suche nach geeigneten Kandidaten nur Männer berücksichtigt, schränkt man sich von vornherein selber ein und mindert seine Chancen, ein echtes Coach-Juwel zu finden. Zumal man auf dem Court schon seit vielen Jahren weit über den Tellerrand hinausschaut und auch Talenten aus Übersee eine Chance gibt und so für Diversität sorgt. Es ist an der Zeit, auch auf der Bank für Vielfalt zu sorgen und endlich eine Frau zum Head Coach zu befördern.