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Johnny Football

Was ist bloß bei Johnny Manziel falsch gelaufen?

Johnny Manziel sollte der nächste große Quaterback werden. „Money Manziel" wurde von Drake und LeBron James hofiert. Doch der scheint zu oft ins Glas zu gucken und könnte das nächste große Opfer seines Hypes sein.
Foto: Imago

Seit er in der NFL spielt, gibt es für Johnny Manziel eigentlich wenig zu feiern, trotzdem tut es der 23-Jährige nur zu gerne. Zum erlesenen Freundeskreis des Browns-Quarterbacks zählen Justin Bieber als auch Drake, der ihm den Song ‚Draft Day' widmete. Zynisch wie das Leben manchmal sein kann, entwickelte sich die Football-Karriere bisher nicht ganz nach der Vorstellung des kanadischen Rappers. Denn beim bisherigen Verlauf von Manziels Karriere in der amerikanischen Profiliga könnte man annehmen, dass ihm Lil B seinen Fluch auferlegt hat. Talent und Leistung stehen seitdem er das College verlassen hat in einem grotesken Missverhältnis.

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Während seiner Zeit am Texas A&M waren sich fast sämtliche Experten sicher, dass sie einen künftigen Hall of Famer spielen sehen würden. Mehr noch: Einen, der die Position des Quarterbacks mit seinem Laufspiel, um das ihn manch ein Running Back beneiden würde, revolutionieren könnte. Mit Spitznamen wie ‚Money Manziel' und ‚Johnny Football', dem Gewinn zahlreicher individueller Preise (Manning Award, Heisman Trophy und Davey O'Brien Award) sowie einer Hand voll Rekorde, meldete er sich für den Draft 2014 an. Als ihn die Cleveland Browns in der ersten Runde an 22. Stelle aufriefen, wurden aus Auszeichnungen Bürden, aus Rekorden Versprechungen.

Nach nun zwei Saisons in der NFL fällt die Bilanz ernüchternd aus. Im ersten Jahr reichte es nur für ein paar lustlose Kurzeinsätze die im Gegensatz zu seinem Privatleben kaum für Schlagzeilen sorgten. Auf Grund zahlreicher exzessiver Feiern wird Manziel bei jeder Gelegenheit von den US-amerikanischen Sportmedien zerrissen. Stück für Stück traf Mario Balotellis Mantra ‚Why always me?' auch auf ‚Money' Manziel zu. Genauso wie beim italienischen Stürmer scheint auch beim Texaner der Kampf gegen sich selbst der schwerste zu sein.

Deswegen zog er nach seiner Rookie-Saison die Konsequenzen aus seinen privaten Eskapaden und schlechten Leistungen auf dem Feld: Er verbrachte einige Zeit in einer Entzugsklinik. Dieser Sinneswandel brachte auch seinen Coach Mike Pettine dazu, die Position des Ballverteilers zu überdenken. Es sollte im Quarterback-Karussell enden. Nachdem sich Strating-QB Josh McCown im ersten Spiel der Saison verletzte, durfte Manziel ran—zumindest bis der ursprüngliche Starter wieder genesen war. Mitte November sollte dieser dann wieder von der College-Sensation abgelöst werden. Diesmal, so der Trainer, bis zum Ende der Saison. Aber Johnny Manziel wäre nicht Johnny Manziel, wenn das Glück nicht wieder nur von kurzer Dauer gewesen wäre. Ein Video, welches kurz darauf auftauchte, machte ihm schnell einen Strich durch die Rechnung. Es zeigte das Letzte, was die verbliebenen Unterstützer des exzentrischen Texaners sehen wollten: Den 23-Jährigen in einem Club ‚March Madness' mitrappend—in seiner Hand eine Flasche Champagner.

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Dass Future-Songs bei fast jedem Hiphop-Hörer eine solche Kurzschlussreaktion auslösen, würde bei den meisten Fans des Rappers als Entschuldigung herhalten. Nicht so bei Mike Pettine: Der enttäuschte Coach bestrafte das nicht zurück gezahlte Vertrauen indem er Manziel zur dritten Wahl machte. Anfang Januar müsste er den vorläufigen Tiefpunkt seiner Karriere erreicht haben.

Da er wegen einer Gehirnerschütterung am letzten Spieltag der Regular Season sowieso nicht mitspielen konnte, soll er die Zeit für einen Kurztrip nach Las Vegas genutzt haben. Mit einer Perücke und einem falschen Bart soll er in der Stadt der Sünde in bekannter Manier einen drauf gemacht haben. Gefundenes Fressen für seine Kritiker, für die schon weniger reichte (z.B. das Unterschreiben einer 100 Dollar Note eines Fans) um die Person öffentlich zu diffamieren. Diesmal kostete ihn der Ausflug in die Wüste weitaus mehr als sein öffentliches Ansehen. Sein Vertrag bei LeBron James' Marketing Agentur LRMR wurde in der Folge einvernehmlich aufgelöst. Die Geldstrafe, die ihm droht, weil er an besagtem Abend auch mit abgelaufenem Nummernschild gefahren sein soll, dürfte nun auch nicht mehr ins Gewicht fallen. Es soll einfach nicht sein Jahr werden. Wieder einmal.

Money Manziel und der King—das war einmal

‚Johnny, Johnny, Johnny. Es ist ein ernstes Thema. Als erstes musst du den Football vergessen. Du musst erst dein Leben auf die Reihe bekommen.' Brandon Marshall, Wide Receiver der New York Jets, hat nur mahnende Worte für das Sorgenkind der NFL übrig. Dafür nimmt Richard Sherman von den Seattle Seahawks den 23-Jährigen in Schutz: „Es ist ja nicht so, dass er Drogen dealt und Leute tötet. Er ist eben jung." Der Cornerback trifft damit einen wunden Punkt der US-amerikanischen Sportöffentlichkeit: Denn sie liebt Posterboys wie Tom Brady, aber hasst Exzentriker und Paradiesvögel wie z.B. Manziel oder Marshawn Lynch, da sie einfach nicht in das konservative Wertesystem der USA passen. Während Dikembe Mutombos ausgestreckter Zeigefinger nach seinen Blocks legendär ist, bekommt man heute für ähnliche Gesten ein technisches Foul. Nach der MVP-würdigen Saison von Cam Newton wurde immer noch darüber diskutiert, ob seine Dabbing-Geste gegenüber den Gegnern zu respektlos sei. Cam Newton spielt allerdings eine der besten Saisons aller Zeiten und darf sich einiges rausnehmen. Manziel aber ist auf den besten Weg raus aus der NFL.

Umso wichtiger ist es für ‚Money' Manziel, sich dessen bewusst zu werden, denn neben seinem Ansehen in der Öffentlichkeit leidet auch seine Spielzeit, die er bitter benötigt, um seine Kritiker von seinem Können zu überzeugen. Zumal er auf die Gutmütigkeit seines Trainers in Zukunft nicht mehr setzen kann. Nach einer weiteren enttäuschenden Saison hatte Franchise-Besitzer Jimmy Haslam genug gesehen. Am ‚Black Monday' (der Montag nach dem letzten Spieltag der Regular Season an dem viele Coaches gefeuert werden) mussten sowohl Mike Pettine als auch General Manager Ray Farmer die Koffer packen.

Damit steht über der Zukunft des Quarterbacks ein gigantisches Fragezeichen, denn auch ein Trade scheint mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen. Wenn er das Blatt nochmal wenden möchte, muss er zunächst einmal sein Standing in der Öffentlichkeit verbessern. Sonst würde er wohl ein ewiges College-Talent, das in der NFL nie Fuß fassen konnte, bleiben. Ein Schicksal, das er sich mit dem allseits beliebten, streng gläubigen Christen Tim Tebow teilen würde. Noch ist die Kutsche für Manziels Cinderella-Story nicht abgefahren. Image ist eben nicht alles.