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homosexualität im fußball

​Die Jagd nach dem schwulen Premier-League-Star

Eine englische Zeitung berichtet, dass sich zwei Spieler outen wollen. Seitdem wird der für schwul gehaltene Nationalspieler Luke Shaw dazu gedrängt, sich doch endlich zu outen.
Foto: Imago

„Luke Shaw ist schwul!"—Das haben zumindest viele englische Fans in regen Diskussionen an Stammtischen oder auf sozialen Netzwerken so entschieden. Der Grund für die Gerüchte: Der 20-Jährige Abwehrstar von Manchester United sieht gut aus, hat ein charmantes Auftreten und spielt auf dem Platz nicht wie ein Rumpelfuß—alles scheinbar homosexuelle Attribute.

Es begann mit einem plakativen Titel auf der Samstagsausgabe des englischen Daily Mirror: „Zwei Premier-League-Stars: Wir sind bereit um uns als schwul zu outen." Einer der zwei noch unbekannten Profi soll sogar englischer Nationalspieler sein. Das Coming-Out sei geplant für die Sommerpause. „Homosexuelle Spieler haben Angst vor den Reaktionen gegnerischer Fans, doch die Zeit ist nun reif", so die Zeitung.

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„Das Stigma ist komplett verschwunden und die Öffentlichkeit zeigt sich wesentlich aufgeschlossener", zitierte der Daily Mirror auch einen anonymen Insider. Nur einen Tag später zeigt sich jedoch das Gegenteil. Bis zum Sommer scheint die Zeitung ein munteres Rätselraten von englischen Fans und Medien in Gang gesetzt zu haben. Die wichtigste Frage: „Wer sind die zwei schwulen Spieler?" Aufgrund diverser Gerüchte, die schon im Jahr 2014 aufkamen, war die Antwort oft: „Luke Shaw".

„Immer diese idiotischen Gerüchte. Er ist nicht schwul und selbst wenn, er ist ein Spieler von United und wir unterstützen ihn", schrieb ein Manchester-United–Fan-Account UnitedStandMUFC" mit fast 40.000 Followern auf Twitter. Manchester Uniteds noch verletzter Abwehrspieler sah sich nur wenige Zeit später schon zu einer ersten Rechtfertigung gezwungen. „Ich bin es nicht, ihr könnt also alle den Mund halten", antwortete Shaw frei übersetzt.

Der Volkssport Fußball ist auf professioneller Ebene einer der letzten heteronormativen Bastionen des Weltsports. Trotz einer wesentlich anerkannteren gesellschaftlichen Meinung und Schätzungen, dass fünf bis zehn Prozent der Gesellschaft homosexuell sind, outeten sich nicht mal eine Hand voll schwule Fußballprofis in den letzten hundert Jahren! Anders als in Sportarten wie Football oder Rugby, scheint diese Mauer des Schweigens im Fußball noch immer nicht zu bröckeln. Fakt ist, dass es viele homosexuelle Profis gibt, die sich lieber über Jahrzehnte verstellen, als sich zu outen. Sie fürchten ein Feindbild einer wohlmöglich noch zu verschränkten Fankurve zu werden oder Sponsorenverträge zu verlieren. Die Gier nach Schlagzeilen und die Macht der Medien katapultieren diese Angst ins Unermessliche.

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Der Premier-League-Spieler Justin Fashanu, der unter anderem für Nottingham Forest, West Ham und Manchester City spielte, outete sich als bisher einziger englischer Starspieler. Er kannte diese Gier nach Schlagzeilen. Der Stürmer galt als riesiges Talent und erzielte als erster Spieler mit schwarzer Hautfarbe eine Ablöse von über einer Million Pfund. Doch in der rauen und konservativen Fußballwelt der 80er-Jahre konnte Fashanu nie wirklich überzeugen und diverse Trainer gerieten mit ihm wegen seiner Homosexualität aneinander. Im Jahr 1990 titelte dann die englische Boulevardzeitung Sun „I am gay!", nachdem sie Fashanu für das öffentliche Coming-Out 80.000 Pfund zahlte.

Nach diversen Skandalgeschichten in der Presse und dem Status eines „Ausgestoßenen", wie sein Bruder in einem Interview Fashanus Lebenswelt erklärte, arbeitete er als Jugendtrainer in den USA. Im Jahr 1998 erhängte sich Fashanu dann, nachdem die Presse ihn wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung schon vorverurteilte und er Angst vor einer Benachteiligung wegen seiner Homosexualität während des Gerichtsverfahrens hatte.

Unangenehmen Fragen muss sich nun auch Luke Shaw stellen. Die scheinbar aufgeschlossene und tolerante Gesellschaft scheint nichts brennender zu interessieren, ob der englische Nationalspieler nun schwul ist oder nicht. Er muss sich für seine Partnerin rechtfertigen, weil sie scheinbar aussieht wie eine Schein-Freundin einer Agentur. Er muss sich gefallen lassen, dass die Menschen nicht über seine Verletzung oder seine Leistung auf dem Platz sprechen, sondern über seine intimste Privatsphäre.

Das Coming-Out von Thomas Hitzlsperger hat nichts verändert

Was die deutschen Medien—sogar die aus dem Boulevard—noch nüchtern und sensibilisierend über das Coming-Out von Thomas Hitzlsperger berichteten, scheint in der englischen Medienwelt ein wenig anders zu laufen. Spieler aus der Premier-League sind noch heftiger als die aus der Bundesliga im ständigen Fokus der weltweiten Fußball-Community, sie sind Weltstars. Die Vereine aus der Premier League produzieren ihre News schon länger meistens selber, also fangen die Zeitungen an wild zu spekulieren. Der Fall Fashanu und die Tatsache, dass Homosexualität das letzte Tabu des Fußballs ist, scheint die englische Öffentlichkeit kaum daran zu hindern rufschädigend einzelne Spieler mit Spekulationen zu konfrontieren.

„Es sind nur Tastatur-Krieger, die versuchen Unruhe zu stiften. Unterm Strich: Wir United-Fans stehen immer hinter dir Luke", antwortete UnitedStandMUFC auf Luke Shaws Twitter-Nachricht. Seine Fans sind wohl etwas aufgeschlossener, denn für sie ist sowieso nur die Leistung auf dem Platz wichtig. Ob schwul oder nicht.

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie