Wie mir die Lust auf den eigenen Verein genommen wurde
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Wie mir die Lust auf den eigenen Verein genommen wurde

Fortuna Düsseldorf ist auf dem Weg in die erneute Drittklassigkeit. Mir, als Fan, der seit Jahren alle Heimspiele sieht und so viele Auswärtsspiele wie es geht mitnimmt, blutet das Herz – und das nicht nur wegen der sportlichen Misere.

Fortuna Düsseldorf ist auf dem Weg in die erneute Drittklassigkeit. Mir, als Fan, der seit Jahren alle Heimspiele sieht und so viele Auswärtsspiele wie es geht mitnimmt, blutet das Herz—und das nicht nur wegen der sportlichen Misere.

Grund 1: Die Mannschaft

Die Fortuna-Fans waren und sind eigentlich immer sehr loyal gegenüber den eigenen Spielern. Auch noch so verheerende Niederlagen waren in der Vergangenheit kein Grund, die Fußballer mit dem F95-Logo nicht mehr zu unterstützen. Kernpunkt dabei war aber immer: Man sieht, dass die Spieler kämpfen. So banal dieser Satz auch klingt, nach den Niederlagen in Nürnberg (1:5 auswärts im Pokal) und am Millerntor (0:4) scheint der Geduldsfaden endgültig gerissen. Blutleere Vorstellungen, keine engagierten Zweikämpfe und erst recht keine guten Chancen oder das Zeigen von Reue gegenüber dem Auswärtsmob.

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Foto: Imago/Oliver Ruhnke

Spieler wie Didier Ya Konan, Karim Haggui oder eben auch beliebte Spieler wie Oliver Fink haben Namen und Erfahrung. Doch was sieht man davon letzten Endes auf dem Platz? Nichts, noch weniger sogar. Vielleicht liegt das sportliche Abschneiden aber nicht ausschließlich an den Spielern…

Grund 2: Der Trainer und der Sportdirektor

Kann der Trainer was dafür? Die Stimmen nach einer Entlassung Frank Kramers (gleichzeitig wird auch der Kopf von Sportdirektor Rachid Azzouzi gefordert) wurden lauter, im Block sowie im Internet-Forum. Ganz ehrlich: Es musste auf dieser Position einfach was passieren! Denn so, wie man sich seit Wochen präsentiert hat, würde Fortuna sang- und klanglos absteigen. Jeder Trainer, der jetzt übernehmen wird, kann einfach keine schlechteren Leistungen mehr zeigen. Es scheint, als hätte Kramer die Mannschaft nie erreicht. Die emotionslosen und nichtssagenden Pressekonferenzen kommen noch oben drauf.

Sportdirektor Rachid Azzouzi und Ex-Trainer Frank Kramer; Foto: Imago/Zink

Aufstellungen wie gegen Nürnberg sind fahrlässig. Warum stellt man in der zweiten Pokalrunde die komplette Abwehr um? Warum spielt Madlung ohne Trainingspraxis? Das hört sich zwar nach „Ich sitze auf der Couch und weiß alles besser" an, aber jedem Fortuna-Fan sind diese eklatanten Fehler aufgefallen. Auch gegen Duisburg war es kein gutes Spiel, der Tabellenletzte holte den ersten Auswärtspunkt der Saison, natürlich bei uns. Drei Minuten des Glücks reichen eben nicht aus. Die Konsequenz: Kramer musste vorgestern gehen.

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Grund 3: Die Fanszene

Party und Einsatz für das Team standen für die Fortuna-Fans eigentlich immer an erster Stelle. „Wir sind Fortuna —wir können alles"—das war für mich und viele andere nicht nur ein bloßer Spruch. Absolute Eskalation für den Verein, die Spieler auf dem Rasen und auch für sich selbst. Die Stimmung war größtenteils einfach nur geil, weswegen ich auch schon als Kind von dem rot-weißen Mob begeistert war.

Doch irgendwann kam der Bruch, den ich nie verstehen werde und auch leider nicht richtig verstehen konnte, weil ich zu der Zeit, als unsere Fans sich gegenseitig das erste Mal auf die Schnauze geschlagen haben, im Auslandssemester war.

Eine Frente-Atletico-Zaunfahne bei den Fortuna-Fans; Foto: Imago: Hartenfelser

Mit Erschrecken musste ich feststellen, dass manche Leute eine Fahne der ultrarechten Frente-Atletico-Fans an unseren Auswärtsblock hängen. Dass sich deswegen anscheinend mehrmals geprügelt wurde, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Selbst aus der Ferne war es sehr erschütternd zu sehen, dass die „alternativen Gruppen", die für mich immer den Unterschied zu anderen Vereinen ausgemacht haben, in den Block 12/13 gewechselt sind, bzw. wechseln mussten. Ich konnte erahnen, dass der Konflikt in der Szene groß war. Als Dissidenti und Co. in der letzten Saison dann in den Oberrang wechselten, wurde die Stimmung im Stadion—passend zur spielerischen Qualität—immer schlechter. Der Block 42, dort, wo die Ultras Düsseldorf stehen, wurde leerer und stimmungsloser, ebenso konnte im Oberrang nicht wirklich miteingestimmt werden. Es gab zwar auf beiden Seiten jeweils den harten Kern, aber Spaß hat das alles irgendwie nicht mehr gemacht. Gegen Duisburg war es ein wenig (!) besser, aber immer noch weit davon entfernt, was man in Düsseldorf eigentlich drauf hat.

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Grund 4: Das persönliche Erlebnis

Im September 2014 kam es dann zum Auswärtsspiel in Bochum. Der Grund, warum ich lange Zeit nicht mehr auswärts gefahren bin—obwohl das immer die geilsten Touren sind. Durch zeitliche Umstände bin ich bei diesem Spiel mit Dissidenti angereist. Schon vor dem Stadion kamen mehrere Hools auf die Gruppe und mich zu und provozierten, beleidigten mich als „Schwuchtel", „Fotze" und „Homo" und gingen mich—wenn auch nicht heftig—körperlich an. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar auch einige Ordner am Start, diese klatschten sich aber mit den Hooligans ab und sagten—auch zu mir—, ich solle doch aufhören zu provozieren. Nach dem Geschubse und Gerangel ging es endlich ins Stadion.

Unter angespannter Stimmung kamen wir schließlich in den Block und stellten uns relativ weit nach oben. Kurz vor Anpfiff rotteten sich die Leute, die mich schon vor dem Stadion so herzlich empfangen hatten, hinter mir zusammen. Ein großes Frente-Banner wurde hochgehalten und wir wurden weiter beleidigt. Dissidenti entschied sich—nachdem die Ordner nichts gegen das Banner unternahmen—, auf den Sitzplatzblock zu wechseln. Kurz vorher wurde vom Verein eigentlich klargestellt, dass diese Fahne nichts im Fortuna-Block zu suchen habe.

Wenige Minuten später war ich also auf dem Sitzplatzblock. Angespannt und verunsichert war ich und doch trotzdem froh, jetzt endlich die Fortuna bei einem der wenigen derbyartigen Spiele der Saison anzufeuern. Aber daraus wurde nichts. Die bekannten und unbekannten Gesichter aus der Hool-Szene verfolgten und verteilten sich um uns herum. Neben mir standen mehrere Kanten und telefonierten herum. Einer mit HoGeSa-Pullover fotografierte mich und andere Leute im Block. Ich merkte, dass es immer mehr wurden und ich mich unwohl fühlte—bevor jemand fragt: Ja, man erkennt solche Leute.

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Es ist schwierig, das Szenario im Block angemessen zu beschreiben. Aber die Kulisse der Bedrohung war für mich heftig. Als der Fanbeauftragte sagte, dass Ordner und Polizei nicht für unsere Sicherheit garantieren können, entstanden hitzige Diskussionen. Soll man den Block verlassen? Soll man den Hools diesen Sieg schenken? Muss man für seine Prinzipien, für sich selbst und seinen Verein nicht standhaft bleiben?

Letzten Endes hat die Gruppe, inklusive mir, das Stadion geschlossen verlassen und ist zurück nach Düsseldorf gefahren. Völlig fertig war ich zu Hause, als das Spiel gerade beendet wurde. Ich hatte nie Angst bei einem Spiel. Nicht vor der Polizei, nicht vor gegnerischen Fans und auch nicht bei vermeintlich heiklen Pyroaktionen. Doch von eigenen Fans bedroht, bespuckt und fotografiert zu werden, hätte ich mir niemals ausmalen können. Ich hörte die Tage darauf, dass nach dem Spiel ein Pulk von 20-30 Brechern auf uns gewartet hätte.

Eine Woche später haben wir in Darmstadt gespielt. Obwohl ich Zeit und Geld hatte, bin ich nicht gefahren. Mit meinem Bruder saß ich vorm Livestream und habe gesehen, wie sich Fortuna-Fans wieder geprügelt haben. Ich war zwar froh, dass ich nicht da war, gleichzeitig aber auch erschrocken und hatte Mitleid mit jeder Person, die vermeintlich eins drüber gezogen bekam.

Seit dem Spiel in Bochum und den Wochen danach ist es für mich nicht mehr das Gleiche im Stadion. Wenn sogar Bielefeld uns beim Heimspiel an die Wand singen kann, läuft etwas falsch. Auch wenn es seitdem—soweit ich weiß—keine weiteren (großen) Auseinandersetzungen gab und ich auch wieder mal im Auswärtsblock stand, ist der Riss immer noch zu merken. Wir sind, was die Stimmung angeht, schon länger an einem Tiefpunkt angelangt. Das liegt auch daran, dass es viele Fortuna-Fans wohl nicht mehr gewohnt sind oder es nicht mehr für notwendig halten, auch bei den ersten 2-3 Niederlagen der Saison alles für den Verein zu geben, ich schließe mich da nicht aus. Fortuna ist für mich—momentan—nicht mehr das, was Sie mal war: die launische Diva zum Ausrasten, Schreien und Feiern. Das ist traurig. Ob ich trotzdem wieder zu den Spielen fahre? Klar!

Ich hoffe, die guten Zeiten kommen wieder—sicher bin ich mir nicht. Die spielerische Talfahrt hat nämlich schon längst begonnen—und scheint nicht aufzuhören, „hoffentlich" nur spielerisch.

Übrigens: Ich war nie aktiv in einer (Ultra-)Gruppe. Ich pflege Freundschaften zu ganz unterschiedlichen Fortuna-Fans und kenne Leute von Dissidenti Ultra, aus dem Block42 und etliche unorganisierte Fans.