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Die Torarmut der EM liegt nicht am neuen Modus

Angeblich spielen die Teams vorsichtiger, weil man mit dem neuen Modus nicht so viel Risiko eingehen muss. Das ist Quatsch. Es hat sich aber was anderes geändert.
Foto: Imago

Nach einer Woche EM macht sich ein wenig Ernüchterung breit. Es fallen deutlich weniger Tore als bei den vergangenen Turnieren und durch die Möglichkeit als Gruppendritter weiterzukommen, hält sich die Spannung in der Vorrunde in Grenzen. Die Europameisterschaft in Frankreich wird zum ersten Mal mit 24 Teams ausgetragen. Die beiden Erstplatzierten jeder Gruppe und die vier besten—von wohlgemerkt sechs—Gruppendritten kommen ins Achtelfinale. Es muss niemand mehr wirklich ein Risiko eingehen, ist dieser Modus also der Auslöser für die Torarmut?

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Wenn man sich die Anzahl der durchschnittlichen Treffer pro Spiel ansieht, schneidet diese Europameisterschaft extrem schlecht ab. In den zwölf Partien des ersten Spieltags fielen bisher nur 22 Tore. Das macht 1,83 Tore pro Partie, womit die EM deutlich unter den vergangenen Turnieren liegt. Im Durchschnitt fielen bei der letzten Europameisterschaft 2,45 Tore und 2,48 bei der davor. Bei der WM 2010 waren es 2,27 und beim Turnier in Brasilien 2,6. Weltmeisterschaften haben allerdings traditionell eine höhere Trefferquote. In allen WM-Spielen fielen im Durchschnitt 2,84 Treffer, bei Europameisterschaften hingegen nur 2,42. Unter den 32 Mannschaften bei einer WM sind die Leistungsunterschiede weitaus größer, was hohe Siege zur Folge hat. Die Aufstockung der Europameisterschaft auf 24 Teilnehmer sollte sich also eher positiv auf Torausbeute auswirken.

Generell sollte der Modus einen zweiten förderlich Effekt haben. Wenn in der Gruppenphase weniger Teams rausfliegen, können sie befreiter aufspielen. Fußballmannschaften tendieren unter großem Druck dazu, weniger Tore zu schießen. Lässt man den 4:0-Finalsieg von Spanien 2012 außen vor, fielen in den EM-Endspielen im Schnitt nur 2,07 Tore. Demgegenüber stehen die angesprochenen 2,42 in allen EM-Spielen. Hoffnung auf Besserung machte uns Rene Maric vom Taktikportal spielverlagerung.de. Er erklärt, dass der Wert für Expected Goals, also die Anzahl der erwarteten Tore, am ersten Spieltag bei 2,17 lag. Dieser Wert berechnet sich aufgrund der erspielten Torchancen. Die niedrige Torausbeute der EM liegt daher eher an einer unterdurchschnittlichen Chancenverwertung als am Turniermodus.

Die Spieler brauchen Zeit, um sich einzuspielen, vor allem in der Offensive. „Nationalmannschaften sind oftmals ein chaotischer Haufen talentierter Fußballer", erklärt Maric. „Geringe gemeinsame Trainingszeit, unterschiedliche Systeme in den Vereinen und mangelnde Kommunikation verringert leider die Qualität auf dem Feld. In der Defensive ist dies weniger ausschlaggebend, weil sich Viererkette, ballorientiertes Verteidigen und teils auch die Raumdeckung schon weitestgehend durchgesetzt haben."

Trotz des 0:0 von Deutschland gegen Polen ist der Torschnitt inzwischen auch schon leicht angestiegen. Also abwarten und Bier trinken. Und wenn die EM weiter so mit Toren geizt, dann liegt es zumindest nicht am Modus.