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Kartoffel

Warum Menschen diese Gruft mit Kartoffeln schmücken

Für Franzosen ist Antoine-Augustin Parmentier der ultimative Kartoffelheld.
Parmentiers Gruft mit beschriebenen Kartoffeln
Foto von der Autorin

Wenn du über den Pariser Friedhof Père Lachaise wandelst und das Grab von Jim Morrison Grab sein lässt, stößt du vielleicht irgendwann auf eine Gruft, die mit Kartoffeln dekoriert ist. Auf manchen Knollen steht mit Edding geschrieben: "Merci pour les frites!" – "Danke für die Pommes!"

Es ist das Grab von Antoine-Augustin Parmentier. Zwar hat Parmentier, auch wenn die Kartoffeln anderes behaupten, nicht die Pommes Frites erfunden, aber ohne ihn hätten die Erdäpfel vielleicht nie den Stand in der französischen Geschichte erreicht, den sie heute haben.

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Die westeuropäische Küche lässt sich kaum ohne die Knolle vorstellen – seien es besagte Pommes (übrigens eine belgische Erfindung), spanische Tortillas, Patatas Bravas oder das einst französische Kartoffelpüree. Dabei kam die Kartoffel erst im 16. Jahrhundert nach Europa, nachdem die Spanier in den 1530ern das heutige Süd-Peru erreicht hatten. Zuerst kamen die Spanier auf den Geschmack, dann die Briten und bald darauf landeten Kartoffeln auf den Tellern der meisten Europäer – insbesondere in Hungerzeiten.

Antoine-Augustin Parmentier

Ein Porträt von Antoine-Augustin Parmentier | Fine Art Images | Heritage Images | Getty Images

In Frankreich allerdings wollte das Nachtschattengewächs nicht wirklich Fuß fassen. Die Franzosen bauten sie zwar als Schweinefutter an, aber darüber hinaus konnten sie sich nicht besonders für die Knollen begeistern. Im 18. Jahrhundert verbot die französische Krone Kartoffeln sogar für mehr als 20 Jahre, da man vermutete, sie würde Lepra oder sogar die Pest verbreiten. Gepaart mit der botanischen Verwandtschaft zur giftigen Tollkirsche, die einige von Anfang an skeptisch zur Einführung der Pflanze in Europa gestimmt hatte, hielten diese Gerüchte die Kartoffel davon ab, sich in der französischen Küche breitzumachen – selbst die hungerleidenden Armen mieden sie.


MUNCHIES-Video: Kartoffelpuffer


Hier trat Parmentier auf den Plan. Der gelernte Apotheker hatte seine Fähigkeiten in Ermangelung ausreichender Mittel zur Eröffnung einer eigenen Apotheke in den Dienst der französischen Armee gestellt. Während des Siebenjährigen Kriegs wurde er in Preußen gefangengenommen und inhaftiert. Dort lernte Parmentier die Kartoffel kennen, die damals bereits fest zur preußischen Küche gehörte und nach einer Blockade französischer Getreideimporte einen weiteren Popularitätsschub erfahren hatte. Im Gefängnis bekam er regelmäßig Kartoffelgerichte serviert. Er fand das Essen nicht nur verhältnismäßig schmackhaft, sondern stellte noch viel wichtiger fest, dass er davon weder Lepra noch die Pest bekam.

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Nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Frankreich setzte Parmentier sich zum Ziel, unter seinen Landsleuten für die Knolle zu werben. Die Franzosen allerdings, Veränderungen gegenüber eher skeptisch eingestellt, waren nicht so leicht zu überzeugen. Die meisten glaubten nicht nur, dass die Kartoffel schlecht für die Gesundheit sondern auch die Landwirtschaft sei, da sie alle Nährstoffe aus dem Erdboden ziehe. Um die Franzosen zu überzeugen, war eine großangelegte Marketingkampagne nötig. Parmentiers Kreativität war gefragt.

Und so schenkte er Königin Marie-Antoinette und König Louis XVI Sträuße mit Kartoffelblüten, die Erstere in ihren Haaren und Letzterer in seinem Knopfloch trug. Der König erlaubte Parmentier außerdem, unweit von Paris ein Kartoffelfeld anzulegen. Nachdem die Kartoffeln eingepflanzt waren, ließ Parmentier das Feld tagsüber von Soldaten bewachen. Zum Abend bekamen die Kartoffelwachen frei. Dann ermutigte er die ortsansässigen Armen, im Schutze der Nacht Kartoffeln zu "klauen", wodurch sich die Erdäpfel zunehmender Beliebtheit erfreuten. Währenddessen arbeitete sich Parmentier durch die vielen Stationen der französischen Bürokratie, um den Ruf der Kartoffel zu geradezu rücken.

Parmentier's tomb with potatoes

Foto von der Autorin

1771 gewann Parmentier einen Wettbewerb der Académie de Besançon, bei dem es darum ging, ein Nahrungsmittel zu finden, mit dem man die Armen in Hungerszeiten speisen kann. 1772 wurde die Kartoffel schließlich von medizinischen Fakultät Paris offiziell als essbar erklärt. In den Jahren bis zur Revolution 1789 half die Knolle den Franzosen dabei, mehrere entbehrungsreiche Jahre zu überleben.

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Aber die Kartoffel diente nicht nur zur Speisung der Armen. 1783 veranstaltete Parmentier ein Abendessen mit einem Menü, das 20 Kartoffelgerichte enthielt. Da die Gründerväter der Vereinigten Staaten Benjamin Franklin und Thomas Jefferson zu den Gästen gehörten, machen manche diesen Abend für die Verbreitung der Pommes Frits, aka French Fries, in den USA verantwortlich. Jefferson war es, der sie später zum ersten Mal im Weißen Haus servieren ließ.

Parmentier ist auch für die Verbreitung von Nahrungsmitteln wie Maronen und Mais in Frankreich verantwortlich. Bekannt ist und bleibt er aber vor allem für die Kartoffel. Einige seiner Landesgenossen versuchten jahrelang die Knolle, die auf Französisch wie der deutsche Erdapfel Pomme de Terre heißt, nach ihm benennen zu lassen.

Auch wenn ihm das verwehrt blieb, enthalten diverse französische Kartoffelgerichte Referenzen an ihn. Hachis Parmentier ist ein beliebter Kartoffel-Hackfleisch-Auflauf und Pommes Parmentier nennt sich ein Gericht aus frittierten Kartoffelwürfeln.

Natürlich ist sein Grab auf dem Père Lachaise Friedhof von einem Kartoffelbeet umgeben. Diese Knollen solltest du allerdings besser in der Erde lassen.

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