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It's still real to me, damn it!

Das ultimative Ende des Ultimate Warrior

Der comic-hafteste aller Wrestler ist tot. Nur einen Tag nach seinem letzten Auftritt kollabierte der Ultimate Warrior auf dem Weg zum Auto, um den dritten Akt seines Lebens nach Wrestling-Dramaturgie enden zu lassen.

Foto via Bodybuilding-Forum

Manchmal kann Wrestling gar nicht fake genug sein. Wie TMZ vor wenigen Stunden berichtete, ist der Mann, der den Freunde der frühen Spandex-und-Steroid-Seifenoper aus den 90ern noch als „Ultimate Warrior“ bekannt ist—und der mit echtem Namen einfach nur „Warrior“ hieß—am gestrigen Dienstag ziemlich plötzlich verstorben, nachdem er auf dem Weg vom Hotel zum Auto neben seiner Frau kollabierte.

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Erst am Samstag wurde Warrior im Rahmen des alljährlichen Prä-Wrestlemania-Event in die WWE Hall of Fame aufgenommen und hielt zu diesem Anlass eine gerührte Rede; am Abend vor seinem Tod kehrte er ein letztes Mal in die Arena von Monday Night Raw zurück, um noch einmal das nostalgische Flair von Comic-Charakteren, neonbunter Gesichtsbemalung und spasmisch-manischem Seilrütteln im Fernsehen zu versprühen.

In seiner letzten TV-Rede zeigte sich der Warrior (der als James Brian Hellwig geboren wurde und seine offizielle Namensänderung als Schachzug im Rechtsstreit mit der WWE wegen der Verwertungsrechte und Tantiemen rund um seine Figur durchführen ließ) für viele alteingesessene, aber aufgestandene Fans überraschend fit und zusammenhängend. Während seine früheren Promos vor allem für ihre ausufernden Sinnbilder und losen Sprachimprovisationen über Raumschiffe und fremde Mächte bekannt waren, widmete sich seine Raw-Rede der Legendenbildung um seine Person und wirkt—wie im Nachhinein so oft—wie der perfid perfekt getimete Schlusspunkt einer Wrestling-Karriere, die auch im echten Leben dramaturgisch nach Wrestling-Vorbild enden musste.

Hier noch mal das Transkript seiner letzten öffentlichen Rede:

„No WWE talent becomes a legend on their own. Every man's heart one day beats its final beat. His lungs breathe their final breath. And if what that man did in his life makes the blood pulse through the body of others and makes them bleed deeper in something that's larger than life, then his essence, his spirit, will be immortalized by the storytellers—by the loyalty, by the memory of those who honor him, and make the running the man did live forever. You, you, you, you, you are the legend-makers of Ultimate Warrior.“

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Der finale Versöhnungsakt zwischen ihm und dem weltgrößten Wrestling-Unternehmen—das ihm als Zugpferd der von Hulk Hogan indirekt ausgerufenen „Take your vitamins“-Ära genauso viel zu verdanken hat, wie er umgekehrt dem Unternehmen—beendet eine Jahrzehnte andauernde Entfremdungsphase der beiden Muskelparteien:

Begonnen hatte alles mit Warriors Erpressungsversuchen gegenüber WWE-Boss Vince McMahon, dem er noch während der Live-Veranstaltung Wrestlemania mit einem No-Show (also Nichtauftritt) drohte, wenn dieser seine Millionen-Gage nicht kurzfristig verdoppeln würde. Darauf folgte ein schmutziger Propaganda-(oder sagen wir meinetwegen: PR-)Krieg seitens des ehrgekränkten Milliardärs, dessen mediales Mainevent eine 9 Stunden lange, WWE-produzierten DVD mit dem Titel The Self-Destruction of the Ultimate Warrior darstellte. Darin wurde Warrior als wahnsinniger, verbal inkontinenter und erkenntnisresistenter Wrestler, der für seine Gegner gemeingefährlich war und die Grundlagen des Business nicht verstand, protraitiert.

Foto von der Warrior Facebook-Page

Aber die wahre Legende des Warriors, der wie kein anderer das Bild von Wrestling als Austragungsort überlebensgroßer Gerechtigkeitskämpfe mitformte, war den schmutzigen Schachzügen gegenüber genauso resistent, wie sein Wrestling-Charakter gegenüber jedem einzelnen Angriff seiner Gegner. Sicher, manchmal hatte man auch ganz ohne das unvorteilhafte Framework der WWE-PR das Gefühl, dass Warrior während seiner Matches nicht zur Gänze verstand, dass er sich dem Skript beugen und mit seinem Kontrahenten zusammenarbeiten musste.

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Aber auch, wenn er definitiv weder der technisch versierteste Wrestler, noch der unternehmenskulturell einfachste, kooperativste Mitarbeiter war, sieht man genau diesen Matches so etwas wie einen harten Kampf um das eigene Vermächtnis an: Was wäre schließlich eine größere Verneigung vor dem Business und seinen Fans, als mit seiner Rolle zu verschmelzen und komplett im sportlichen Spiel aufzugehen? Es heißt, die besten Wrestler seien die, die ihre Gimmicks am durchgehendsten spielen, am vollständigsten und ungebrochensten verkörpern: Von Dick „The Destroyer“ Beyer, der seine Maske bis ins Schlafzimmer trug, bis zum Undertaker, der immer noch keinerlei Interviews als Mark Calaway gibt.

Dieser Definition nach gab es kaum jemanden, der mehr Energie in die Darbietung legte oder sich kompletter dem So-tun-als-ob hingab, wie der Ultimate Warrior. An keinem anderen Charakter wurde die Essenz von Wrestling jemals so gut und deutlich (im Sinne von: unzweideutig und in Neon-Farben) sichtbar, wie an ihm: Nämlich, dass Wrestling im Idealfall das perfekt realisierte Kinderspiel ist, das wir als Zuschauer auch deshalb bewundern, weil wir seit „Mutter-Vater-Kind“ nie wieder die Möglichkeit oder den Mumm hatten, selbst in irgendeiner Rolle so vollständig aufzugehen (oder in ihr unterzutauchen).

Foto von Brian Wilkins

Sicher, Hulk Hogan und seine moderne Wachablöse John Cena sind in ihrem Wrestling-Stil ähnlich opak und übertrieben, schauen hundeäugig in die Menge, um sich moralische Unterstützung von den Fans zu holen und vervollständigen jeden Kampf zum epischen Show-Act—aber in keinem Moment ist man versucht, ihnen abzukaufen, dass sie vergessen, wo sie sind, wie sie heißen und wer noch mal als Sieger im Skript steht (oder welches Move-Set im Vorfeld besprochen wurde).

Der Warrior hingegen war als Charakter immer genauso ultimativ, wie sein Name es versprach: Die letzte Instanz des Spiels, der finale Charakter auf dem Weg zur Comicfizierung, das vervollständigte Prinzip des Wrestling, wie ein Athlet, der in einer Feedbackschleife mit sich selbst gefangen war. Auch als jemand, dessen Schautradition seither von unzähligen Nachfolge-Generationen an über-agilen Über-Athleten geprägt ist, kann ich nicht anders, als mich vor dem „Konzept Warrior“ zu verneigen, an dem einfach alles stimmig war: Von der steroidenen Einzugsmusik über das ikonische Outfit bis hin zu seinem gleichzeitig „stiffen“ und tänzelnden Wrestling-Stil.

Auch in der jüngeren Vergangenheit verlor seine comichafte Figur nicht an popkultureller Relevanz: Als jemand, der sich vehement der Postmoderne entzog, war Warrior zuletzt zur Mode-Ikone von Kesha auserkoren worden; außerdem wird sein Ring-Einzug immer noch als der Wrestling-Auftritt schlechthin zitiert und findet am häufigsten selbst Einzug in Video-Vignetten der WWE (wohl nicht zuletzt, weil der Warrior dabei wirkt, als wäre er gerade direkt dem Elektrischen Stuhl entflohen).

Als Held ist der Warrior am Ende nicht tragisch, sondern vollständig. Die Geschichte ist vorüber, das Match zuende, die Feedbackschleife komplett. Rest in peace, Ultimate Warrior. Nie wieder wird irgendwer so eindrucksvoll an einem gespannten Ringseil rütteln.

Folge Markus auf Twitter: @wurstzombie