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fans gegen verein

Weil sich Verein und Polizei verbündeten, wollen Babelsberg-Fans austreten

Nach einer gemeinsamen Erklärung von Verein und Polizei rufen Fans zum Boykott des eigene Klubs auf. Der missachte ihrer Meinung nach die zahlreiche Verletzten nach dem Pokalsieg. VICE Sports sprach mit dem Fanbeirat.
Foto: Imago

Die Ausschreitungen nach dem Brandenburger Pokalendspiel zwischen dem FSV Luckenwalde und dem SV Babelsberg 03 haben mittlerweile eine viel größere Dimension erreicht. Wegen zahlreicher verletzter Fans sowie Berichten von Medien und Fans hatte der SV Babelsberg die Polizei für ihr massives und willkürliches Vorgehen kritisiert. Nun riefen Babelsberger Fans trotzdem dazu auf, aus dem eigenen Verein auszutreten. Der Grund: Der Klub hatte gestern eine gemeinsame Presseerklärung mit dem FSV, der Polizei und dem Fußball-Landesverband veröffentlicht und den Polizeieinsatz gerechtfertigt.

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Die grotesken Ausschreitungen beim Babelsberger Pokalsieg waren vorhersehbar

„Der Einsatz von polizeilichen Zwangsmitteln als letzte Alternative zur Verhinderung von Gewalt unter Fans und Angriffen auf Polizeibeamte ist unstrittig und generell Linie des Vereins", wird Archibald Horlitz, Präsident des SV Babelsberg 03, in Bezug auf den Platzsturm in der gemeinsamen Presseerklärung zitiert. Ein Fehlverhalten der Polizei wird zudem angedeutet, da Personen „unter anderem auch durch Reizgas, überwiegend leicht verletzt worden" seien. Darauf folgte eine Protestwelle aus der Babelsberger Fanszene.

Die SVB-Anhänger kritisieren vor allem, dass die Aussagen in der Presseerklärung vorher nicht kommuniziert wurden. „Am Dienstag wurde uns in einer kleinen Runde zwischen Fan- und Vereinsvertretern erläutert, dass der Klub eine Stellungnahme herausbringt, die unsere Berichte über Polizeigewalt und Willkür stützt", erklärt ein Mitglied des Babelsberger Fanbeirats im Gespräch mit VICE Sports. „Die Rechtfertigung des Polizei-Einsatz in der Presseerklärung ist für alle Fans und Verletzte ein Schlag ins Gesicht."

In den sozialen Netzwerken wurde nach der Veröffentlichung der Presseerklärung am Donnerstagabend unter anderem von der Nordkurve Babelsberg zum Spendenboykott und Austritt aus dem klammen Verein aufgerufen. Vereinsvertreter trafen sich anschließend noch am Abend mit etwa zwanzig Fans, um sich zu erklären. „Uns wurde mitgeteilt, dass die gemeinsame Erklärung nur der Anfang der Aufarbeitung sei und es sich um taktisches Kalkül handelt", erklärt das Fanbeiratsmitglied. „Die Polizei hat nur ihr Bedauern für die verletzten Fans ausdrücken wollen, wenn der Verein im Gegenzug einzelne Randalierer der eigenen Fanszene kritisiert."

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Trotz des aufklärenden Gesprächs soll ein Großteil der Fanszene kein Verständnis für die Aussagen des Vereins haben. „Ich kann nicht für alle Fans sprechen, aber es gibt gerade einen Bruch vieler Fans mit dem SVB", so das Mitglied des Fanbeirats. Die Fanszene beharrt nämlich weiterhin darauf, dass keinerlei Randale von den Babelsberger Anhängern ausging, sondern nur von der Polizei. „Da steht unsere oftmals nicht so einheitliche Fanszene zusammen: Es gab keine Randalierer und Chaoten. Vielleicht sahen diese optisch so aus, doch das Gefahrenpotenzial ging nur von der Polizei und dem maroden Stadion aus." Die Zahlen der beim Fanprojekt gemeldeten Verletzten, die VICE Sports vorliegen, untermauern diese Aussagen.

Während die Presseerklärung von „überwiegend leicht verletzten" Fans, Ordnern und Polizeibeamten berichtet, rief das Fanprojekt Babelsberg die SVB-Anhänger dazu auf, eigene Verletzungen zu melden. Von 147 gezählten Verletzten mussten 125 Fans wegen Reizgas behandelt werden. Die Berichte dokumentieren (bisher) zudem schwere Verletzungen wie „angebrochene Lendenwirbel, Platzwunden am Kopf, aufgerissene Hände und Finger sowie eine bewusstlose Person, die bis zu 15 Minuten nicht anzusprechen war." Laut Polizeiangaben wurden zudem sieben Beamte verletzt.

Die Fanszene der Babelsberger will nun abwarten, wie sich die Aufarbeitung der Vorkommnisse entwickelt. Von Verbesserungen der Kommunikation oder Interaktion mit Polizei oder dem Verband geht jedoch kaum jemand aus. „Von der Polizei erwarten wir leider keine Entschuldigung oder gar ein breitflächiges Reflektieren der eigenen Handlungen. Beim Verband stehen die Zeichen diesbezüglich ebenso schlecht, trotz der Tatsache, dass sie es waren, die mit ihren rigiden Vorgaben den Einsatz erst ermöglichten", erklärt unser Gesprächspartner des Babelsberger Fanbeirats. „Zu hoffen bleibt nur, dass der mediale Druck auf den Fußball-Landesverband Brandenburg zu groß wird, dass er sein Sicherheitskonzept in nächster Zeit überdenkt."

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