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ultra couture

Ultras machen die besseren Fanartikel

Fußballvereine verdienen mit Fanartikeln Millionen, dabei sind sie häufig unnötig und überteuert. Fangruppierungen machen ihren eigenen Merch und sind dabei kreativer, geschmackvoller und vor allem günstiger.
Foto: Imago

Während früher mit dem Kauf von Trikot und Schal das Ende der Fahnenstange schnell erreicht wurde, haben Bundesligavereine in ihrer Artikelpalette sogar Kondome (FC St. Pauli 2008) und Rollatoren (BVB 2013). Leider wird die Grenze des guten Geschmacks dabei ähnlich oft überschritten wie die fahrtüchtige Promillegrenze von Fußballfans. Im Gegensatz dazu machen Ultras und Fangruppen eigene Fanartikel, denn auch sie wollen ihre Verbundenheit mit dem Verein ausdrücken, finden jedoch bei den offiziellen Fanartikeln häufig nicht das Passende.

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Am weitesten verbreitet sind Sticker, Schals und T-Shirts, aber es gibt vereinzelt auch Jacken, Pullover oder Kalender. Ziel dieser Artikel ist nicht, den größtmöglichen Profit zu erwirtschaften, sondern bestmöglich den Verein zu unterstützen. Die Artikel werden meistens zum Selbstkostenpreis verkauft oder mit dem Gewinn werden Choreographien finanziert und wohltätige Organisationen unterstützt.

Erst im vergangenen Jahr verkauften die Ultras Frankfurt ein Armband, um Spenden für Obdachlose zu sammeln. Im Zuge dieser Aktion konnten über 50.000 Euro gesammelt werden. Die Artikel beziehen sich oft auf legendäre oder aktuelle Ereignisse oder huldigen Vereinslegenden. Für wichtige Spiele, Derbys oder Auswärtsfahrten gibt es oft Mottoaktionen, die mit Shirts oder Schals untermauert werden. Egal welche Artikel man kauft, man hat immer das Gefühl, ein Stück Geschichte zu tragen oder zu einem Stück Geschichte beizutragen.

Natürlich werden auch Gegner verhöhnt, mal mehr und mal weniger geschmackvoll. Die Düsseldorfer hatten beim Derby 2013 beispielsweise ein Shirt mit dem Aufdruck eines Geißbocks und der Aufschrift Opfer (siehe Titelbild). Das Design war an das Obey-Logo angelehnt, eine Marke, die damals von jedem Mateschlürfer und Longboardfahrer getragen wurde. Wie witzig das jetzt ist, muss jeder für sich entscheiden, aber es hat den Zeitgeist perfekt getroffen und sowohl die „Möchtegern-Hipster" als auch die Kölner aufs Korn genommen. Im Endeffekt sind die Artikel der Fans oftmals so gut, dass der Verein sie selbst nutzt.

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19:04 <3 — Marci (@Strewinho_28)6. Dezember 2014

Obwohl Vereine ganze Marketingabteilungen haben, Marktforschung betreiben und Designagenturen beauftragen, fehlt ihren Fanartikeln häufig etwas Entscheidendes—Authentizität. Die Artikel aus der Kurve sind von Fans für Fans gemacht, was schon beim Verkauf beginnt. Ultras und Fangruppen bieten ihre Artikel hauptsächlich an Fantreffs vor oder im Stadion an. Ein Online-Verkauf findet in der Regel nicht statt, schließlich sollen die Artikel nur an „wahre Fans" verkauft werden. Durch das Tragen eines Ultra-Shirts kann man auf dem Pausenhof nämlich manchen bewundernden Blick erhaschen, daher versuchen viele, diese Artikel weiterzuverkaufen. Durch den persönlichen Kontakt soll dieser Weiterverkauf verhindert werden. Außerdem sollen Fans anderer Mannschaften keine Möglichkeit bekommen, an die Artikel zu gelangen. Fußballvereine vertreiben ihre Artikel dagegen auf allen Kanälen. Wer die Artikel erwirbt, spielt keine Rolle, denn mit dem Verkauf ihrer sogenannten Merchandiseartikel haben Vereine das Hauptziel „Umsatz"—und das sieht man leider häufig. Zum einen an den stattlichen Preisen und zum anderen an den teils völlig uninspirierten und manchmal komplett sinnlosen Produkten.

Natürlich ist es legitim, „Geld zu verdienen", und dabei spielt Merchandising mittlerweile eine entscheidende Rolle. In der vergangenen Saison machte Merchandising beim FC Bayern mit 102 Millionen Euro beinahe ein Fünftel des Umsatzes von 524 Millionen Euro aus. Damit ist diese Einnahmequelle fast genauso wichtig wie das Sponsoring, dort kassierte der Verein 114 Millionen Euro. Diese Summen lassen sich natürlich nicht nur mit Solishirts für 5 Euro generieren, aber manche Produkte gehen trotzdem zu weit. Beispielsweise gibt es seit kurzer Zeit einen Selfie-Stick für knapp 20 Euro im Fanshop.

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Bei anderen Bundesligisten sieht es nicht besser aus, Eintracht Frankfurt verkauft einen Kleiderbügel, der HSV einen Wackeldackel und andere Vereine haben ein Arsenal an Pflegeprodukten im Angebot. In diesen Bereichen sollte ein Vereinslogo allerdings nicht das entscheidende Kaufkriterium sein. Ein Duschgel kauft man aufgrund von Hautverträglichkeit oder Geruch und nicht, weil das Wappen eines bestimmten Fußballvereins darauf ist. Borussia Mönchengladbach ist wenigstens ehrlich und warnt direkt im Shop vor eventuellen Hautirritationen.

Wie sehr Vereine versuchen, verschiedene Zielgruppen für sich zu erschließen, sieht man besonders deutlich bei Fanartikeln für Frauen. Müsste man anhand der Damenartikel auf die Vereinsfarbe schließen, wären Rot, Rosa und Violett dominierend. Wenn Vereine einerseits für Gleichberechtigung und Frauenfußball werben, aber andererseits mit einigen ihrer Fanartikel genau diese Rollenklischees bedienen, dann sollte eines der beiden überdacht werden.

Foto: Screenshots der offiziellen Online-Shops

Der bei Fanartikeln geltende Leitsatz „Viel hilft viel" passt auch auf Trikots. Die Vereine haben es still und heimlich geschafft, die Zahl der neuen Trikots mindestens zu verdoppeln. Während es früher üblich war, nur ein Trikot pro Saison vorzustellen und diese zwei Jahre lang zu tragen, werden heute in jeder Saison neue Heim- und Auswärtstrikots vorgestellt. International spielende Vereine nutzen diese Gelegenheit, um gleich noch ein drittes Trikot an den Fan zu bringen. Vereine, die davon nur träumen können, bringen einfach ein anderes Trikot raus. Gerne bedient man sich hier traditionellen Saufereignissen, Vereinsgeburtstagen oder man verzichtet auf jeglichen Vereinsbezug und nutzt das Trikot einfach, um ein Produkt seines Hauptsponsors vorzustellen. Einige Vereine haben es so geschafft, ihre Produktpalette auf bis zu 500(!) verschiedene Merchandiseartikel zu erweitern—genervte Fans inklusive. Den Fans sticht vor allem eins ins Auge, die Preise. Für das Trikot eines Bundesligavereins zahlt man in der Regel zwischen 75 und 85 Euro. Schalke 04 hat vor kurzem das Trikot für die kommende Saison vorgestellt, Kostenpunkt 89,95 Euro. Inklusive Flock zahlt man locker über 100 Euro.

Fazit: Bundesligavereine haben eine riesige Auswahl an Fanartikeln. Im Gegensatz dazu bieten Fangruppierungen genau die Fanartikel an, die sie selbst haben wollen. Einfache Produkte, die man auch im Alltag tragen kann, ohne als geistig verwirrt zu gelten. Eine breite Produktpalette ist nicht per se negativ, denn es gilt, die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Anhänger zu befriedigen, und nicht jeder steht in Schwarz gekleidet mit Sonnenbrille im Block. Vereine müssen in Zukunft nicht für jeden Artikel einen Fanrat einberufen. Wenn der Bezug zum Verein jedoch vollständig fehlt, sollte auf diese Artikel lieber verzichtet werden. Eines muss den Vereinen nämlich klar sein: Drucken sie ihre Wappen weiterhin auf schlechte und überteuerte Produkte, leidet auf Dauer auch das eigene Image. Deswegen sollten sie sich vielleicht ein Beispiel an den Ultras nehmen, denn weniger ist manchmal mehr.

Folgt Mirko auf Twitter: @mirkchief