Bernie Ecclestone: Wie ein Fischersohn zum schwerreichen F1-Boss wurde
Foto: PA Images

FYI.

This story is over 5 years old.

from rags to riches

Bernie Ecclestone: Wie ein Fischersohn zum schwerreichen F1-Boss wurde

Bernie Ecclestone ist die einflussreichste Person in der Formel 1. Doch sein Weg bis auf den Motorsport-Olymp war alles andere als vorgezeichnet.

In der Literatur gilt die Faustregel, dass allein ein starker, komplexer Bösewicht schon für einen spannenden Plot sorgen kann. Ein Bösewicht, der von sich selbst glaubt, das Richtige zu tun: Das ist der Stoff, aus dem wirklich interessante Charaktere gemacht sind. In gewisser Hinsicht ist das auch die perfekte Beschreibung von dem Mann, der in der Königsklasse des Motorsports das Sagen hat.

Nach einer gescheiterten Rennfahrerkarriere, einer verhexten Zeit als Fahrermanager sowie Engagements als innovativer Teammanager und Gewerkschaftsführer wurde er zum Spitzenfunktionär und großen Vermarkter der Formel 1. Bernie Ecclestones Lebenslauf erinnert ein bisschen an den steigenden Schwierigkeitsgrad bei Videospielen. Das vorherige Level abgeschlossen? Sich neben neuen Verbündeten auch genügend Feinde gemacht? Herzlichen Glückwunsch, dann ab in die nächste Runde.

Anzeige

Mit jeder neuen beruflichen Herausforderung war Ecclestone noch ein Stück besser vernetzt im Rennsport, wurde zu einem noch wichtigeren Puzzleteil des Ganzen. Bis am Ende sein Motiv fast gleichbedeutend mit der gesamten Formel 1 wurde.

Vor einiger Zeit: „Ein Foto mit den Besten ihrer Zunft, Herr Ecclestone? Natürlich doch"! Wenn Bernie etwas will, bekommt er es in der Regel auch. Foto: EPA/Diego Azubel

Vor zwölf Monaten musste sich Ecclestone vor einem deutschen Gericht verantworten. Die Anklage lautete auf Bestechung und Anstiftung zur Untreue. Ecclestone soll den früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky mit 44 Millionen Dollar bestochen haben. Dafür soll Gribkowsky bewirkt haben, dass die Bank ihre Formel-1-Anteile an Ecclestones Wunschinvestor CVC verkaufte und Ecclestone so an der Spitze der Rennserie bleiben konnte. Doch nach einer Zahlung von 100 Mio. Dollar stimmte das Landgericht München der Einstellung des Verfahrens zu.

Was sich nach einer alles andere als ehrenhaften Geschichte anhört, ist im Grunde genommen genau die Art von Geschäften, mit denen sich Ecclestone über die Jahrzehnte sein Imperium—und auch den schlechten Ruf—aufgebaut hat.

Aktuell machen neue Gerüchte die Runde, denen zufolge die Formel 1 an ein Joint Venture aus katarischen Ölbaronen und den Besitzern der Miami Dolphins verkauft werden soll. Obwohl der gute Mann schon 84 Jahre alt ist—und keinen Hehl daraus macht, dass bei einer solchen Transaktion auch seine Anteile zum Verkauf stünden—, kann man davon ausgehen, dass auch nach einem Formel-1-Verkauf Ecclestone der wichtigste und mächtigste Promoter der Rennserie bleiben würde. Und der ist sich für nichts zu schade und wagt sich auch an Deals ran, die viele andere—auch aufgrund moralischer Bedenken—nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würden. Der fast 400 Mio. Euro schwere Sieben-Jahres-Vertrag über den Russland-Grand-Prix in Sotschi soll nach einem 15-minütigen Treffen zwischen Ecclestone und Wladimir Putin in trockenen Tüchern gewesen sein.

Anzeige

Eine extrem mächtige und umstrittene Person. Und Wladimir Putin. Foto: EPA/Alexei Nikolsky

Bernie ist der Sohn eines Fischers, der sich seinen Weg bis zum Formel-1-Olymp hart erkämpfen musste. Einen ausgeprägten Geschäftssinn hatte der junge Ecclestone aber schon sehr früh für sich entdeckt. Er trug verschiedene Zeitungen aus und kaufte von den Einnahmen Brötchen, die er dann gewinnbringend an seine Mitschüler weiterverkaufte.

Doch Ecclestones eigentlicher Aufstieg begann erst in den 50er-Jahren. Obwohl er als Rennfahrer nur bescheidenen Erfolg hatte, wurde ihm ein tolles Angebot über den Kauf zweier Formel-1-Boliden unterbreitet, das er nicht ausschlagen konnte. Er entschied, eines der beiden Cockpits einfach selbst zu besetzen, doch nachdem er sich weder für das Rennen in Monaco noch für den Heim-Grand-Prix in Silverstone qualifizieren konnte, beschloss er, doch lieber als Fahrermanager sein Geld zu verdienen. Ecclestones erster Protégé war der talentierte britische Fahrer Stuart Lewis-Evans, der jedoch 1958 an den Folgen eines Rennunfalls starb. Im Anschluss verschwand Ecclestone für ein Jahrzehnt von der Bildschwäche, ganz offensichtlich hatte ihm der Verlust seines Freundes sehr zugesetzt.

Während dieser Zeit kam Ecclestone zu viel Geld und irgendwann machten auch Gerüchte die Runde, dass sein plötzlicher Wohlstand mit dem berühmten Postzugraub zu tun haben könnte. Als er auf eine mögliche Beteiligung angesprochen wurde, meinte er, dass es „nicht genügend Geld in dem Zug gab" und dass er „etwas Besseres auf die Beine gestellt hätte". Wie hat er dann also das Geld gemacht? „Mit Grundstücken."

Anzeige

Als er in die Formel 1 zurückkehrte, wurde Ecclestone Manager von einem der besten Fahrer seiner Zeit: Jochen Rindt. Im Laufe der Zeit wurden sie enge Freunde und konnten sich gemeinsam darüber freuen, dass das Jahr 1970 äußerst erfolgreich anlief. In seinem innovativen Lotus-Boliden kam der Österreicher schnell zu fünf überlegenen Siegen.

Bis das Rennwochenende in Monza anstand. Im Training für den Großen Preis von Italien verlor Rindt die Kontrolle über seinen Wagen und krachte in die Leitplanken. Er verstarb noch im Rettungswagen. Zum zweiten Mal innerhalb von 12 Jahren hatte Ecclestone einen Schützling und Freund in dem Sport, den er liebte, verloren.

Zu der Zeit hatte Ecclestone schon seit Längerem mit dem Gedanken gespielt, ein eigenes Formel-1-Team zu übernehmen. 1971 kaufte er den Brabham-Rennstall für 100.000 Pfund. Seit dem Rücktritt seines Gründers (und dreifachen Champions) Jack Brabham hatte das Team in den Jahren zuvor den Anschluss an die Topteams verloren.

Durch eine Reihe von cleveren wirtschaftlichen Entscheidungen—so zum Beispiel die Taktik, auf die wenig erprobten, dafür aber günstigeren Motoren von Alfa Romeo und BMW zu setzen, oder die Chutzpah, auf neue und ungetestete Pirelli-Reifen zu vertrauen—wurde aus einem Team, das ab und zu mal aufs Podium gefahren war, ein regelmäßiger Titelanwärter. Mit dem Brasilianer Nelson Piquet konnte man 1981 und 1983 den WM-Titel holen. Als Piquet dem Team 1987 den Rücken kehrte—was vor allem daran lag, dass Ecclestone versucht hatte, die Fahrerkosten zu drücken—wurde es noch im selben Jahr für fünf Mio. Pfund verkauft. Zu Erinnerung: Bernie hatte den Brabham-Rennstall einst für gerade mal 100.000 Pfund übernommen.

Anzeige

Nelson Piquet gewann mit Bernies Brabham-Team zwei WM-Titel. Foto: PA Images

Noch während seiner Zeit als Brabham-Besitzer begann er zu überlegen, welches unternehmerische Potenzial in der Rennserie läge und wie man dieses am besten ausschöpfen könnte. Im Jahr 1974 gründete er zusammen mit drei anderen Personen die FOCA (Formula One Constructors Association). Dieser Zusammenschluss von Formel-1-Rennställen diente der gemeinsamen Interessenvertretung der Teams gegenüber dem internationalen Automobilsport-Dachverband FIA (Fédération Internationale de l'Automobile).

Ecclestones Einfluss und Verhandlungsgeschick ließen ihn schnell zum eigentlichen Anführer der FOCA werden. Fast schon folgerichtig wählte man ihn 1978 auch zum offiziellen Vorstandsvorsitzenden. Der Rechtsberater der FOCA, Max Mosley, wurde im Laufe der Zeit einer der engsten Vertrauten Ecclestones. Mosley war es auch, der der FOCA mit seinem Rechtsbeistand dabei half, der FIA die Fernsehübertragungsrechte abzuluchsen. Die lagen jetzt also in Bernies Händen. Und der wusste nur zu gut, wie man die Gans zum dauerhaften Legen goldener Eier verhelfen konnte.

Der Deal war simpel: Wollte ein Fernsehsender Formel-1-Rennen zeigen, musste er die Rechte für die ganze Saison kaufen. Es war also nicht möglich, sich nur den jeweiligen Heim-Grand-Prix und vielleicht noch ein, zwei Rosinen zum Saisonende herauszupicken. Das Geld wurde direkt an die neu gegründete FOPA (Formula One Promotions and Administrations) überwiesen, die 47% der Einnahmen an die F1-Teams und 30% an die FIA abgab. Die restlichen 23% durfte man behalten, um Preisgelder auszuschütten.

Anzeige

Und wer war der Vorstandsvorsitzende der FOPA? Ein gewisser Bernard Charles Ecclestone.

Bernie und seine 38-jährige Frau Fabiana Flosi. Foto: EPA/Rungroj Yongrit

Nach dem Brabham-Verkauf machte sich Ecclestone an die Arbeit, die Formel 1 Schritt für Schritt zu einer Weltmarke auszubauen. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen (denn darüber sind schon unzählige Bücher geschrieben worden) wechselten in den folgenden drei Jahrzehnten die Formel 1 als Produkt und ihre Übertragungsrechte mehrfach den Besitzer: mal zur FIA, dann wieder zur FOPA und auch zu Drittunternehmen. Doch egal, wer gerade den Schlüssel zum Goldschatz sein Eigen nannte, Bernie war stets der Schatzmeister.

Vor allem im geographischen Expansionsstreben der Formel 1 hat er dem Sport eindeutig seinen Stempel aufgedrückt. Mit dem lukrativen japanischen Markt fing alles an. Schon kurz nach seinem Brabham-Coup begann er dort vorstellig zu werden. Dann konnte er die USA für sich gewinnen, bis man dort einen Rückzieher machte, um schließlich doch wieder in die große Formel-1-Familie zurückzukehren. Mit den Grand-Prix in China, Malaysia, Singapur und Südkorea konnte man sich endgültig im asiatischen Markt etablieren. In den letzten Jahren folgte man zunehmend den großen Petrodollarscheinen und ging nach Bahrain und Abu Dhabi. Passend dazu steht dieses Jahr auch Russland im Rennkalender und nächstes Jahr soll ein Grand-Prix in Aserbaidschan stattfinden. Dass die Formel 1 mittlerweile zu einer weltweiten Veranstaltung geworden ist, liegt natürlich auch im Interesse der Autobauer. Denn die haben so die Gelegenheit, ihre Marke einem noch größeren—und auf mehreren Kontinenten verteilten—Publikum vorzustellen.

Anzeige

Ein wichtiger Baustein bei der F1-Welteroberung war dabei die Wahl Mosleys zum Präsidenten der FIA 1993. Die beiden waren ein perfekt eingespieltes Duo: Mosley war der gebildete Vermittler, der die Teams mit neuen Regularien—die zwar anspruchsvoll, aber nicht einschränkend waren—bei Laune hielt und wenn nötig angemessene Strafen aussprach. Ecclestone hingegen war der umtriebige Verkäufertyp, der stets auf den nächsten Coup aus war und auch mal die Muskeln spielen ließ, um in einen neuen Markt vorzudringen. Seite an Seite kämpften die beiden auch gegen die EU wegen des Werbeverbots für Tabakunternehmen. An anderer Stelle vertrat man medienwirksam gezielt unterschiedliche Meinungen, um dann—fünf vor zwölf—plötzlich doch wieder in Harmonie vereint eine wichtige Neuerung durchzuwinken.

Ecclestone und Mosley waren ein perfekt aufeinander abgestimmtes Funktionärenduo. Foto: EPA/Gareth Watkins

Der Bestechungsskandal war eine der schwärzesten Stunden in Ecclestones Karriere. Doch auch schon in den Jahren zuvor musste er miterleben, wie ein Verbündeter nach dem nächsten die Segel strich. Darunter auch sein BFF Mosley, der 2009 als FIA-Präsident zurücktrat. Seitdem fehlt es ihm schlicht und einfach am richtigen Wingman, der ihm geeignete Produkte überlässt, damit Ecclestone sie der großen weiten Welt schmackhaft machen kann. Aus seiner Sicht nur wenig geeignet war eine neue Reifenmischung von Pirelli, die seiner Kritik zum Trotz Einzug in die Formel 1 erhielt. Auch gegen die kleineren aufgeladenen Motoren zog er ins Feld, doch ohne die richtigen Verbündeten an seiner Seite verlor er auch diesen Kampf. Was Bernie zur Weißglut bringen muss, weiß er doch selbst am besten, wie die Wirtschaft funktioniert und dass sich ein minderwertiges Produkt weniger gut verkauft.

Dass Ecclestone kein junger Hüpfer mehr ist, wird keinem verborgen geblieben sein. Seine Zeit als gesalbter Formel-1-Boss neigt sich so oder so dem Ende zu—denn auch wenn er ein übermenschlicher Businessman war und ist, gegen das Sterben ist selbst er nicht immun.

Nicht jeder wird in Tränen ausbrechen, wenn die Nachricht kommen wird, dass die Formel 1 ihren Oberboss verloren hat, aus welchem Grund auch immer. Doch auch seine größten Kritiker werden anerkennen müssen, dass es Ecclestones Vermächtnis ist, die Formel 1 von einer nur wenig lukrativen Randsportart zu einer globalen milliardenschweren Weltmarke gemacht zu haben. Er war und ist der omnipräsente und einflussreiche Promoter, den der Sport nie wollte, aber dringend benötigt hat.