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Avaaz-Aktivisten stecken Sepp Blatter in den Käfig

30 Aktivisten versammelten sich gestern vor dem FIFA-Hauptquartier, um die Aufmerksamkeit auf die sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen in Katar zu lenken. Dabei wurden sie von vielen ehemaligen Fußballern unterstützt.
Photo via Avaaz

Endlich sitzt Sepp Blatter da, wo er hingehört: im Käfig. Na gut, bisher ist es nur sein Counterfeit in Puppenform, aber aller Anfang auf dem Weg zu Gerechtigkeit ist schwer, vor allem bei der FIFA. Auf jeden Fall haben sich Avaaz-Aktivisten gestern vor dem FIFA-Hauptquartier in Zürich versammelt und mithilfe von Blatters eingesperrtem Doppelgänger die mediale Aufmerksamkeit auf die großen humanitären Missstände rund um die Baumaßnahmen für die Fußball-WM 2022 in Katar gelenkt. Denn die dortigen Arbeiter, die fast ausschließlich aus dem Ausland kommen, arbeiten nach dem sogenannten Kafala-System, unter dem die Arbeitgeber fast die komplette Kontrolle über ihre Angestellten haben. So können sie ihnen vorschreiben, wann sie zu arbeiten haben, wo sie schlafen sollen, und ihnen sogar die Ausreise verbieten. Das traurige Schicksal dieser wehrlosen Armee von Gastarbeitern ist gut belegt. Millionen leben in schäbigen, überfüllten Schlafsälen und schuften bei Temperaturen um die 50 Grad Celsius. Tausende von ihnen haben die Sportmachtambitionen des Wüstenstaats schon mit ihrem Leben bezahlt.

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„Avaaz-Aktivisten auf der ganzen Welt fordern den Rücktritt von Sepp Blatter", sagte Alaphia Zoyab, einer der Avaaz-Hauptorganisatoren bei einem Telefoninterview am Donnerstag. „Denn angesichts der massiven Korruptionsvorwürfe hat er an der Spitze der FIFA nichts mehr zu suchen. Die FIFA scheint sogar so korrupt zu sein, dass sie sich nicht einmal der erschreckenden Menschenrechtslage in Katar annehmen möchte, wo wir im Prinzip eine moderne Form der Sklaverei erleben."

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Rund 30 Avaaz-Aktivisten haben zusammen den Käfig errichtet und darin einen der ihren mit Sepp-Blatter-Verkleidung zur Schau gestellt. „Wir haben ihn in einen Käfig gesteckt, um zum Ausdruck zu bringen, dass wir Gerechtigkeit fordern", so Zoyab weiter. „Und die Teilnehmer an unserer Aktion kamen in blauen Overalls, um an die Gastarbeiter in Katar zu erinnern."

Die Protestierenden wurden von FIFA-Sprechern aufgesucht. „Wir hatten ein langes Gespräch", sagte Zoyab. Sie wollte von den FIFA-Offiziellen wissen, ob man die katarische Regierung zwingen würde, sich bei der fälligen Arbeitsmarktreform an einen festen Zeitplan zu halten. „Das werden die nicht zulassen", lautete die lapidare Antwort.

Die FIFA hat zudem bestätigt, dass Blatter nicht vorhabe zurückzutreten und stattdessen weiterhin seine Wiederwahl anstrebe.

„Die FIFA hat im Prinzip die richtigen Dinge gesagt, was eine Verbesserung der Arbeitnehmerrechte in Katar betrifft. Doch sie tun rein gar nichts dafür, um diese so dringend nötige Reform zu erzwingen", erklärte Zoyab.

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Auch wenn der Protest in Zürich eher klein ausfiel und nur von symbolischer Natur war, genießen die Aktivisten die Rückendeckung von weltweit über 830.000 Avaaz-Mitgliedern. Gemeinsam hat man eine Petition unterzeichnet, in der man das menschenunwürdige Treiben in Katar und das fehlende Engagement vonseiten der FIFA aufs Schärfste verurteilt.

Foto: Avaaz

Die Kampagne wird außerdem auch von einer Gruppe aktiver und früherer Profifußballer unterstützt, darunter auch vom US-Nationalspieler Robbie Rogers.

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Ebenfalls auf der Liste der Unterzeichnenden stehen die ehemaligen französischen Nationalspieler Vikash Dhorasoo und David Ginola, der frühere englische Nationalspieler Lee Dixon und der frühere marokkanische Nationalspieler Abdeslam Ouaddou.

„Über eine Million Menschen—die Mehrheit von ihnen Einwanderer aus Entwicklungsländern—werden faktisch gegen ihren Willen auf der weltgrößten Baustelle festgehalten, auf der nach Expertenangaben bis zum Eröffnungsspiel bis zu 4.000 Menschen ihr Leben lassen könnten", heißt es unter anderem in der Petition.

Ouaddou hat schon am eigenen Leibe erfahren, wie in Katar Korruption vonstatten geht. Er blickt auf eine lange internationale Karriere zurück und hat bei fünf verschiedenen Klubs in Europa gespielt, darunter auch beim FC Fulham. Außerdem lief er 57 Mal für die marokkanische Nationalmannschaft auf. Als sich seine Karriere dann dem Ende zuneigte, hat er bei Lekhwiya SC unterschrieben. Der Verein gehört einem gewissen Scheich Abdullah Al Thani (der auch noch den FC Malaga sein Eigen nennt). Nach einer Saison bei Lekhwiya wurde er gegen seinen Willen zu Qatar SC transferiert—und das, obwohl er mit seinem alten Verein den Ligatitel holen konnte und zum besten Verteidiger der katarischen Liga gewählt wurde. Nachdem er dann eine Saison lang bei Qatar SC gespielt hatte, wurde ihm mitgeteilt, dass er den Verein verlassen solle. Als Abfindung boten sie ihm ein Monatssalär an.

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„Ich war schockiert", erklärte mir Ouaddou am Telefon. „Ich meinte, das ginge doch nicht, weil ich doch noch ein Jahr Vertrag habe." Also schlug er ihnen vor, dass sie ihn zu einem neuen Verein transferieren oder zumindest ein Ausleihgeschäft in die Wege leiten. Doch der Verein lehnte ab.

Dann haben sie ihm kein Ausreisevisa ausgestellt. Und schon saß er in der Falle.

„Sieben Monate lang haben ich keinen Cent von meinem ehemaligen Verein erhalten. Auch für meine Miete sind sie nicht mehr aufgekommen. Dann haben sie auch noch mein Auto konfisziert, einen Vereinswagen. Und zu guter Letzt haben sie dafür gesorgt, dass in meinem Haus der Strom abgestellt wird. Dabei war ich dort mit meiner Frau und meinen Kindern."

Ouaddou sagt, er wurde am Ende nur aus dem Land gelassen, weil die Medien Wind von der Geschichte bekamen. „Ich bin ein relativ bekannter Fußballspieler", sagte er. „Ich habe für Fulham gespielt. Ich habe für Olympiakos in der Champions League gespielt. Ich habe in Frankreich gespielt. Ich war 17 Jahre lang Fußballprofi. Ich habe mir einen Namen gemacht und dieser Name hat mich am Ende gerettet."

Zurück in Frankreich beschloss Ouaddou, die Zeit nach seiner aktiven Profilaufbahn den Gastarbeitern in Katar zu widmen, denen unter dem Kafala-System jegliche Menschenrechte abgesprochen werden. „Wenn schon ein Profifußballer wie ein Sklave behandelt wird, kann man sich ja ausmalen, wie sie erst mit ausländischen Bauarbeitern umgehen werden", so Ouaddou.

„Im 21. Jahrhundert darf es so etwas wie das Kafala-System einfach nicht mehr geben. Es verstößt gegen die Menschenrechte. Es ist unmenschlich. Man darf Menschen nicht auf diese Art und Weise behandeln. Katar hat die WM nicht verdient, wenn sie Menschen wie Sklaven behandeln."