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Was kann das WWE Network wirklich?

Nach 1,5 Jahren ist WWE Network in Deutschland gestartet. Für Wrestlingfans eine paradiesische Mischung aus Netflix und NBA-League-Pass, für Andere das sinnloseste Bezahlfernsehen der Welt. VICE-Sports-Autor und Wrestling-Fan Berni Mayer hat es...
Foto: WWE.com

Als deutscher Fan amerikanischen Pro-Wrestlings warst du bisher der Arsch mit Ohren. Die monatlichen Pays-per-View konntest du entweder zwischen 12 und 20 Euro bei Maxdome (früher bei Sky für 20–25 €) bestellen, sie dir illegal besorgen oder am nächsten Tag in den „Dirt Sheets" (Wrestling-News-Seiten) lesen, wie gut sie waren. Denn so lieblos und trashig TV-Shows wie RAW oder Smackdown! auch sein mögen, bei ihren PPVs hält die WWE die Qualität hoch.

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Wrestling-Aficionados in Amerika, Kanada und seit etwa einem Jahr auch in England waren da längst weiter. Sie benutzen das sogenannte WWE Network, das kann man sich von der Benutzeroberfläche her ungefähr vorstellen wie Netflix, statt Serien und Filmen ist es bis oben hin voll mit Wrestlingshows, Wrestling-Dokus, historischen Großveranstaltungen und dem aktuellen PPV. Und das Groteske daran: alles für einen Monatspreis von 9,99 $.

Das Network ging in den USA im August 2014 auf Sendung und obwohl WWE-Boss und Muskelgreis Vincent Kennedy McMahon immer schon einen eigenen Wrestlingsender wollte, war die Öffentlichkeit doch zunächst von der Schleuderpreispolitik überrascht. Bis zu dem Zeitpunkt kosteten die PPVs bei den amerikanischen Kabelbetreibern bis fünfzig Dollar oder mehr. Für zwölf PPVs im Jahr bezahlte man also im Schnitt 600 Dollar, wohingegen man mit einem Jahresabo fürs Network nur auf 120 kommt. Dieser WWE-Wühltisch hat dem überalterten Business-Modell Wrestling-PPV quasi im Alleingang den Garaus gemacht. Dafür besitzt die WWE jetzt weit über eine Million Abonnenten (Stand Dezember) weltweit und ist auch technisch in der der Gegenwart angekommen—das Streaming funktioniert vorbildlich. Auf der anderen Seite sind 1,2 Millionen im wahrsten Sinne auch nicht die Welt, bedenkt man, dass das Network mittlerweile in über 140 Ländern zu sehen ist.

Das Grandiose am Network ist aber vielleicht sogar ein Zufallsprodukt. Es ist wirklich für alle Wrestling-Fans da. 7-jährige Roman Reigns- oder John Cena-Fans können ihre Supermänner im Endlos-Feed in Jorts und Flakwesten bestaunen, Nostalgiker und Wrestling-Hipster schauen alte Wrestlemanias, die Nachwuchs-Liga NXT und deren fantastische PPVs.

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Mein erster Tag auf dem Network sah zum Beispiel so aus. Zunächst schalte ich mich ins „Live-Programm", wo die Dokureihe „Monday Night Wars" läuft, die von den Quotenkriegen zwischen WCW und der WWE in den Neunzigern berichtet. Grade geht es um Mick Foley und sie zeigen das legendäre wie völlig derangierte Käfig-Match (Hell In A Cell) zwischen dem Undertaker und Mankind (Foley), bei dem Foley fast sechs Meter vom Käfigdach in einen Kommentatorentisch stürzt und anschließend—weil's so schön war—nochmal vom Undertaker durchs Käfigdach geslamt wird, das nachgibt, Foley nach unten in den Ring fällt und von einem hinterherkommenden Stuhl ausgeknockt wird. Dabei rammt er sich auch seinen eigenen Schneidezahn in die Nase. Am Ende geht's dann sogar noch in ein Bad aus Reisszwecken, kurz: es ist ein Massaker und im Network nur einen Klick weit weg—Parental-Control-Funktion, ick hör dir trapsen.

Screenshot: wwe.com/wwenetwork

Danach steht ein historisches PPV auf dem Menü: Ric Flair gegen Terry Funk beim Great American Bash 1989 aus den glorreichen Prä-Hulk-Hogan-Tagen der WCW. Auch kein Zuckerschlecken und eine Lehrstunde im beabsichtigten Blutvergießen (man google blading im Wrestling). Natürlich schau ich auch auf einen Sprung bei Wrestlemania VI rein, dem ersten PPV meines Lebens, das ich sogar auf Audiokassette hatte, und das mich zum lebenslangen Fan gemacht hat. Ultimate Warrior gegen Hogan lautet der Main Event, aber da gibt es auch so grenzwertige Stilblüten wie der kürzlich verstorbene Roddy Piper gegen Bad News Brown, wo Piper sich den halben Körper schwarz angemalt hat, um seinen afroamerikanischen Gegner zu verhöhnen. Ähem.

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Danach ein ausführliches Interview mit dem grandios bratzigen und immer leicht übergewichtigen Kanadier Kevin Owens, dann eine Folge der entwaffnend entmythisierenden und deshalb fortschrittlichen Reportagen-Soap Breaking Ground, die sich der Wrestler-Ausbildung widmet und dann als Krönung des Abends eine alte TV-Show von Mid-South Power Wrestling, in der Sting und der Ultimate Warrior in ihrer Urform als Flash und Rock (The Blade Runners) antreten. Der Kommentator sagt geradezu prophetisch über Warrior: „Der Typ ist nicht ganz dicht. Wahrscheinlich die Steroide." Im nächsten Match zwischen Chavo Guerrero (nicht Jr., sondern das Original) und Steve Keirn wird der Gewinner mit gelber Farbe bemalt - auf eine kaputte Art ist das heile Welt für viele Amerikaner, die Mitte der 1980er mit regionalen Wrestling-Shows aufgewachsen sind. Und für mich irgendwie auch, der das Zeug teilweise noch aus dem Ramschprogramm von Eurosport kennt.

Screenshot: wwe.com/wwenetwork

Es ist fast Mitternacht, aber ein altes WCW Monday Nitro aus der Hochphase der nWo (New World Order) geht noch. Es ist die Show nach dem völlig missglückten PPV-Match zwischen Hogan und Sting bei Starrcade 1997, aber statt die Sache grade zu biegen, zwickt man ein Rematch (mit dem man auf PPV eine Menge Geld hätte verdienen können) ans Ende der TV-Show und geht beim Finale off air. Ein klassischer WCW-Dick-Move Ende der Neunziger. Überhaupt waren diese TV-Shows wie ein brennender Haufen Autoreifen. Man konnte kaum zuschauen, aber auch nicht weg. Das ist auch das Gute an der Network-Ära, es gibt jetzt einen Stopknopf und immer eine Alternative für die peinlichsten Momente im Pro Wrestling. Und von denen gibt es jede Menge – das Network konserviert sie für die Ewigkeit.

Hinweis: Das WWE-Network erreicht man über network.www.com, der erste Monat ist im Moment gratis. Das Network ist monatlich kündbar und kostet 9,99 $. Der deutsche Preis variiert nach Dollarkurs.

Folgt Berni bei Twitter: @stburnster