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homosexualität im fußball

Was wir von einem Reddit-AMA eines schwulen Fußballprofis lernen können

Normalerweise schweigen sie, doch in einem „Frag mich alles" bei Reddit teilt ein homosexueller Profi seine Gedanken. Dabei geht es nicht nur um seine Aussagen, sondern vor allem um gegenseitiges Verständnis.
Foto: imago

„Fussball steht mir halt mehr oder weniger im Weg", erklärt Reddit-User eckfahne in einem AMA (Ask Me Anything) auf die Frage, ob er schon mal einen festen Freund gehabt hat. Er ist Fußballprofi und er ist schwul. Weil Homosexualität noch immer das größte Tabu im deutschen—und internationalen—Profifußball ist, stellt er sich nur anonym den Fragen der Reddit-Community. „Aber das nehme ich dafür in Kauf. Is halt schon mein Traum. Aber manchmal vermisse ich jemanden am Abend zum Einschlafen", erklärt er über das Versteckspiel als homosexueller Fußballprofi. Zwar lässt sich wegen der Anonymität seine Identität nicht vollends belegen, doch seine Aussagen geben einen tiefen Einblick in die Ängste und Gedanken eines vom Fußball-Geschäft und der Öffentlichkeit noch immer nicht akzeptierten schwulen Fußballprofis.

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„Hm so richtig outen will ich nicht", erklärt er über den Gedanken eines Coming-Outs. „Ich denke es würde auch Aufmerksamkeit geben in den Medien und vielleicht sogar Rückendeckung", so der junge Mann, der sagt, er sei Anfang 20 und Spieler eines Drittliga-Klubs. „Aber irgendwann ist das vorbei und man ist 'trotzdem geoutet'." Die Zuschauer spielen bei dieser Entscheidung durchaus eine Rolle: „In einem unterklassigen Verein is' das nochmal anders mit den Fans, ohne unseren Fans zu nahe treten zu wollen." Jedoch auch die Berichterstattung der Medien spiele eine Rolle, weil sich „diese positive Wirkung" wieder aufhebt, „wenn du dann zu sehr im Mittelpunkt stehst". Die Gründe für sein Versteckspiel sind für ihn drei Faktoren: „Vereins-Umfeld, Fan-Umfeld, Medien-Umfeld sozusagen. Das ist es so ziemlich zusammengefasst."

Mehr lesen: „Ich kann es verstehen, wenn ein schwuler Profi nicht die Kraft hat, sich zu outen"—Roman Neustädter über Homophobie im Fußball

Er glaubt indes nicht, dass sich eine größere Gruppe von homosexuellen Profis für ein gemeinsames Coming-Out zusammentut: „Man ist dann vielleicht in der Gruppe stark, aber wenn man nicht unbedingt aus einer Mannschaft kommt, dann ist man im Stadion wieder auf sich gestellt." Andere homosexuelle Profis kenne er zudem gar nicht. „Von einem habe ich gerüchteweise mal gehört", erklärt eckfahne, der sich eine Kontaktaufnahme jedoch vorstellen könnte. „Es könnte auch auf denjenigen etwas komisch wirken, also da muss man ja irgendwie vorsichtig sein. Ich würds aber denke ich probieren."

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Nicht mal seine Eltern wissen von seiner Homosexualität—lediglich sein bester Freund und seine beste Freundin, die öffentlich als seine feste Partnerin auftritt. Seine ebenfalls unwissenden Mitspieler behandelten das Thema Homosexualität nur beim Coming-Out von Thomas Hitzlsperger: „Einige fanden es gut, andere hat es nicht interessiert und ein Teil hat halt dumme Sprüche dazu gebracht. Ernst war das Thema aber nicht", erzählt eckfahne. Laut ihm belassen es die meisten bei irgendwelchen dummen Sprüchen. „Richtig wen Homophoben habe ich noch nicht erlebt", erzählt er. „Aber jeder bringt solche Sprüche, auch ich… Manchmal sehr unterbewusst, wenn man dann halt so drin ist. Wenn ich es dann gesagt habe, merke ich es meistens. Gegenwind gibts nicht, auch von mir nicht. Ich finds aber auch nicht schlimm."

Die Angst davor entdeckt zu werden, kann eckfahne jedoch nur selten verdrängen. „Auf dem Platz selbst habe ich wenig Gedanken darum im Spiel", erzählt er. „Im Training vielleicht schon mal eher, dass man versucht nicht aufzufallen oder so obwohl ich ja weiss dass das völlig dumm is." Auch auf die spätestens durch Jens Lehmann bekannt gewordene Dusch-Frage antwortet er, nachdem ein User verrät, dass er in einer Umkleide voller Frauen nicht mehr aufhören würde zu gucken: „Sowas ähnliches hatte ich glaube schon. Jedenfalls ist es so, dass ich mich da nicht drauf konzentriere bzw. mich manchmal dazu zwingen muss nicht hinzugucken. Hat bis jetzt gut geklappt :D."

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Wegen seiner Angst aufzufliegen verabredet er sich über Dating-Apps: „Ich benutze kein Facepic. Versuche dann immer möglichst rauszufinden, ob mein Gegenüber auch nur ansatzweise fußballinteressiert ist", so eckfahne über seine Treffen mit anderen Männern. „Wenn ja gehts nicht." Wenn es zum Treffen kommt, mache er „keine normalen Dates, nur Sexdates." Liebe oder Gefühle versucht er aus Angst vor seiner Anonymität gar nicht erst zu finden. „Bevor sowas aufkommen könnte versuche ich das gleich zu verdrängen und rational zu denken. Ist bescheuert aber für mich geht es nicht anders."

Mehr lesen: Das Coming-Out von Thomas Hitzlsperger hat nichts verändert

Das Reddit-AMA von eckfahne beweist, dass sich ein homosexueller Spieler noch immer auf keinen Fall irgendwie öffentlich outen will, jedoch unbedingt der Öffentlichkeit die eigenen Gedanken, Wünsche und die täglichen Ängste erklären und näher bringen will. „Ich hatte halt die Idee mich mal interessierten Fragen zu stellen", erzählt er. „So habe ich meine Langeweile bekämpft und ich konnte sogar etwas offener schreiben :) ;)." Für die Fans, aber auch homosexuellen Spieler ist ein solcher Austausch extrem wichtig für das gegenseitige Verständnis. Ein Tabu kann nur so (endlich) langsam bröckeln.

Die Skepsis gegenüber der Öffentlichkeit und vor allem den Medien ist jedoch trotz fast durchgehender positiver Berichterstattung noch groß. Als ein User einen Artikel über das AMA vom Magazin der Süddeutschen Zeitung jetzt.de postet, antwortet eckfahne nur: „Der lebende Beweis dafür, dass sowas eben doch nicht normal is oder? Eure Zweifel kann ich verstehen." Durch das Reddit-AMA konnten sowohl die Fans als auch der homosexuelle Profifußballer trotzdem mit der anderen Seite offen kommunizieren—ohne seine Anonymität zu gefährden. Die Fans konnten offene und ehrlichen Fragen an einen homosexuellen Profi stellen, um ihn zu verstehen. Der Spieler konnte erfahren, wie aufgeschlossen Teile der Gesellschaft schon sind: „Wenn alle so wären wie die Community hier wäre es wohl einfacher ;)"

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