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Kampfsport

In Polen kämpfen Satanisten und Rapper mit Augapfeltattoo vor 58.000 Zuschauern

Die polnische Version der UFC nennt sich KSW und lockt die wahnsinnigsten Typen an. Als ob im Warschauer Nationalstadion jemand eine Kiste mit Action-Figuren ausgekippt hätte.

"Runde 1". Eine kalte, dystopische Stimme schallte am Samstag wiederholt durch das Warschauer Nationalstadium beim MMA-Event 'KSW 39: Colosseum'. Dann begann die Gewalt. Von den oberen Rängen muss es so ausgesehen haben, als ob jemand eine Kiste voll mit Action-Figuren ausgekippt hätte, die Sekunden später aufeinander losgingen. KSW, das ist die polnische Antwort auf die UFC. Und die Gesichter waren keine unbekannten: Mariusz Pudzianowski, der überambitionierte MMA-Kämpfer und ehemalige Strongman, polnischer Nationalheld und die Hauptattraktion des KSW-Events; Mamed Khalidov, der wohl beste Mittelgewichtskämpfer, der nicht in den Händen der UFC ist, gegen Weltergewicht-Champion Borys Mankowski in einem sogenannten 'Catchweight-Fight' (also einem Kampf ohne Gewichtsklassen); die UFC-Verstoßenen Norman Parke und Sokoudjou; und Pawel "Popek Monster" Mikolajuw, ein polnischer Rapper, der sich seine Augäpfel tätowieren ließ.

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Auf dem Programm stand außerdem der Titelkampf im Schwergewicht zwischen Fernando Rodrigues, Jr., einem bekennenden Christen, und Marcin Rozalski, einem berüchtigten Satanisten, der so ausschaut, als hätten Renato "Babalu" Sobral und GG Allin vor vielen Jahren ein gemeinsames Baby bekommen. "Ein Kreuz und ein Pentagramm im MMA-Käfig", meinte KSW-Mitgründer Maciej Kawulski vor dem Kampf. "Kinder sollten diesen Kampf nicht ohne ihre Eltern sehen." Dieser Kampf war schon nach 16 Sekunden vorbei. Der Satanist gewann durch einen Faceplant-KO. Von den insgesamt elf Kämpfen auf der Fight Card war mehr als die Hälfte beendet, noch bevor die dystopische Stimme die zweite Runde einläuten konnte.

Doch es gab eine andere, größere Zahl, die Aufmerksamkeit verdient: Denn laut den KSW-Organisatoren füllten rund 58.000 Kampfsport-Fans das Stadion. Das liegt zwar deutlich unter dem Weltrekord für einen MMA-Fight (71.000 Zuschauer bei einem Shockwave-Event von Pride und K-1 in Japan), dafür aber über der UFC-Höchstmarke von 56.214 Fans 2015 in Melbourne, als sich Australien nicht entgehen lassen wollte, wie Holly Holm bei der UFC 193 Ronda Rousey ohnmächtig kickte.

Schon seit März hat die KSW verkündet, den Publikumsrekord der UFC anzupeilen. Ob die endgültige Zuschauerzahl einer gründlichen Prüfung standhält, bleibt abzuwarten. So hieß es aus Japan auch erst, dass beim Shockwave 91.000 Zuschauer gezählt worden seien, bis die Zahl dann am Ende um 20.000 Zuschauer nach unten revidiert werden musste. Doch die ausverkauften Stadionränge bei den Zuschaueraufnahmen stärken zumindest die KSW-Schätzungen.

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Bei all dem Zirkus und Fokus auf abnormale Muskelberge boten die KSW-Organisatoren nicht wirklich etwas Neues, das diesen Meilenstein erklären könnte. Ein Mix aus Freakshow und No-frills-Wettkämpfen war auch bei Pride alltäglich, und auch bei Rizin Fighting Federation und Bellator sind sie nach ähnlichem Muster vorgegangen. Von Sponsorenlogos als vorübergehende Tattoos bis hin zu Kauderwelsch-Kommentatoren, wenn du Polnisch nicht verstehst: KSW ist so komisch und exotisch wie seine japanischen Kollegen.

Und auch ähnlich unterhaltsam. Pudzianowski dominierte, Norman Parke wurde in den Finger gebissen, es gab eine Menge KOs und TKOs, fünf Titelkämpfe und drei Showkämpfe, die schon nach kurzer Zeit beendet waren. Ein halbwegs talentierter Ringer mit anständiger Kondi und einem guten Heel Hook würde die Schwergewichtstruppe von KSW kaputtmachen, aber das ist nicht der Punkt. Als Popek Monster den litauischen Bodybuilder Robert Burneika auf schnelle, witzige und brutale Weise niederstreckte, war es die Freakshow-Form in Perfektion.

Was bedeutet das also, dass 58.000 Menschen sich das angeschaut haben? Wir MMA-Fans, also diese genauso breite wie unbestimmte Gruppe von Menschen, haben keinen klar definierten Geschmack. Abhängig vom Wettkampf wollen wir mal den Besten gegen den Besten, mal den Freakigsten gegen den Verrücktesten, mal Jungspund 1 gegen Jungspund 2 und mal Jungspund 3 gegen einen alten Hasen kämpfen sehen. Und manchmal wollen wir auch, dass sich ein Champion im Leichtgewicht an einen deutlich stärkeren Gegner für ein bedrückendes Pay-per-view-Erlebnis herantraut. Wir sind oft keine Freunde tiefgreifender Introspektion. Wir wissen oft selbst nicht, was wir wollen. Aber wenn die Zahlen stimmen, dann wissen das dafür die Jungs von KSW ziemlich genau.