FYI.

This story is over 5 years old.

Tattoos bei Fußballern

Wie viele Bundesligaspieler sind eigentlich tätowiert?

Wir haben bei allen 508 Erstligaprofis nachgezählt.
"Gesamtkunstwerk" Arturo Vidal vom FC Bayern München | Foto: imago | Eibner

Leroy Sané trägt ein Bild von sich selbst auf dem Rücken, Lionel Messi hat sich einen Stutzen stechen lassen und Jérôme Boateng seinen Familienstammbaum. Gefühlt hat fast jeder Fußballer Tattoos, man sieht sie auf den Spielfeldern in der Bundesliga oder bei Weltmeisterschaften. Obwohl jeder über die gestochenen Motive redet, hat noch niemand statistisch erfasst, wie viele Fußballer tatsächlich tätowiert sind.

Anzeige

Laut einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov aus dem Jahr 2015 tragen 15 Prozent aller Deutschen ein Tattoo – darunter Studenten, Handwerker und Ärzte. Besonders hoch liegt der Anteil bei den 25- bis 34-Jährigen, von denen mehr als jeder Vierte (28 Prozent) tätowiert ist. Bei den 18- bis 24-Jährigen sind es noch nicht einmal halb so viele (12 Prozent). Aber wie sieht die Quote bei Fußballern in der Bundesliga aus?

Um herauszufinden, wie viele Spieler Tattoos tragen, haben wir einfach selbst nachgezählt – und unsere Ergebnisse von einem Experten interpretieren lassen.

Um eine Datengrundlage zu schaffen, haben wir uns alle Spieler der ersten Bundesliga vorgenommen, jeweils die aktuellen Kader aus der Saison 2017/18. Auf den Websites der Vereine haben wir jeden Spieler gesammelt, der unter dem Mannschaftsfoto oder in der Kaderbeschreibung vermerkt war. Insgesamt scannten wir 508 Spieler aus 18 Mannschaften.

"Vielleicht sollte man mal Frau Merkel fragen, die ist ja gelegentlich in den Spielerkabinen."

Aber zunächst interessiert uns, warum sich Fußballer überhaupt tätowieren lassen. Dazu haben wir den Sportsoziologen Hans-Jürgen Schulke befragt, der unter anderem den Einfluss von Medien auf den Sport untersucht hat. Er schätzt, dass um die 70 Prozent der Fußballer tätowiert sein könnten, weil viele Motive von Trikots oder Hosen verdeckt werden. "Vielleicht sollte man mal Frau Merkel fragen, die ist ja gelegentlich in den Spielerkabinen."

Anzeige

Auch bei VICE: Was Tattoos heutzutage noch bedeuten können


Da wir, anders als die Kanzlerin, nicht in die Kabinen kommen konnten, haben wir uns im Internet umgeschaut. In der Regel reicht ein Blick auf den Instagram-Kanal eines Spielers aus, ansonsten hilft die Google-Bildersuche. Ein Lob geht übrigens raus an Borussia Mönchengladbach, die die Social-Media-Kanäle ihrer Spieler auf ihrer Website verlinken. Natürlich haben nicht alle Profis einen Instagram-Account und selbst dort kriegt ein Tattoo-Fanboy kaum einen Spieler komplett zu sehen. Deshalb sind uns wahrscheinlich einige kleinere Tätowierungen durch die Lappen gegangen. Vielleicht müssten wir wirklich erst eine Cola trinken, um so in die Werbe-Fantasiewelt mit Manuel Neuer zu schlüpfen und unter der Dusche nachzuschauen, wo er seine Tattoos versteckt hat. Trotzdem bekamen wir etliche Körperverzierungen zu sehen und können euch jetzt sagen, wie hoch die Quote an Tattoos in der Bundesliga MINDESTENS ist.

Unsere Recherche hat ergeben: Von den 508 Spielern, die zwischen 17 (Jadon Sancho) und 37 Jahre (Jaroslav Drobny) alt waren, haben mindestens 27,75 Prozent ein Tattoo. Damit liegt die Zahl in etwa so hoch wie im Bundesdurchschnitt der 25- bis 34-Jährigen. Da trotz minutiösem Körperscan einige Hautbemalungen für uns wahrscheinlich nicht zu sehen waren, kann vermutet werden, dass die Quote noch höher liegt.

Einige Spieler wollen sich über Tattoos ein Image aufbauen

Auffällig ist: Der 0815-Bundesligaprofi trägt einen vollgehackten "Tattoo-Arm". Warum? "Profifußballer befinden sich in einem extremen Kollektivierungszwang", so Hans-Jürgen Schulke. "Sie gehören alle dem gleichen Verein an und tragen, wie eine Uniform, alle dieselbe Kleidung." Durch die Tätowierungen könnten sie sich ein Stück Individualität schaffen. Dass sich einige Arme trotzdem ähnlich sehen, liege schlicht an der Masse von Tattoos. "Da wird der Hype der Individualisierung wieder zur Uniformierung." Besonders beliebt: Geburtsdaten von Familienmitgliedern und religiöse Symbole.

Besonders kreativ: BVB-Star Marco Reus tätowierte sich seinen Vornamen und sein Geburtsdatum auf den Unterarm | Foto: imago | Moritz Müller

Anzeige

Trotzdem offenbarten die Yacht-Selfies auf Ibiza und die obligatorischen Touri-Fotos vor dem Luxushotel Burj al Arab in Dubai, dass es offensichtlich Profis gibt, die sich bewusst nicht tätowieren. Der Soziologe Schulke deutet dies als Zeichen der Souveränität, die Spieler orientierten sich trotz des Drucks, in der Öffentlichkeit zu stehen, nicht einfach an jeder Mode. Andere Spieler versuchten, gezielt durch Tattoos ein Image aufzubauen. "Ein Beispiel ist Arturo Vidal von Bayern München", sagt Schulke. Sein Körper wird unter anderem von einem Spiderman-Tattoo verziert, seine Haare trägt er als Irokesenschnitt. "Er ist sicherlich ein guter Fußballer, sein Image generiert er aber selbst mit seinem Haarschnitt und den Tattoos. Dazu kommt noch seine robuste Art, Fußball zu spielen, somit stilisiert er sich zum 'Krieger'."

Wie gewohnt konnten es sich die Bayern nicht nehmen lassen, die Führung für sich zu beanspruchen, und haben auch in unserer Untersuchung den ersten Platz geholt. Von 26 Spielern haben wir bei elf ein Tattoo entdeckt. Damit liegt die Quote von tätowierten Bayern-Spielern bei mindestens 42 Prozent. Die unberührteste Haut haben die Spieler von RB Leipzig zu bieten, dort haben wir unter 25 Spielern nur zwei mit Tattoos gefunden.

Für Hans-Jürgen Schulke ist Tätowieren auch eine Art des Zeitvertreibs. "Tattoos zu erstellen, hat einen gewissen Unterhaltungswert und auch einen Spannungsmoment, wenn man unter der Nadel liegt und auf das Ergebnis wartet." Und Fußballer hätten neben den Trainingseinheiten im Verein relativ viel Freizeit, sagt Schulke. "Dann ist es natürlich kein Problem, auch mal drei bis vier Stunden zum Stechen zu gehen."

Die "Beckhamisierung" setzt den Modetrend

Trotzdem kann Schulke sich vorstellen, dass die Anzahl von Tattoos auch wieder abnehmen wird. Der große Hype habe mit der "Beckhamisierung des Fußballs" begonnen, seit tätowierte Fußballer als Werbeikonen inszeniert werden. "Das ist Teil der Mode und die ändert sich irgendwann wieder. In Zukunft gibt es vielleicht andere Trends, die mehr in Richtung Bekleidung gehen. Vielleicht wird auch die Digitalisierung spezielle Möglichkeiten der Selbstdarstellung übernehmen."

Wie auch immer die Zukunft aussehen wird, Tattoos bleiben der Bundesliga erstmal erhalten, mindestens bis die tätowierte Generation zu alt für die Profiliga ist. Und auch wenn wir einen ersten Versuch gestartet haben, alle Spieler mit Tintenzeichnungen zu erfassen, gibt es keine endgültigen Zahlen. Wer sich also angespornt fühlt, eine empirische Bachelorarbeit zu verfassen, die den psychologischen Aspekt von Tätowierungen untersucht: Los geht's. Du kannst ja mal bei den Bundesligavereinen anfragen, ob du für eine genau Zählung mit zum Duschen kommen darfst. Es wäre ein Dienst für die Wissenschaft!

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.