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Belgien

Der Diktator ist fort—wie John Bico den ältesten Verein Belgiens regierte

John Bico holte Franck Ribéry von der Baustelle und war tyrannischer Berater der Hazard-Brüder. Seine Methoden sind gefürchtet. Beim altehrwürdigen Royal Antwerpen lehnten sie sich gegen den Franzosen nun auf.
Foto: Imago

„Man musste Bico folgen oder man war raus. Aber gut, die Diktatur ist jetzt vorbei", erklärte gestern ein erleichterter Steve Colpaert, Kapitän des belgischen Zweitligisten Royal Antwerp FC, in Het Nieuwsblad. Kurz zuvor beendete der älteste Fußballverein Belgiens die Zusammenarbeit mit Teammanager John Bico-Penaque. Der 42-jährige Franzose wurde erst vor einem Monat ziemlich überraschend und unter massiven Fanprotesten beim Traditionsverein vorgestellt. Dem Entdecker von Franck Ribéry eilte ein besonders übler Ruf voraus, den er—zur Überraschung des Klubbosses—wieder mal bestätigte.

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„Niemand ist größer als der Verein", ist so eine gängige Floskel in der Fußballwelt. Beim Royal Antwerp FC dachte man dies auch. Auf dem Wappen des 1880 gegründeten Klubs prangt stolz nur die Zahl 1—es ist ein Hinweis auf die in Belgien so prestigeträchtige Stammnummer des Fußballverbandes, die dieser an seine Mitgliedsvereine in der Reihenfolge ihrer Anmeldung vergibt. Mit durchschnittlich 10.529 Zuschauern im altehrwürdigen Bosuilstadion gehört der Klub trotz elendiger Zweitligatristesse in der neugegründeten Division 1B zu den Top-7-Zuschauermagneten in Belgien. „The Great Old" erreichte 1993 als letzter belgischer Klub mit dem Finale im Europapokal der Pokalsieger (1:3-Niederlage gegen den AC Parma im Wembley-Stadion) ein Endspiel in einem europäischen Wettbewerb. Nach dem Mäzen-Einstieg von Patrick Decuyper am Anfang der vergangenen Saison wollte der Klub nach Jahren in der zweiten Division endlich wieder zu alter Stärke gelangen—was Bico schon damals vermasselte.

In einem engen Kopf-an-Kopf-Rennen kämpfte Antwerpen in der letzten Saison mit der KAS Eupen und White Star Brüssel um den Aufstieg in die erste Division. Am Ende entschied der kleine Brüsseler Klub das Rennen—vor durchschnittlich 238 Zuschauern und unter einem Herrscher namens John Bico. Der Franzose mit kamerunischen Wurzeln hatte sich bei dem Verein eingekauft und agierte gleich mal als Klubboss und Trainer. Die belgische Medienlandschaft berichtete derweil von ziemlich obskuren Methoden. Spieler und Insider berichteten laut transfermarkt.de von einem fragwürdigen Strafenkatalog, ständigen Drohungen, Erpressung und sogar der Anwendung von Voodoo zu Beeinflussung der afrikanischen Spieler. Durch seine Kontakte in die Beraterszene rotierte er seine Spieler zwischen Tribünensitz und Stammplatz.

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Bico feiert den vermeintlichen Aufstieg von Brüssel

Der sportliche Aufstieg wurde jedoch vom belgischen Fußballverband annulliert, der dem Brüsseler Verein keine Lizenz erteilte. Stattdessen stieg das katarische Farmteam der KAS Eupen in die erste Division auf. Bico polterte, sprach von „Sabotage" und gar von einer „versteckten Kamera". Doch der Verein war pleite. Nicht nur die aktuelle Mannschaft erklärte, dass sie seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen hatte. Dies soll über Jahre gängige Praxis beim Brüsseler Bico-Klub gewesen sein. So meldete sich auch Michael Ratajczak—ehemaliger Keeper von Fortuna Düsseldorf und dem MSV Duisburg—, dem der belgische Hauptstadt-Klub nach seinem halbjährigen Intermezzo im Jahr 2013 noch einen sechsstelligen Betrag schuldete. „Als er den Klub verließ, hinterließ er einen finanziellen Scherbenhaufen", erklärt Mike Notermans, Sportredakteur der belgischen Zeitung Grenz-Echo im Gespräch mit VICE Sports. „Als er weg war, waren unter anderem Fördergelder der Gemeinde Brüssel unauffindbar." Wieso der Verein überhaupt so lange in der zweiten Liga überlebt hat und sogar oben mitspielte, lag vor allem an Bicos exzellenten Kontakten in der Fußballwelt.

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Bico ist ein guter Freund von Spielerberater Mogi Bayat, der laut dem belgischen Magazin Bruzz bei fast allen großen Transfers im belgischen Fußball beteiligt ist und Bico immer wieder ominöse Spieler-Wechsel ermöglichte, die ihn zu Geld brachten. Der stämmige Franzose gilt als der Entdecker von Bayern-Star Franck Ribéry. Nachdem dieser in der dritten französischen Liga für Alès kickte und damit sein Gehalt als Bauarbeiter ausbesserte, lotste Bico Ribéry nach einer Station in Brest zum FC Metz und anschließend zu Galatasaray. Dann der Bruch, Bico und Ribéry trafen vor Gericht aufeinander. „Er kam zu meinem Haus, klopfte an mein Fenster und drohte, mein Auto mit einem Baseballschläger zu zerstören", erklärte Ribery laut Bruzz gegenüber Sky Sports.

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Ebenfalls war Bico lange Zeit Berater der Hazard-Brüder Thorgan und Eden. Er tütete Edens Wechsel zu Chelsea ein, für den damals erst 20-jährigen und aufstrebenden Thorgan forderte er unter anderem auch mal lautstark die Kapitänsbinde bei Zulte-Waregem ein und drohte mit Wechsel—bis alle Mitspieler dagegen protestierten. Weil die FIFA ihm verbot, Berater und Trainer in Personalunion zu sein, gab er die Arbeit mit den Hazards auf. Die Kontakte blieben. „Ein verrückter Fantast ist wohl die beste Umschreibung für diesen Mann. Aber immerhin ist er mit White Star Brüssel sportlich gesehen Meister geworden", erklärt der belgische Sportredakteur Notermans, der Bicos Aktionen im belgischen Fußball beobachtet hat.

Der Royal FC Antwerpen galt zu Beginn der laufenden Saison mit verstärktem Kader und neuem Trainer als Topfavorit für den Aufstieg. Nach enttäuschenden Resultaten wurde der bisherige Trainer jedoch ausgetauscht und Vereinsboss Decuyper zauberte ausgerechnet Bico als Manager aus dem Hut. Der nahm einfach mal den Antwerpener Vorjahres-Trainer David Gevaert mit. Die Fans des Traditionsvereins gingen wegen der brisanten Personalie Bico auf die Barrikaden, doch Decuyper blieb bei seiner Entscheidung—und Bico bei seinen Methoden.

John Bico maakt kennis met de hevige aanhang van @official_rafc. #antcer pic.twitter.com/l2W7WbXo6j
— Robbe van Lier (@RobbevanLier) 13. November 2016

Nach einigen Rotationen liebäugelten schon die ersten Spieler mit Wintertransfers. „Bico soll nach dem Training schon nach nur zwei Wochen seinen Mittelfeldspieler Stallone Limbombe vor versammelter Mannschaft eine Ohrfeige gegeben haben", erklärt Notermans. Mit Isaac Koné stand sogar plötzlich ein Ex-Spieler von Bico aus Brüssel auf dem Platz, obwohl seine Verpflichtung noch gar nicht bekannt gegeben wurde. Mit Jeffrey Rentmeister hatte Bico auf einmal einen neuen Co-Trainer engagiert, der jedoch eigentlich noch bei einem Drittligisten als Aktiver unter Vertrag stand. Kurze Zeit später trat Trainer Gevaert zurück.

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Foto: Imago

Bico sorgte anschließend vor seinem Rausschmiss noch für eine weitere Kuriosität. Zusammen mit dem beförderten Co-Trainer Sadio Demba, den Bico aus seiner Zeit bei White Star kannte, soll er laut White-Star-Jugendkoordinator Alami Saouti bei seinem Ex-Klub aufgetaucht sein und eine Kasse mit den Einnahmen der Jugendspiele mitgenommen haben, wie Het Laatste Nieuws berichtet. Beim Spiel gegen Cercle Brügge drohten hunderte Antwerpener Fans mit einem Platzsturm, wenn Klubboss Decuyper Bico nicht feuern würde. Am Dienstag stellte der Royal Antwerp FC dann Bico und das verbliebene Trainergespann frei. Es folgte eine Entschuldigung von Decuyper:

Ich kenne Bico schon länger und um ihn herum hat man in der Öffentlichkeit versucht ein Bild zu kreieren, das ihm allerdings egal war. Aber ich habe einen Fehler gemacht, weil ich das unterschätzt habe. Wir haben die Botschaft der Fans gehört. Niemand steht über den Interessen des Klubs und die Einheit war durch seine Anstellung verloren gegangen. Deshalb musste Bico weg.

Das Team ist nach diesen turbulenten Wochen mehr als dankbar. „Die Erleichterung ist groß. Bei den Fans, aber auch bei einigen Spielern", so Kapitän und Abwehrspieler Colpaert. „Es sind unglaubliche Sachen passiert. Wir haben auch gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann, aber als Gruppe dagegen aufzustehen, war unmöglich." John Bico wird bestimmt irgendwann zurückkommen und wahrscheinlich erneut über den Interessen eines anderen Klubs stehen.

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