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Autobiografie

Wie Inters PR-Versagen seinen Kapitän zum Hassobjekt der Ultras werden ließ

Inter-Star Mauro Icardi hat in seiner Biografie sehr dumme Sachen geschrieben, wie Todesdrohungen an die eigenen Ultras. Doch der eigentlich Dumme war der Verein.
Foto: Imago

Bei Inter Mailand brennt der Baum. Nicht nur, dass man mal wieder in der Serie A nach acht Spieltagen lediglich auf Platz 11 steht. Zwischen Kapitän und Ultras herrscht Eiszeit. Eiszeit mit hochkochenden Emotionen und Todesdrohungen. Und das alles nur, weil Inters PR-Abteilung wohl zu faul war, eine Spieler-Biografie vor ihrer Veröffentlichung nach möglichen Brandherden abzusuchen.

Angefangen hat alles mit einer Auswärtspleite bei Sassuolo in der Saison 2014/15. Nach Spielende ist der argentinische Inter-Spielführer Mauro Icardi mit einem Teamkamerad zu den mitgereisten Fans gelaufen, um sich deren Kritik zu stellen. Als er dann sein Trikot in die Menge warf, flog das Textilstück umgehend Richtung Kapitän zurück. Ein heftiges Wortgefecht mit der einen oder anderen Unnettigkeit folgte. Später soll er nochmal zu den Fans in die Kurve zurückgekehrt sein, wo sich die Gemüter wieder beruhigten. Seitdem ist reichlich Gras über die Sache gewachsen.

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Bis Icardis Autobiografie, Sempre avanti („Immer nach vorne"), so ziemlich jeden Grashalm, der den an sich harmlosen Vorfall bedeckt hatte, mit Vehemenz wieder rausgerissen hat. Denn Icardi schrieb so gar nicht diplomatisch: „Ich zog mein Trikot aus und gab es einem Kind. Es ist eine Schande, dass ein führender Ultra dann zu dem Kind gestürmt ist, ihm das Trikot aus den Händen riss und voller Verachtung in meine Richtung zurückwarf. (…) Ich hätte ihm am liebsten eine runtergehauen. Darum begann ich auch, ihn zu beschimpfen: ‚Du Stück Scheiße, du machst hier vor einem Kind einen auf große Hose, um vor der Curva anzugeben. Du solltest dich schämen.'"

Bei der Vorstellung seiner Autobiografie; Foto: Imago

Im Anschluss an den Vorfall warnte ihn sein Verein, dass er möglicherweise mit wütenden Ultras vor seinem Anwesen rechnen müsse. Was er in seiner Autobiografie wie folgte kommentierte:

„Ich bin bereit, mich jedem einzelnen von ihnen zu stellen. (…). Wie viele gibt es von ihnen? 100? 200? (…) Ich hole mir 100 Kriminelle aus Argentinien, die sie auf der Stelle umbringen werden."

Autsch. Ein Kapitän, der damit droht, Fans seines eigenes Vereins töten zu lassen. Auch wenn diese Aussage viele Fragen aufwirft, so ist doch die entscheidende: Wie konnte Inter Mailand zulassen, dass ihr Kapitän eine solche Textpassage drucken lässt? Hat Inters PR-Abteilung sich echt nicht die Mühe gemacht, Icardis Autobiografie vor der Veröffentlichung nach möglichen Reibungspunkten—oder wenigstens Todesdrohungen (!)—abzusuchen? Wie dem auch sei, Icardi ist bei vielen Ultras unten durch. Und das ist noch gelinde ausgedrückt. Dieses Banner hing neulich vor dem Anwesen des Argentiniers.

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The banner outside Mauro Icardi's home. 'We're here. When will your Argentine friends arrive, will you warn us or do it like a coward?' — Squawka News (@SquawkaNews)October 16, 2016

Und auch im Stadion ist die Stimmung nicht gerade pro Capitano. Wie auf diesem Banner, wo er aufgefordert wird, die Binde abzunehmen:

Foto: Imago

Übrigens hat die PR-Abteilung von Inter nicht nur darin versagt, die Autobiografie unverändert in den Druck geben zu lassen. Man hat auch viel zu spät auf die Ultra-Aufruhr reagiert. Anfang letzter Woche kam das Buch in Italien auf den Markt. Erst am Sonntag teilte der Verein mit, mit Icardi sprechen zu wollen: jedoch nicht vor Montag. Icardi selbst hat vor dem Spiel gegen Cagliari am Wochenende versucht, die Wogen mit den Ultras wieder zu glätten. Indem er versichert hat, die 100 argentinischen Killer hätten ihn nicht vor den Ultras, sondern vor gewaltbereiten Hools schützen sollen, schließlich liebe er ja seine Curva Nord. Außerdem unterstrich er in einem langatmigen Instagram-Post, dass für ihn Inters Kapitänsbinde die Erfüllung eines Kindheitstraums bedeuten würde.

Wie sehr sich ein Großteil der Ultras davon besänftigen ließ, zeigten indes die Banner beim Cagliari-Heimspiel. Und als Icardi dann auch noch einen Elfmeter verschoss, gab es viele höhnische Reaktionen im Publikum.

— Enjoy Inter News (@EnjoyInterNews)October 16, 2016

Und es stand die Frage im Raum: Warum ließ Trainer Frank de Boer Icardi überhaupt erst den Elfer schießen? Nicht nur, dass der in zwei der letzten drei Versuche vom Punkt gescheitert ist. In der jetzigen Situation, wo er so offen im medialen Dauerbeschuss und im Clinch mit der Curva Nord steht: Wäre es nicht cleverer gewesen, ihn vor weiterem Hohn zu schützen?

Doch genau diesen Schutz hat man ihm auch schon nicht gewährt, als er seine Autobiografie in der jetzigen Form veröffentlichen durfte. Und ihn damit ins offene Messer rennen lassen. Dumm und dümmer.