FYI.

This story is over 5 years old.

england

Durfte der Schiedsrichter überhaupt auf Fatih Terims Smartphone gucken?

Weil Harry Kane ein Abseitstor gegen die Türkei schoss, holte der türkische Trainer Fatih Terim ein Smartphone raus und zeigt dem 4. Offiziellen, dass der Schiri falsch lag. Wir haben Collins Erben gefragt, ob er das durfte.
Foto: Screenshot

Beim 2:1-Sieg von England im Testspiel gegen die Türkei kam es zu einer kuriosen Aktion. Nach dem 1:0 hat Fatih Terim, Trainer der türkischen Nationalmannschaft, dem 4. Offiziellen ein Smartphone in die Hand gedrückt. Darauf zu sehen ist die Spielszene zum 1:0 und ein Beweis, dass Harry Kane bei seinem Tor eigentlich im Abseits stand. Doch durfte er das überhaupt? Schließlich hätte er dem Schiedsrichter mitteilen können, dass er daneben lag. Somit wäre die Gefahr für eine Konzessionsentscheidung definitiv da gewesen. Alex Feuerherdt ist ein Teil des Schiedsrichterpodcasts Collinas Erben. Wir haben ihn zur Aktion von Fatih Terim und dem Videobeweis allgemein befragt.

Anzeige

Geil: Fatih Terim zeigt Daniel Siebert auf seinem Smartphone das Abseits vor dem England-Tor. — Fatih Demireli (@DemireliDE)22. Mai 2016

VICE Sports: Was sagt das Regelbuch—hat der 4. Offizielle alles richtig gemacht, als er sich die Fehlentscheidung angeschaut hat?
Alex Feuerherdt: Der 4. Offizielle hat gut und richtig reagiert, weil er zur Deeskalation beigetragen hat. Er hat das Smartphone an sich genommen und soweit ich weiß, ist es konfisziert und erst nach Spielschluss zurückgegeben worden. Er darf sich die Szene natürlich nicht angucken, beziehungsweise sich in seinen Entscheidungen davon nicht beeinflussen lassen. Es gab auch schon Situationen in der Bundesliga, in der Szenen auf der Videoleinweind gezeigt wurden. Da wurde dann darüber gesprochen, ob Schiedsrichter es gesehen haben und sehen sollten. Das ist aber irrelevant, solange der Videobeweis nicht offiziell eingeführt ist, ist für den Schiedsrichter und seine Assistenten der Gebrauch von Hilfsmitteln tabu.

Sollte man Fatih Terim für seine Aktion bestrafen?
Es ist immer die Frage, in welcher Art und Weise der Trainer mit dem Schiedsrichter und seinen Assistenten umgeht. Die Aktion fällt allgemein unter die Kategorie Fehlverhalten von Trainern. Ich finde Terim hat das relativ unspektakulär gemacht, er geht hin überreicht ihm das Smartphone und lässt ihn nachgucken. Es ist kein grob unsportliches Verhalten zu erkennen, das eine Verbannung aus dem Innenraum nach sich ziehen müsste.

Gibt es überhaupt Regeln bezüglich Smartphones und anderer technologischer Hilfsmittel? Wurde auf diese Möglichkeiten bei den Regeländerungen für kommende Saison eingegangen?
Anfang März hat das International Football Association Board auf ihrer jährlichen Konferenz grundsätzlich beschlossen, dass Videotechnologie zwei Jahre getestet werden soll. Das betrifft Mitgliedsländer, die sich für den Videobeweis interessieren. Die DFL hat Interesse angemeldet, also kann man davon ausgehen, dass es auch in Deutschland Tests geben wird. Die Testphase soll bis spätestens 2017 oder 2018 beginnen, vermutlich wird in einigen Ländern schon in der Saison 2016/17 getestet.

Wie soll der Videobeweis umgesetzt werden?
Dazu soll ein zusätzlicher Videoschiedsrichter, beziehungsweise Videoassistent eingeführt werden. Dieser wird sich im Stadion, möglicherweise in einem Übertragungswagen der Sender, aufhalten, das Spiel überwachen und dem Schiedsrichter in bestimmten Situationen Hinweise geben. Der Anwendungsbereich für den Videobeweis wurde auch schon festgelegt. Bei Strafstößen, Platzverweisen und Toren, sowie Kartenvergaben, bei denen die Möglichkeit einer Verwechslung besteht, wird eine routinemäßige Kontrolle stattfinden. Der Schiedsrichter hat die Möglichkeit diese Entscheidung zu übernehmen oder sich die Szene selbst noch einmal anzusehen. Nach einer zweijährigen Testphase wird über eine generelle Einführung entschieden. Eine Szene wie die beim Spiel England-Türkei wird es aber definitiv nicht mehr geben.