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Deutschland

Sich über Söders Özil-Tweet aufzuregen, ist unnötig und genau das, was er will

Söder forderte, dass Özil nie mehr Elfmeter schießen sollte. Darauf müssten sich alle einigen können, oder?
Screenshot: twitter.com/Markus_Soeder

Als Jonas Hector den Ball unter Gigi Buffons Hände zum entscheidenden Elfmeter versenkte, jubelten 27,8 Millionen Menschen vor den Bildschirmen. Danach passierte, was bei so einem Ereignis immer passiert: Die sozialen Medien wurden überflutet von Jubelstürmen, Schmähkommentaren und mehr oder minder intelligenten Sprüchen. In der Hitze des Twitter-Gefechts funktionieren in der Regel Tweets mit Witz und Photoshop-Skills, oder eben ein klarer und meist querer Gedanke. Diesem Volksverteter muss man das nicht mehr erklären:

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Unsere Mannschaft muss zeigen, was in ihr steckt. Wünschen uns eine spielfreudige u entschlossene Truppe. #EM16 pic.twitter.com/FSgCZCnn6u
— Markus Söder (@Markus_Soeder) 21. Juni 2016

Markus Söder kennt all diese Social-Media-Arithmetiken. Der bayrische Finanzminister ist verdammt höchst über Facebook und Twitter. Söder ist so geil auf Macht, dass er eigentlich schon längst Bayern regieren müsste, wenn sich nicht Horst Seehofer als bayrisches Gewissen in der Flüchtlingskrise hätte profilieren können. An Söders Internet-Skills liegt es zumindest nicht. Er weiß zum Beispiel, man einen URL-Link ändert und sexy macht. Sein schnarchiges Politiker-Profil auf der Web-Präsenz vom „Bayrischen Staatsministerium der Finanzen für Landesentwicklung und Heimat" verkauft er auf Twitter als soeder.de.

Söder macht es nach dem Fler-Prinzip: Jede Presse ist gute Presse. Anders ist wohl das hier auch nicht zu erklären:

Derzeit ist er immer noch in aller Munde für den Tweet, den er nach dem Viertelfinale absetzte:

Hallo @Markus_Soeder. Warum haben Sie diesen Tweet erst geschrieben - und dann gelöscht? #GERITA #Özil pic.twitter.com/sFrsDpOZ4o
— Oliver Das Gupta (@oliverdasgupta) 2. Juli 2016

Es folgte ein offensichtlicher Shitstorm.

Schwache Leistung Väterchen:Lassen Sie Kommentare lieber junge Politiker machen.Sie haben verschossen.@Markus_Soeder pic.twitter.com/UOePCpyr2A
— Helles Sachsen (@Helles_Sachsen) 3. Juli 2016

@Markus_Soeder Sie gerade so pic.twitter.com/jCk7yCaFBM
— Ali (@ssjali) 2. Juli 2016

Der löschte den Tweet (selten eine gute Idee) und relativierte seine Aussagen. Dabei muss die Frage erlaubt sein, mit welcher Begründung er einen Shitstorm verdiente. Natürlich hätte Söder nicht den Deutsch-Türken Özil als Beispiel nehmen müssen, sondern die beiden Kernbayern Müller und Schweinsteiger rügen können. Die hatten schon wieder wichtige Elfmeter verschossen. Außerdem hatte Özil ein sehr gutes Spiel gemacht und ein wunderbares Tor geschossen. Doch: Wer in zwei aufeinanderfolgenden Turnier-Spielen zwei Elfmeter daneben setzt, der braucht in nächster Zukunft keine mehr zu schießen. Darauf sollte sich jeder einigen können. Warum er den die-Nationalhymne-nicht-mitsingenden Özil nannte, kann man sich denken, muss man aber auch nicht, weil es nur mühselig ist. Die heftigen Kommentare auf den Tweet entsprechen wohl Söder gewünschter Reaktion auf sein solches Spiel mit dem Feuerchen, das der Politiker-Profi offensichtlich so in Wallung bringt. Am Ende wird ihn wohl kaum die Twitter-Intelligenz wählen wollen, sondern diejenigen, die sich über genau solche zittrigen Reaktionen aufregen. Und die sehen das so: Auch „der Türke" sollte nicht unter Artenschutz stehen. Faktisch kann man dagegen nur schwer argumentieren.