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jogi löw

„Wir für euch, ihr für uns"—warum nicht zu viel in Jogis T-Shirt-Wahl interpretiert werden sollte

Weil Löw ein Shirt mit Nazi-Spruch getragen haben soll, empört sich das Internet. Dabei ist der Slogan älter als die Nazis und wurde schon von Stuttgart-Profis gesungen.
Screenshot: facebook.com/was.ist.das.fuer.1life

Im Internet macht ein Bild die Runde, das für viel Verwirrung sorgt. Auslöser dafür ist ein Foto, das die Facebookseite „Was ist das für 1 life?" gestern Nachmittag veröffentlicht hat. Es zeigt Bundestrainer Jogi Löw in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Wir für euch, ihr für uns". An Jogis Kleiderwahl stören sich viele Leute, wie ein Blick in das Kommentarfeld zeigt. Was an diesem Spruch problematisch ist, wird auf der rechten Seite des Bildes deutlich: Es zeigt einen Wehrmachtssoldaten und einen Arbeiter zusammen mit dem Motto „Ihr für uns! Wir für euch!". Kann es sein, dass Löw Nazi-Propaganda spazieren trägt? Eins nach dem anderen.

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Natürlich ist die T-Shirt-Wahl angesichts dieses historischen Bezugs unglücklich. Ganz offensichtlich wurden schon zu Nazizeiten mit diesen Worten Solidarität und Gemeinschaft versprochen bzw. eingefordert. Andererseits muss man sagen, dass der Spruch zwar in Nazikreisen bekannt zu sein scheint, aber definitiv nicht zu solchen gehört, die Otto Normalverbraucher mit der NS-Ideologie in Verbindung setzen würde, wie etwa „Arbeit macht frei", „Kraft durch Freude" oder auch „Heim ins Reich".

Außerdem sollte aufmerksamen Beobachtern aufgefallen sein, dass es auf Jogis Shirt „Wir für euch, ihr für uns", und nicht „Ihr für uns! Wir für euch" wie auf dem Naziplakat, heißt—die Reihenfolge der zwei Teilaussagen ist also spiegelverkehrt. Klar könnte man uns vorwerfen, dass das Korinthenkackerei ist—aber ist das in gewisser Hinsicht nicht auch der erzwungen wirkende Vergleich zwischen Jogis Shirt und dem Spruch?

Übrigens ist der Spruch auch keine Erfindung der Nazis, denn laut dem Historiker und Kommunikationswissenschaftler Rainer Gries wurde der Slogan auch schon im Ersten Weltkrieg verwendet, um die Massen zu mobilisieren. Was nicht heißen soll, dass sich später die Nazis seiner nicht bedient hätten. Eine Feldpostkarte aus dem Jahr 1940 zeigt zwar ein anderes Motiv auf, ist aber mit demselben Spruch versehen.

Derselbe Spruch (oder leichte Abwandlungen) wurde auch schon für bzw. von deutschen Fußballvereinen verwendet. So gibt es unter anderem eine gleichnamige Fanhyme von Bayer 04 Leverkusen und einen Song von Spielern des VfB Stuttgart (der bereits mit dem wirklich geschmacklosen Motto „furchtlos und treu" für Negativschlagzeilen sorgte). Auch HSV-Fans haben ihn schon verwendet. Das zeigt nicht, dass der Fußball ein Naziproblem hat, sondern vielmehr, dass die Botschaft einfach gut zum Fußball passt. Fußball ist immer auch eine Symbiose zwischen Anhang und Spielern, ein Geben und Nehmen. Die einen (im besten Fall zumindest) geben alles für den anderen.

Übrigens hat 1996 auch die deutsche Oi!-Band Loikaemie ein Album mit dem Titel Ihr Für Uns Und Wir Für Euch" herausgebracht, die sich von neonazistischer Ideologie distanziert.

Und sind wir mal ehrlich. Der Spruch „Wir für euch, ihr für uns" ist—abgesehen davon, dass die Reihenfolge ja auch verkehrt herum ist—dermaßen trivial, dass auch zwei, oder mehrere, Geister unabhängig voneinander darauf kommen könnten.

Also ja, Jogi ist mit einem Shirt rumgelaufen, das einen Spruch aufwies, der unter anderem in ähnlicher Form von Nazis benutzt wurde (gleichzeitig aber auch perfekt zum fußballsprachlichen Armamentarium passt). Ihm und dem DFB jetzt aber eine rechte Ideologie zu unterstellen, ist gelinde gesagt Schwachsinn.