Ein Handy mit Menschen, die Spargel statt Köpfen haben. Zwei Marketing Profis erklären, wie man Spargel beliebter machen kann
Bild: Iphone: Pexels/cottonbro Studio | Spargel: Wikimedia | Pixabay/inviertlerin | pxhere | ccnull/Tim Reckmann | Screenshot Elevator Boys/TikTok | Collage: Sasa Schrödl
Popkultur

Wie wir Spargel great again machen können

Schwarzer Spargel und eine neue Castingshow mit Heidi Klum: Zwei Werbeprofis pitchen ihre besten Marketingideen für das deutscheste Gemüse.

Das deutscheste Gemüse der Welt ist out. Nicht mal das Wort "out" ist so out wie Spargel. Bei einer Umfrage gab etwa die Hälfte der Menschen unter 24 Jahren an, sie möge keinen Spargel. Woran liegt das? Und wie ließe sich die Gen Z wieder für Spargel gewinnen?

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Wir haben eine große Werbeagentur gefragt, genauer gesagt die Artdirektorin Sasa Schrödl, die früher auch mal bei VICE gearbeitet hat, und den Copywriter Levi Gräff: How can we make Spargel great again? Allerdings auf Deutsch, denn auch wenn es selten Deutsche sind, die den Spargel stechen, sind es doch vor allem Deutsche, die sich die weißen Kolben in den Rachen schieben. 

Sasa Schrödl und Levi Gräff umarmen sich und schauen in die Kamera

Sasa Schrödl und Levi Gräff | Foto: Privat

VICE: Warum mögen junge Leute keinen Spargel mehr?
Sasa Schrödl: Spargel ist sehr teuer. Außerdem kann es sein, dass junge Leute noch zu nah an der Cuisine der eigenen Familie dran sind. Und dass sie deswegen vor allem Spargel gegessen haben, der nicht so geil war. Eher diesen typischen 15-Minuten-im-Wasserbad-Spargel. Oder schlecht geschälten.

Levi Gräff: Spargel ist ein Gericht aus der Kindheit und da immer so ein Sonntagsessen. Leute zwischen 18 und 25 machen sonntags halt was komplett anderes. Außerdem ist er aufwändig.

Inwiefern?
Levi:
Du musst ihn schälen. Und wer weiß schon, dass da Zucker und Salz ins Kochwasser muss? Ich denke, eine durchschnittliche 23-jährige Person wird auch keine gute Sauce Hollandaise hinbekommen.

Junge Leute können einfach nicht gut genug kochen?
Levi:
Die Lebenswelt einer jungen Person ist einfach nicht deckungsgleich mit der Verwendungswelt eines Spargels. Wenn du sie in fünf Jahren nochmal fragst, werden sie die Frage anders beantworten.

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Warum?
Levi:
Spargel ist auch ein Sinnbild fürs Erwachsenwerden. Dann lädt man seine Freunde sonntags zum Spargelessen ein. Es ist eine Art Ritus, der Übergang zum Erwachsenenleben, den man fast fetischisiert. Fast Cottage-Core-Style, nur in der Softversion. Aber das passiert dann auch erst, keine Ahnung, nach dem Bachelor.

Wie kriegen wir denn junge Leute dazu, schon heute Spargel cool zu finden?
Sasa:
Der Gen Z sind Labels und Coolness und durchgestylte Pinterest-Board-artige Lebenswelten gar nicht mehr so wichtig. Da könnte eine Nische entstehen, in der man Spargel wieder populär machen könnte.

Mag die Gen Z es schmuddelig?
Sasa:
Es gibt auf TikTok so Cook-Outs. Da verabreden sich Leute zum Kochen und essen gemeinsam. Wenn das Leute unter, ich sage mal 25 sind, sieht man keine Tischdecken, keine sorgfältig platzierten Platzdecken oder Blumensträuße.

Sondern?
Sasa:
Da kommt dann auch die Netto-Verpackung vom Essen oder die altbackene Schale von Oma auf den Tisch. Es muss nicht immer alles so perfekt sein und ich glaube, das ist auch ein Anknüpfungspunkt, wo Spargel stattfinden könnte. 

Könnte das nicht auch ironisch gemeint sein?
Levi: Glaube ich nicht. Das ist eher ein Bedürfnis, das durch Instagram entstanden ist. Alles war durchgestylt und perfekt, wovon man als User zuerst auch voll angetörnt war. 

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Und dann?
Levi:
… haben die Leute schnell gemerkt, dass sie das selbst gar nicht erreichen können. Das wäre zu viel Aufwand, zu teuer, und erzeugte zu viel Druck. Deswegen gab es eine Welle von "OK, ich bin OK, wie ich bin, und lebe, wie ich bin". Da spielt auch dieses ganze Inklusions- und Body-Positivity-Thema mit rein. Die Gen Z lebt das mehr, sie lebt wahre Authentizität. Und Spargel ist ja wegen seiner familiären Bedeutung auch brutal authentisch.

Also alles ganz unironisch?
Sasa:
Na ja, Spargel hat schon ein paar quirky Eigenschaften. Zum Beispiel der Geruch des Spargelurins. Leute auf TikTok mögen ja weirde Dinge, die sie entdecken können. Wenn junge Leute also nicht so oft Spargel essen, wissen sie das womöglich nicht. Wenn man es ein bisschen edgier machen will, könnte man das Thema auch noch mit aufgreifen und ein bisschen mehr relatable machen.

Wie könnte man Spargelurin in so eine Kampagne integrieren?
Sasa: Das ist ein bisschen unappetitlich. Aber man könnte natürlich mit Influencern zusammenarbeiten, die das nochmal erzählen. Als zusätzliches Content Piece in einer umfassenderen Kampagne. 

Das ist edgy?
Sasa:
Wenn man all in gehen will, kann man diesen Spargeluringeruch auch im öffentlichen Raum versprühen, um die Leute daran zu erinnern, dass sie mal wieder Spargel essen könnten. Maybe I'm going too far. Aber das wird auf jeden Fall Aufmerksamkeit erregen.

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Ist Spargel schön?
Sasa: Es kommt auf den Spargel an. 

Nicht alle Spargel sind schön?
Sasa:
Ich spreche den Elefanten im Raum jetzt an. Die Phallus-Form des Spargels, zumindest dessen Miniaturversion, ist ein attraktiver Bonus aus Marketingsicht.

Warum?
Sasa:
Stell dir ein Spargel-Emoji vor, was das Auberginen-Emoji ablöst. Das könnte mindestens ein kleiner Marketing-Gag sein. Aber auch unabhängig von der Phallus-Form hat Spargel eine interessante, einzigartige Form und hebt sich dadurch von den anderen Gemüsen ab. 

Also ein Emoji, um den Spargel cool zu machen?
Sasa: Als lokale Version wäre das witzig. Spargel ist ja etwas sehr Deutsches. Vielleicht auch nur zeitlich begrenzt, wenn es halt Spargel gibt. Da müsste man mit den Leuten sprechen, die so etwas entscheiden.

Levi: Da gibt es tatsächlich ein Komitee für. Das stimmt ab, was Emoji werden darf und was nicht.

Sasa: Kann man die mit Spargel bestechen? Mit einem Präsentkorb, wie damals zur WM in Deutschland. Gefüllt nur mit Spargel.

Sasa, du meintest, Spargel sei etwas sehr Deutsches. Warum?
Sasa: Diese pedantische Zubereitungsart macht ihn sehr deutsch. Er ist außerdem im Idealfall mit Kartoffeln gepaart, sowieso auch Inbegriff des Deutschseins. Dazu Schinken oder Schnitzel. Unschlagbare Mischung. 

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Richtig. Und wie kriegen wir nun die deutsche Jugend wieder dazu, Spargel zu kaufen?
Levi:
Was natürlich immer funktionieren würde, ist, wenn es anstatt weißem und grünem auch schwarzen Spargel gäbe. Schwarzer Spargel, das würden Leute safe kaufen, einfach weil es so trendy und cool ist. Und weil schwarz immer noch eine Trendfarbe ist, die sich gerade aus der Mode speist. Wenn der Spargel also schwarz und vier Euro teurer wäre, würden ihn die Leute kaufen, einfach für den Insta-Fame. Aber jetzt so ein komplettes Hype-Ding draus machen – I don't know. 

Sondern?
Levi:
Du brauchst einen coolen TikTok-Trend: Leute machen zum Beispiel den schwarzen Spargel mit schwarzer Hollandaise und gehen dazu auf einen Sonntagsrave. 

Spargel beim Rave?
Levi:
Ich glaube ein Trend würde funktionieren, der die alte Tradition vom Familienessen am Sonntag vereint mit der neuen Rave-Tradition, dass Leute sonntags unter der Brücke feiern gehen. Zuerst sitzt man am Tisch und isst, dann geht's ab. Oder auf Festivals.

Spargelstände?
Levi:
Du kannst ja jetzt schon alles an Essen auf dem Festival kaufen, Pizza, Handbrot und so weiter und so fort. Aber so ein Spargelstand, da erinnern sich die Leute dran. 

Sasa: Oh, nice und der Spargel kommt dann in so einem großen Eppendorf-Gefäß. Das weiße Gold.

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Wahrscheinlich bräuchte man für eine Kampagne auch ein paar Influencer, oder?
Sasa: Die Creator müssten authentisch sein. Du kannst einen Trend zwar nicht kaufen, aber du kannst ihn fördern, indem du mit den richtigen Influencern zusammenarbeitest oder mit den richtigen Promis als Testimonial. 

Was müssten die mitbringen?
Sasa:
Die müssen natürlich wie Arsch auf Eimer zum Konzept und zur Marke passen. Sie müssten typisch deutsch sein und für Spargelliebe stehen. 

An wen denkst du?
Sasa: Wer das schon öfter zum Ausdruck gebracht hat, sind zum Beispiel Jan Böhmermann und Olli Schulz. 

Levi: Man kann ja auch Bill und Tom Kaulitz nehmen. 

Sasa: Stimmt! Ich habe auch an Heidi Klum gedacht. 

Levi: Wenn die in Deutschland ist, postet sie in ihren Storys immer so richtig deutsches Essen. Bratenteller in Hamburg oder so nasty Klöße in Bergisch-Gladbach. Wenn du also solche international people hast, die sich in Deutschland freuen, ihren ultra stylischen schwarzen Spargel zu verspeisen, dann hast du die Leute gewonnen. 

Sasa: Heidi Klum könnte auch mit Leni zusammen eine Castingshow machen, in der sie die Spargelkönigin wählen. Oder so ein The Great British Bake Off-mäßig, das beste Spargelrezept. So würde ich Heidi Klum auf jeden Fall sehen. Die Leute müssten also deutsch sein, aber nicht problematic. Die richtigen Werte sind der Gen Z wichtig.

Levi: Jana aus Kassel sollten wir keinen Spargel in die Hand drücken.

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