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Bayerische Asylpolitik

Bayern hat Bamberger Geflüchteten das "Taschengeld" streichen lassen, um Härte zu zeigen

Und das Landessozialgericht so: Nope.
Collage, bestehend aus: 100-Euro-Scheine: imago | Blickwinkel || Bayern-Flagge: Pixabay | stux | CC0 

Wenn Bayern von "Heimatschutz" und "Heimatministern" reden, kann sich die Mehrheit der Deutschen darunter wohl genauso wenig vorstellen wie unter den Flugtaxis der Digitalministerin. Am Beispiel einer Bamberger Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber zeigt der Freistaat nun zumindest, wer in dieser ominösen Heimat schonmal nicht willkommen ist: Die Regierung strich einigen der Geflüchteten ihr "Taschengeld", um "effektives Asylmanagement" zu demonstrieren. Ein Gericht stellte sich dem nun in den Weg. Die "Aufnahmeeinrichtung Oberfranken", kurz AEO, ist mit 3.400 Betten eine der größten Asylunterkünfte Bayerns – und offenbar eine Art Testlabor, an dem die CSU ihre "harte" Asylpolitik veranschaulichen will. Die AEO soll als Rückführungs- und Entscheidungszentrum zum bundesweiten Vorbild werden. Die Asylbewerber werden in der AEO mit Sachleistungen versorgt, das Bamberger Sozialamt ist dafür zuständig, den Bewohnern monatlich 100 Euro für den persönlichen Bedarf auszuzahlen. Dem ist das Amt allerdings nicht immer nachgekommen. Im vergangenen Jahr teilten Mitarbeiter des Sozialamtes Geflüchteten mündlich mit, dass ihnen fortan ihr "Taschengeld" gestrichen werde. In einer Stellungnahme erklärte der Chef des Sozialamtes, Richard Reiser, es habe sich dabei um 136 Personen gehandelt (Stand Juli 2017). Ihnen seien ab dem Entscheidungsmoment nur noch Sachleistungen zur Verfügung gestellt worden. Das einfach nur den Betroffenen mündlich zu sagen, habe den Prozess "vereinfacht" und sei "verwaltungsökonomisch praktikabel". Das Sozialamt habe damit Geflüchtete sanktionieren wollen, deren Asylantrag abgelehnt worden war, die ihrer Ausreisepflicht aber nicht nachgekommen waren. Bei anderen Asylbewerbern wollte die Behörde erkannt haben, dass sie nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland gekommen seien.

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Das bayerische Landessozialgericht musste den Freistaat nun offenbar daran erinnern, wie korrekte Verwaltungsarbeit funktioniert: In zwei Fällen hat es die Entscheidung des Sozialamtes für "rechtswidrig" erklärt. Das bestätigte eine Sprecherin gegenüber VICE. Die Behörde müsse den Asylbewerbern ihre Entscheidungen und Sanktionen korrekt schriftlich mitteilen und sei nun verpflichtet worden, weiterhin zu zahlen. Der Chef des Sozialamtes, Richard Reiser, hat der SZ zufolge angekündigt, die Behörde werde Bescheide in Zukunft wieder schriftlich ausstellen – und Asylbewerber persönlich vorladen und befragen, bevor sie sanktioniert werden. Zuvor hatte sich das Sozialamt komplett auf die Einschätzung der Ausländerbehörde verlassen.


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Glaubt man dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder, werden die Lebensbedingungen für Geflüchtete aber auch in Zukunft nicht unbedingt besser. Erst am Freitag hatte er in seiner ersten Kabinettssitzung verkündet, er wollte die Zahl der Abschiebungen erhöhen. Sein Vorgänger, Bundesinnenminister Seehofer, erklärte unterdessen in Berlin seinen "Abschiebe-Masterplan".

Allerdings: Es gibt Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass die Ämter Geflüchtete nicht diskriminieren. Laut Asylbewerberleistungsgesetz muss Asylbewerbern ein physisches und ein soziokulturelles Existenzminimum zur Verfügung gestellt werden, also Kleidung, Nahrung, aber auch Bahnfahrkarten. In der AEO Bamberg wird dieses Existenzminimum normalerweise in Form von Sachleistungen sichergestellt – und eben dem "Taschengeld" des Sozialamtes in Höhe von 100 Euro. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2012 entschieden, dass die Geldleistungen für Asylbewerber so angepasst werden müssen, dass sie nicht unter ein Existenzminimum fallen. "Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren", so das Verfassungsgericht.

Genau das tut aber gerade das Bamberger Sozialamt. Das Asylbewerberleistungsgesetz – das Organisationen wie Pro Asyl als "diskriminierend" und "entwürdigend" kritisieren – erlaubt es in Einzelfällen zwar, Bewerbern ihre Leistungen zu kürzen oder zu streichen, etwa wenn Ausreisepflichtige nicht zu ihrer Abschiebung erscheinen. Allerdings muss den Betroffenen dann ein schriftlicher Bescheid übergeben werden, damit sie sich gegebenenfalls rechtlich wehren können. In Bamberg wurde den Geflüchteten das Geld ganz ohne einen schriftlichen Bescheid gestrichen.

Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert nun, den Geflüchteten ihre Leistungen rückwirkend zu bezahlen. Und damit könnte er sogar erfolgreich sein: Die SZ berichtet, es sei nicht das erste Mal, dass das Sozialamt Bamberg willkürlich Gelder gestrichen hat. Nach Hinweisen des Bayreuther Sozialgerichts habe es einem Geflüchteten seine Geldleistungen rückwirkend bezahlen und dessen Anwalt entlohnen müssen.

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