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realsatire

Die Weltwoche macht Blatter zum Schweizer des Jahres—und meint es komplett ernst

Selbst die korrupte Fifa suspendierte ihren Boss Joseph Blatter. Die Weltwoche aber macht ihn zum „Kämpfer für eine bessere Welt". Ihr Verleger Köppel ist Blatters verblendeter Busenfreund.

Blatter ist der Schweizer des Jahres. Für seinen „dornenvollen Kampf für eine bessere Welt". Nein, das steht nicht auf dem Cover der Satirezeitschrift Titanic. Es ist ein völlig ernst gemeinter Titel des schweizerischen Wochenmagazins Die Weltwoche—die immerhin eine verkaufte Auflage von knapp über 50.000 Exemplare vorzuweisen hat. In dem konservativen Magazin wurde zu dem heute erschienenen Titelthema ein Interview abgedruckt, was irgendwo zwischen Verteidigungsschrift und Lobpreisungsbibel für Blatter liegt.

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Das Magazin übertreibt dabei so maßlos, dass man damit den Begriff Realsatire nicht besser erklären könnte. Sie schwärmen von den „eindrücklichen Leistungen dieses Ausnahmeschweizers, der als eine Mischung aus Sonderbotschafter und Entwicklungshelfer rastlos um den Planeten tourte". Das Magazin sieht in dem 79-Jährigen einen „unermüdlichen und bewundernswerten Fußballkämpfer für eine bessere Welt". Keine Pointe.

Währenddessen muss sich Blatter am heutigen Donnerstag vor der Fifa-Ethikkommission verantworten. Eine weitere Sperre droht ihm, weil ihm eine dubiose Zahlung von zwei Millionen Franken im Jahr 2011 an den derzeit ebenfalls für 90 Tage suspendierten Uefa-Chef Michel Platini vorgeworfen wird. Für Blatter kein Grund an sich selbst zu zweifeln.

Blatter selbst, für die Selbstüberschätzung seiner Rolle in seinem verschwommenen Weltbild bekannt, forderte im Interview gleich mal wieder Anerkennung: „Eigentlich müsste man mir ein Diplom überreichen für das, was ich hier erreicht habe." Ein köstlicher Humor. Ein Zufall ist dieses groteske und subjektiv-verstrahlte Interview nicht: Der Chefredakteur und Verleger der Weltwoche, Roger Köppel, ist einer der letzten Busenfreunde von Blatter. Köppel, dessen krude Theorien dem ein oder anderen Fernsehzuschauer aus diversen ARD-Talks bekannt sind, verteidigte seinen Kumpel Blatter schon mehrfach in der Öffentlichkeit. Seine Redaktion hat er nun wieder mal angesteckt.

„Nach einem derart hartem Jahr mit einem Großangriff der US-Justiz auf die Fifa, mit Vorverurteilungen, mit dem Verlust des Amtes, einer Sperre und einem gesundheitlichen Zusammenbruch ist Sepp Blatter als Kämpfer für den Fußball immer noch da", rechtfertigt Beat Gygi, Mitglied der Weltwoche-Chefredaktion, die Entscheidung in einem Video des Magazins. Dann geht er auf das Interview von Weltwoche-Chef Roger Köppel mit Busenfreund Blatter ein: „Die Fifa stellt wahrscheinlich jede andere Organisation zur Entwicklungsförderung in den Schatten". In welcher Welt diese Redakteure auch immer in den letzten Wochen lebten, es war die falsche.

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