Mythos Schalker Meile—wie Fans eine Straße zur Pilgerstätte gestalten
Alle Fotos: Roman Milenski

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Mythos Schalker Meile—wie Fans eine Straße zur Pilgerstätte gestalten

Auf der Kurt-Schumacher-Straße in Schalke-Nord stehen königsblaue Kneipen, Restaurants, Fahrschulen und ein mit blauen Farbbomben beschossenes gelbes Haus. Fans wollen die Straße zum Touristenmagneten machen, die Stadt erkennt jedoch das Potenzial...

„Wie scheiße und erotisch dat hier doch is." Man flaniert nicht, man hat Angst überfahren zu werden. Der schmale Bürgersteig verläuft teilweise direkt an der Straße entlang, 40.000 Fahrzeuge donnern am Tag vorbei, zwischen ihnen die Straßenbahn. Umrahmt ist dieses Gewusel aus Blechlawinen und Feinstaub von einem heruntergerockten Stadtbild. Nachkriegsbauten, Leerstände, Industriegebiet. Das ist die Schalker Meile.

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Auf direktem Weg in die Schalker Arena liegt sie – einer der bedeutendsten Orte der deutschen Fußballgeschichte. Ihre Tristesse wird dabei immer wieder durchbrochen von Blau und Weiß. Und einmal Gelb. Ein knallgelbes Haus. Knallgelb. Mitten. Auf. Der. Schalker. Meile. Immerhin finden sich auf seiner Fassade auch noch einige blaue Farbspritzer. Aber dazu später mehr.

Eigentlich ist die Meile nur ein Abschnitt der Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen-Schalke-Nord, aber auf diesen paar hundert Metern Hauptverkehrsachse findet man alle Antworten auf den so oft beschworenen „Mythos Schalke 04". Von der Glück-Auf-Kampfbahn, Spielstätte des legendären Schalker Kreisels, bis hin zu den Gräbern seiner Spielführer Ernst Kuzorra und Fritz Szepan, die selbst noch im Tod nur wenige Schritte voneinander entfernt sind. Vom altehrwürdigen und immer noch offiziellen Vereinslokal bis zu den Treffpunkten der Fanszene.

Echte Fans wissen, was gut ist. Im Hintergrund ist das gelbe Haus.

Die Schalker Meile ist aber nicht einfach nur ein Straßenzug, sie ist ein Entwicklungsprojekt. Initiiert wurde es von dem aus der aktiven Szene kommenden Fanclub Supporters, die es auch noch heute betreuen. Während der WM 2006, als die Glück-Auf-Kampfbahn zur Fanmeile Gelsenkirchens auserkoren war, dachten die Supporters sich: „Moment mal. Wir haben hier doch immer eine Meile. Ein Fußball-Mekka. Ohne, dass es uns FIFA und DFB in die Stadt bringen müssen." Denn Schalke ist vom Namen her wohl der bekannteste Stadtteil Deutschlands, bekannter als seine Stadt. Nur nicht mehr deren Lieblingskind. Der Niedergang der Ruhrgebietsindustrie hat Schalke besonders getroffen, heute ist er einer der prekäreren Stadtteile im ohnehin schon gebeutelten Gelsenkirchen.

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Deshalb haben es sich die Supporters zur Aufgabe gemacht, neue Perspektiven aufzuzeigen. Sukzessiv wollen sie das trostlose Bild des Stadtteils aufwerten, ihn beleben und wirtschaftlich fördern. Es werden Infotafeln an den Sehenswürdigkeiten errichtet, Wände verschönert, Leerstände vermittelt oder deren Schaufenster zumindest mit Schalke-Devotionalien ansehnlicher gemacht. Bahnhaltestellen wurden in „Schalker Meile" oder „Ernst-Kuzorra-Platz" umbenannt. Die Orte der Vereinshistorie sollen wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Eine Straße blau und weiß als Marke gebrandet.

So sieht eine Fahrschule auf der Schalker Meile aus

Das Projekt trägt erste Früchte. Die örtlichen Geschäfte machen mit, neue siedeln sich an. So wie die Blau-Weiße-Fahrschule. Eine Dienstleistung, die normaler nicht sein könnte, hier aber eine Sehenswürdigkeit ist. Die Räume sind dermaßen blau dekoriert, dass man glaubt, es handelt sich um Junkie-Abwehrlicht wie in einem McDonald's-Klo im Hauptbahnhof. „Mein Chef ist Hardcore-Schalker, da war klar, dass er den Laden hier nimmt", erklärt Mitarbeiter Pedro Milla. „Seitdem kommen immer mehr Menschen vorbei, machen Fotos. Das ist Schalke." Fotos. Von einer Fahrschule. Pedro selbst ist übrigens schon einen Besuch wert. Mit seinen spanischen Wurzeln hat er früher als Dolmetscher, Spielerbetreuer und Bodyguard für Schalke 04 gearbeitet. Raul, Bordon, Farfan—er kann Anekdoten erzählen.

„Wie scheiße und erotisch dat hier doch is." Supporters-Mitglied und -Mitinitiator Olivier Kruschinski sitzt im Quartiersbüro Schalker Meile und blickt schmachtend auf die Straße. Der hochgewachsene, markante Typ mit der herzlichen Ruhrpott-Schnauze könnte stundenlang über Schalke philosophieren. Oli4—wie er seinen Vornamen, den ihm seine französische Mutter gegeben hat, gerne schreibt—ist wohl derjenige, der am meisten vom Potential des Stadtteils überzeugt ist. „Das ist ein Freilichtmuseum, was uns hier geschenkt wurde. Undenkbar, dass so etwas in Liverpool oder Barcelona brach liegengelassen würde." Damit meint er vor allem den Tourismus, den die Stadt mit Schalke betreiben könnte. Ja, Tourismus. In Gelsenkirchen. Dass das funktioniert, dafür ist Oli selbst das beste Beispiel.

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Die Schalker Meile führt von der St. Joseph-Kirche im Süden bis zum Ernst-Kuzorra-Platz

An einem kalten Sonntagvormittag im November, vor dem Heimspiel des S04 gegen Darmstadt, steht Oli mit etwa 40 Menschen auf einem Parkplatz in Schalke. Abgewetzte Platanen, Hundekot-Verboten-Schilder, nebenan ein Industriegebiet, gegenüber eine Spielhalle. Solche Szenerien kennt man sonst nur, wenn man am Morgen nach der Party verkatert zum Auto schlurft. Oli und die 40 anderen sind aber bewusst hergekommen. „Und? Wie findet ihr's?", fragt er die Runde. „Wunderschön", antwortet jemand hörbar ironisch unter allgemeinem Gelächter. Das Erstaunen ist dann aber groß, als er hinzufügt, dass dieser Parkplatz der in der Schalker Nordkurve stets besungene Schalker Markt ist. Der Krieg und städtebauliche Sünden der Jahrzehnte danach haben ihn zu einem Parkplatz gemacht. Heute erinnert nur noch eine große Tafel mit alten Fotos an glorreichere Zeiten.

Dennoch sehen sich die 40 Menschen den Parkplatz gerne an. Sie sind Schalke-Fans aus ganz Deutschland, die vor dem Stadionbesuch noch etwas Sightseeing machen wollen, und Oli ist ihr Touristenführer. Der ehemalige Lehramtsstudent hat sich seine berufliche Existenz lieber mit seiner Leidenschaft für Schalke 04 und Stadtgeschichte aufgebaut. Er schreibt Reiseführer über Schalke, entwirft alternative Fanwear. Sein Steckenpferd sind aber vor allem individuelle Stadtführungen. Auf seinen „Mythos-Touren" führt er zu den Tempeln oder Lost Places der Vereinsgeschichte und Industriekultur rund um die Schalker Meile. Nicht eilig und bequem im Bus, sondern mit Zeit und zu Fuß. Der pure Underground.

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Oli4 in seinem Element

Nach eigenen Angaben hat er in 16 Jahren bis zu 200.000 Besucher begrüßt. Als er anfing, war die Arena noch im Bau, heute lockt sie jährlich sogar zwei Millionen Menschen aus ganz Europa nach Gelsenkirchen. Die meisten wegen Schalke. „Ich hatte schon Engländer bei der Tour, die noch nie was mit Schalke am Hut hatten. Die waren aber Fußballfans und wollten sich diesen unglaublichen Kack hier mal angucken. Die Stadt, in der die Premier-League-Stars Özil und Gündogan geboren sind. Am Ende standen sie dann mit Hühnerpelle vor den Gräbern von Szepan und Kuzorra und meinten, was das alles doch für eine ‚crazy football history' sei", erzählt Oli.

Die Engländer kommen, Schalke 04 selbst hat den Stadtteil bereits in den 70er-Jahren verlassen. Mit dem Bau des Parkstadions wurde der Platz knapp, heute spielt und trainiert man im wohlhabenderen Stadtnorden. Doch seiner Geschichte ist sich der Verein bewusst wie kaum ein zweiter. Seit langem wird sie, insbesondere die in der NS-Zeit, wissenschaftlich und kritisch aufbereitet. Mit dem Projekt Schalker Meile hält eine weitere Rückbesinnung auf die Wurzeln Einzug. Die Jugendmannschaften melden sich oft bei Oli zu einer Mythos-Tour an, zum Amtsantritt schaute Christian Heidel erst einmal auf der Meile vorbei.

„Ich kam 1992 aus Düsseldorf", erzählt Mike Büskens. „Meine erste Wohnung in Gelsenkirchen habe ich unweit von der Meile bezogen und konnte mir gar nicht vorstellen, welche Bedeutung Schalke 04 für die Stadt und Menschen hat. Das war ein positiver Kulturschock." Der UEFA-Cup-Sieger von 1997 unterstützt heute das Projekt Schalker Meile und Oli, indem er hin und wieder mal als Ehrengast auf den Mythos-Touren vorbeischaut. „Eines meiner ersten Pflichtspiele war ein 2:0-Derbysieg in Dortmund. Da gab es hier auf der Meile Straßenpartys, das kannte ich aus Düsseldorf nicht. Daran merkt man, was dieser Slogan ‚Wir leben dich' bedeutet. Und an dieser Bedeutung und Geschichte muss der Verein festhalten."

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Olivier und Mike Büskens

Dass der Erfolg des Vereins keine Einbahnstraße ist und mit der Infrastruktur des Umfelds zusammenhängt, scheint in der Führungsetage angekommen zu sein. Der oft kritisierte Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies plant aktuell die Gründung einer Stiftung, die ein neues Schalke-Museum auf der Schalker Meile bauen soll. „Dort liegt ein unglaublicher, emotionaler Schatz, der in der Bundesliga seinesgleichen sucht", sagte Tönnies in einer Presseerklärung.

Diese „crazy football history" ist nicht irgendeine, die auch in Bremen oder Stuttgart zu finden ist. Dass der ausgelutschte Spruch „Schalke ist Religion" irgendwie stimmt, beweist die Sankt-Joseph-Kirche. An Spieltagen schmückt die Gemeinde den Fußgängerweg vor dem unscheinbaren Backsteinbau Blau und Weiß. Wer will, kann vor dem Spiel noch „inne Kirche". Und „inne Kirche" befinden sich in der Tat wahre Schätze: ein riesiger S04-Altar und kunstvolle Fenster, die direkten Bezug zur Bergbau- und Fußballgeschichte der Stadt nehmen. Einer der Heiligen darauf trägt sogar blau-weiße Stutzen und einen Ball an den Füßen. „Das ist eine theologische und soziologische Sensation. Ich kenne keine Stadt, die so etwas hat", meint Oli über seinen Lieblingsort auf der Meile. „Überall schauen sich Touristen Kirchen an, die Gelsenkirchener brettern an ihrer bedeutendsten einfach vorbei."

Das Problem der Schalker Meile ist bisher Gelsenkirchen selbst. Zwar ist sie den meisten Einwohnern mittlerweile ein Begriff, in den Pressemeldungen ist auch keine Rede von Kurt-Schumacher-Straße mehr, die Gelsenkirchener aber, die nicht in Schalke leben, verirren sich nur selten her. Vielleicht an Spieltagen in die hier noch verbliebenen Fankneipen. Das größere Manko aber: Politik und Verwaltung sind sich des touristischen und wirtschaftlichen Potentials des Stadtteils nicht wirklich bewusst.

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Die St. Jospeph-Kirche

Symptomatisch dafür steht eben jenes gelbe Haus mitten auf der Meile. Als dort im Frühjahr letzten Jahres die Malerkolonne anrückte, freute man sich noch, dass die Botschaft des Projekts scheinbar ankommt und eine vergraute Fassade verschönert wird. Das Haus ist schließlich auch nicht irgendeines, es ist die Engelsburg, einst prächtiger Sitz eines Zechenverwalters und einer der wenigen überlebenden Gründerzeitbauten hier. Beim ersten gelben Pinselstrich war das Entsetzen dementsprechend groß.

Der Eigentümer der Immobilie sitzt in den Niederlanden, hatte vermeintlich einfach keine Ahnung, was er da tut. Warnungen gingen bei der Stadtverwaltung ein, dass da gerade etwas Dummes passiert. Die Antwort der Stadt: Man könne nicht in Eigentum eingreifen. Die Antwort des harten Kerns der Schalker Fanszene: Farbbombenattacke und „Neu streichen"-Parolen an der Wand. Eine fast logische Reaktion.

„Ob einer am Borsigplatz sein Haus Blau hätte streichen dürfen?", überlegt Oli enttäuscht. Generell kann er gar nichts Schlechtes über die Zusammenarbeit mit der Stadt sagen. Die Akteure der Schalker Meile haben von einigen Referaten und Mitarbeitern der Verwaltung schon Hilfe bei Genehmigungen oder auch der Anmietung von Ladenlokalen erhalten. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten beachte die Stadt das Projekt Schalker Meile aber zu wenig. Sie handle nicht proaktiv mit dem Quartier, nutze das touristische Potential dieses Alleinstellungsmerkmals von Gelsenkirchen nicht.

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Spricht man mit Vertretern aus Politik und Verwaltung darüber, werden die Antworten tatsächlich schnell einsilbig. Das Stadtmarketing nähert sich dem Stadtteil nur zögerlich an. Ab und zu im Jahr führt eine Stadtrundfahrt hier vorbei. In Infomedien wird auf die Glück-auf-Kampfbahn aufmerksam gemacht, vielmehr aber auf den Zoo oder Schlosspark. Irgendwie gewinnt man den Eindruck, die Stadt will nicht mit der Schalker Meile werben, weil es nicht ihr eigenes Projekt ist. Oder, weil sie nur das Schmuddel-Image der Stadt anheizen könnte und man nicht weiß, wie man kreativ damit kokettiert.

In Gelsenkirchen steckt man lieber viel Geld in Hochglanz-Kampagnen, bei denen Produkte, die hier hergestellt werden, auf Plakaten in anderen Städten beworben werden. Seitdem weiß Frankfurt, dass Eiswaffeln aus Gelsenkirchen kommen. Ohne viel Geld eine Gestaltungsordnung aufzusetzen, damit in Schalke ein Haus nicht Gelb gestrichen und Blau gefarbbombt wird—und so das schmuddelige Stadtbild erweitert—, bekommt man hingegen nicht so einfach hin.

Das gelbe Haus

Janine Feldmann, Leiterin der Stadterneuerungsprojekte in der Kommunalverwaltung, ist dabei eigentlich überzeugt vom Potential des Stadtteils: „Ich bin auch dafür, dass man eher präventiv handeln müsste. Eigentlich hätte die Stadt das Quartier Schalker Meile schon längst zum Fördergebiet ernennen sollen. Dann könnten stringente Konzepte und Gelder für städtebauliche Maßnahmen hier eingesetzt werden." Bisher sei der Bedarf woanders aber noch akuter gewesen. Der Süden Schalkes ist sogar Fördergebiet, nicht aber Schalke-Nord, offiziell eigener Stadtteil, in dem fast die gesamte Meile liegt.

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Bis auch Schalke-Nord zum Fördergebiet werden kann, vergehen mindestens noch drei Jahre. Gelsenkirchen ist die Großstadt im Regierungsbezirk Münster, die vom Land Nordrhein-Westfalen die meisten Gelder für Stadterneuerungsprojekte erhalten hat. Für weitere Mittel müssen Feldmann und ihr unterbesetztes Team erst die bestehenden Projekte abschließen. „Und dann muss es politischer Wille des Stadtrats sein, Schalke-Nord zum Fördergebiet zu erklären. Wir können nur deren Beschlüsse durchführen und müssten uns dann nicht nur mit der Schalker Meile beschäftigen, sondern auch mit Herausforderungen wie Emissionen, Bausubstanz und Integration dort."

Schalke-Nord ist vor kurzem zumindest etwas in den Fokus des Stadtrats gerückt, wenn auch umstritten und wieder nur mit einem konventionelleren Ansatz. Die SPD-Fraktion hat einen Vorschlag zum Abriss bestehender Frei- und Hallenbäder in der Stadt und zum Neubau eines Sportparks Schalker Meile gemacht. Der soll dann auch ins Gesamtkonzept Schalker Meile eingebunden sein. „Mit dem Sportpark denken wir in erster Linie daran, den Stadtteil wieder mehr ins Zentrum der Stadt zu holen. Was man aus der Sicht von Auswärtigen hier noch machen könnte, ist als Gelsenkirchener Kommunalpolitiker erst mal schwerer nachzuvollziehen", sagt Fraktionsassistent Wolfgang Hovenga.

Die Antworten könnten ihm die Gäste von außerhalb am besten selbst liefern. „Normalerweise fahren wir mit unserem Fanclub im Bus nach Gelsenkirchen, trinken unser Bier, gehen in die Arena und hauen wieder ab", erzählen Dennis, Mario und Ingo aus Münster, die vor dem Spiel gegen Darmstadt Olis Mythos-Tour mitmachen. „Wir sind auch schon mal zum Gucken auf der Meile gewesen, und jetzt dazu die Geschichte erzählt zu bekommen, hat natürlich was. Den Stadtteil Schalke selbst kennt ja kaum ein Fan", ergänzt Mario. „Aber was sollen wir sonst vor oder nach dem Spiel oder an anderen Tagen hier? Wenn es schöner wäre, noch mehr zu sehen oder Kneipen gäbe, dann ja. Jede Stadt hat doch so einen Aufenthalts- oder Sammelpunkt."

Dennis, Mario und Ingo

Nur Gelsenkirchen nicht so wirklich. Die Arena liegt auf der sprichwörtlichen „grünen Wiese", zwar gut an die Autobahn angebunden, was aber zur schnellen Abreise verführt. Wer mit der Bahn kommt, findet am Hauptbahnhof wenig Aufenthaltsangebote. Vor ein paar Jahren gastierte Irland zum Länderspiel in Gelsenkirchen und das Stadtmarketing veranstaltete ein Fanfest im Stadtteil Buer. Dort gibt es ein Kneipenviertel, auf das man aber erst stößt, wenn man an der Arena vorbeifährt. So feierten die meisten Iren auf ihrem Weg lieber in den Studentenkneipen von Bochum, wo die Straßenbahn startet. Die Schalker Meile hingegen könnte so ein Sammelpunkt sein. Geographisch ist sie sogar fast die Mitte der Stadt und liegt genau zwischen Bahnhof und Arena. An Spieltagen fahren die Straßenbahnen im Minutentakt proppenvoll hier lang.

„Was denkst du, was die Menschen erwarten, wenn sie mit mir den im Stadion heroisch besungenen Schalker Markt besuchen?", fragt Oli rhetorisch. „Sie erwarten Folklore und keinen Parkplatz. Also sage ich: Investieren wir hier mal ein paar Millionen und machen daraus eine Pilgerstätte. Mit Gastronomie, Fanshops oder Räumlichkeiten für junge Unternehmen. Dazu ein, zwei Leuchttürme wie eben das Schalke-Museum oder eine Eventlocation in einer alten Industriehalle, und es wird funktionieren.

Den Schalker Markt so herzurichten, davon hätten Stadt und Menschen sicherlich mehr als von einem neuen Schwimmbad. Selbst wie die Schalker Meile jetzt aussieht, hat sie ja schon ihren Charme. Wären wir in Berlin, wäre solch ein Stadtteil nicht hässlich, sondern der nächste hippe Scheiß. Nur sind wir nicht in Neukölln, wir sind im Ruhrpott. Gelsenkirchen-Schalke-Nord. In konventionellen Bahnen zu denken, hilft hier nicht mehr weiter. Gelsenkirchen muss keine künstlichen Welten erschaffen. Gelsenkirchen hat Fußball, Schalke, ein Massenphänomen. Dessen sollte man sich in dem Fall bewusster werden. Zusammen. „Die Stadt", „der Stadtteil", „der Verein"—das sind letztendlich nicht „die da", sondern „wir". Alle Fans und Besucher von außerhalb, alle Menschen, die hier leben und was bewegen wollen.