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Interviews

Roger Rekless sitzt in der Jugendwort-Jury und mag das Wort „Smombie“ nicht

Der GWLT-Sänger und Rapper Roger Rekless mag das Wort „Hurensohn" viel lieber. Wir haben ihn gefragt, was da schief gelaufen ist.

Das deutsche Jugendwort des Jahres ist „Smombie“—eine bescheuerte Kombination aus Smartphone und Zombie. Gewählt wurde dieses „Wort“ durch ein Online-Voting und dann schließlich von einer Jury, in der auch Roger Rekless sitzt. Der Rapper, Produzent, Moderator und Sänger von GWLT wollte frischen Wind in die Jury bringen—durch seine Tätigkeit in der Jugendarbeit weiß er über den Stand der Jugendsprache bestens Bescheid. Mit der Bezeichnung „Jugendwort“ ist Rekless aber genausowenig einverstanden, wie mit der Angst von Pädagogen vor Schimpfwörtern. Wir haben ihn gefragt, ob die Jugend wirklich spricht wie Hustensaft Jüngling und was er vom Wort „Smombie“ hält.

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Noisey: Hallo Roger. Du hast letztens gesagt, dass das eigentliche Jugendwort „Hurensohn“ sein sollte.
Roger: Nein, ich meinte, dass Hurensohn das Wort ist, das am meisten benutzt wird. Ich finde es krass, wie dieses Wort an Brisanz verloren hat. Was sehr auffällig ist, sind Umdeutungen von Wörtern, die es schon gibt. „Du Hässlichkeit“ ist zum Beispiel ein großartiges Schimpfwort, das ich super finde. Aber sowas findest du eben nicht in den Vorschlägen. Da sind immer nur komische, abgehobene Sache. Das ist schade.

Was prädestiniert dich denn für die Jury des Jugendwortes 2015?
Puls vom BR, wo ich eine Sendung mache, hatte einen Platz zu vergeben. Lustigerweise habe ich mich erst ein paar Monaten davor mit der Materie auseinandergesetzt. In der Einrichtung, in der ich pädagogisch arbeite, haben wir uns über Jugendwörter unterhalten und uns ist aufgefallen, dass die Jugendwort-Sprachbücher von Langenscheidt sehr weit weg von dem sind, wie Jugendliche tatsächlich reden. Deswegen habe ich total gefeiert, dass mich Puls da hinschicken will, weil ich wahrscheinlich eher eine unangenehme Meinung habe und das auch überhaupt nicht als Jugendsprache empfinde. Ich dachte mir, vielleicht kann ich das in der Jury ansprechen und man kriegt etwas hin, was tatsächlich wiedergibt, wie die Jugend spricht.

Smombie, Earthporn, Tinderella, shippen—das sind alles Wörter, die schon länger im Online-Slang auf einschlägigen Seiten existieren und nicht von Jugendlichen erfunden werden.
Ich hatte mich von den Vorschlägen, die da waren, für „Earthporn“ stark gemacht, weil es wenigstens noch genutzt wird. Es gibt das Hashtag dazu und von den Vorschlägen, die da waren, war „Earthporn“ tatsächlich am realistischsten. Die Vorschläge werden ja von zig verschiedenen Menschen eingereicht und Langenscheidt wählt 30 aus. Darüber können dann die Leute wieder online abstimmen und dann bleibt eine Top Ten zurück. Und aus diesen zehn Wörtern wählt dann die Jury. Also hast du eh schon nicht mehr eine große Bandbreite der Wörtern, die eingeschickt wurden. Und wer die Wörter einsendet, ist natürlich auch immer fraglich. Ich bezweifle, dass das die 16-Jährigen sind, die sagen: „Ey Mann, wir müssen unbedingt noch das Wort einschicken, komm.“ Das sind eher so Mittdreißiger, die sich denken: „Ich hab voll die tolle Idee, das wird total gut! Das ist alles, was gefordert wird: Es hat einen aktuellen Bezug, ist total kreativ und jetzt pass auf: Es ist ‚Smombie‘!“ So stelle ich mir das eher vor.

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Kennst du jemanden, der „Smombie“ benutzt hat, bevor es zur Wahl stand?
Nein. Ich kenne nur Leute, die, als es dann gewählt wurde, mir geschrieben haben und meinten: „Das hast du getan?! Bist du dafür verantwortlich?“ Wir haben auch in der Jury-Sitzung gefragt, welches dieser Wörter benutzt wird und uns ist aufgefallen: keins. Da waren auch zwei Jugendliche aus der Arche, einer Kinder- und Jugendeinrichtung für sozial Schwächere, die auch gesagt haben, dass sie die Begriffe nicht kennen. Die haben das noch nie gehört.

Es ist auch sehr interessant, dass Alpha-Kevin rausgefallen ist, weil es diskriminierend sein soll, wobei Tinderella oder Smombie auch irgendwo Leute angreifen.
Tinderella finde ich sehr schwierig. Das ist doch sexistisch, dass es keinen Begriff für männliche Vertreter gibt, die sich durch Dating-Plattformen ‚durchmenscheln’. Meine erste Wortmeldung in der Jury war auch, dass mein Favorit schon runter genommen wurde. Als Alpha-Kevin von der Liste genommen wurde, haben die Jugendlichen bei uns im Jugendzentrum angefangen, sich mit „Kevin“ zu beschimpfen. Davor hat das keiner gemacht. Es gab zwar bestimmt schon ein paar Leute, die das benutzt haben, aber als dann die Diskussion beim Jugendwort aufkam, dass es diskriminierend ist, ab diesem Zeitpunkt war es als Schimfpwort da.

Das klingt nach dem Streisand-Effekt. Aber wenn „böse“ Wörter rausfallen, könnte man daraus doch auch ein Jugend-Unwort des Jahres machen.
Da musst du die Leute vom Langenscheidt-Verlag fragen. Wenn es ein Jugendwort wäre, sollte man tatsächlich auch die Jugendsprache untersuchen. Da gehört aber so viel dazu, da hat wahrscheinlich niemand Bock drauf, das gut abzubilden. Ich finde das Jugendwort sollte „junges Wort“ heißen, denn es ist total cool, dass Sprache in ihrer Evolution begleitet wird und auch als positiv eingestuft wird. Wenn man dann sagt, dass „Smombie“ das Jugendwort ist und die Jugend so spricht, dann finde ich es schwierig. Und Jugend-Unwort ist genauso schwierig: Wer sagt, was ein Unwort ist? Man kann Jugendlichen keine Wörter verbieten. Als ich angefangen habe, war „Opfer“ das gängige Wort unter Jugendlichen, jetzt ist es „Hurensohn“. Die Pädagogen zucken zusammen, wenn die Kids das sagen. Dabei muss man in der Jugendzeit eben Grenzen auschecken und ein gemeinsames Ding haben. Die Erwachsenen sagen doch auch alle ‚„Scheiße“ und ‚„Geil“ und dann musst du dich als Jugendlicher irgendwo positionieren.

So wie du es für „Opfer“ oder „Hurensohn“ siehst, würde das auch bei Worten wie „Nigger“ oder „Schwuchtel“ gelten, Worte die bestimmte Menschengruppen gezielt diskriminieren?
Das ist genau, was ich meine. Es wird ja meistens als Wort benutzt, weil es dadurch die beleidigende Konnotation verliert. Die Jugendlichen nennen sich nicht Opfer oder Hurensohn, weil sie den Anderen mit dem schlimmsten Schimpfwort betiteln wollen, dass sie kennen. Das ist eben ein krasses Wort und das nehmen sie her. Klar ist es schwierig, wenn es so wird, dass sie sich gegenseitig als „Jude“ bezeichnen—oder eben als „Schwuchtel“ oder „Nigger“. Das kommt ja alles vor. Nur haben alle diese Wörter immer noch ihre Brisanz. Die Jugendlichen sind sich der Brisanz ja dann auch bewusst und setzen diese Wörter damit bewusst ein. Ich weiß nicht, was alles passieren müsste, damit rassistische Äußerungen ihre Brisanz verlieren.

Gestern hat Hustensaft Jüngling uns seine 10 Jugendwörter des Jahres vorgestellt. Unter anderem „Fiqqhure“, „Lachkick“ und „den Kolben reinbuttern“. Würdest du seine Sprache als realitätsnah bezeichnen?
Am nähesten ist tatsächlich Lachkick. „Den Kolben reinbuttern“ hab ich jetzt außerhalb der Rapgeschichte zum Beispiel noch nicht so gehört [lacht]. Es wundert mich, dass „Turn Up“ nicht drin ist. Es ist aber auf jeden Fall ein Ausschnitt aus seinem Ding. Es würden wahrscheinlich nicht alle so unterschreiben, aber für ihn macht das als Ausschnitt eben Sinn. Deswegen sage ich ja, es wäre viel geiler, so was zu machen, weil Leute wie Hustensaft Jüngling aus den verschiedensten Genres ihre Dinger zusammentragen und dann die Leute drüber abstimmen. Dann wäre es schon mal näher an der Realität.