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Ein ehemaliges SS-Mitglied hat gerade einen großen Rechtsstreit gewonnen

Helmut Oberlander war Übersetzer bei einem berüchtigten SS-Einsatzkommando und wird als einer der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher gelistet. Seit Jahrzehnten versucht Kanada erfolglos, ihn abzuschieben. Nun soll sein Fall erneut geprüft werden.
Justin Ling
Montreal, CA

Foto: Ontario Jewish Archives, Blankenstein Family Heritage Centre Photo, #2013-8-2

Es ist nun 20 Jahre her, dass Helmut Oberlander die kanadische Staatsbürgerschaft aberkannt wurde und seine Abschiebung angeordnet wurde. Doch er ist noch immer in seiner Wahlheimat.

Die Ausweisung des 92-Jährigen aus Kanada wurde ein weiteres Mal aufgeschoben, nachdem er erneut einen Erfolg vor einem Bundesgericht verzeichnen konnte.

Ein Richter hat eine letzte Neuuntersuchung des Falls Oberlander angeordnet, um zu bestimmen, ob er tatsächlich nur unter Zwang mit den Nazis kooperiert hat und ob ihm der Aufenthalt in Kanada weiterhin genehmigt werden soll.

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Oberlander war ein Mitglied des berüchtigten Einsatzkommandos 10a, auch bekannt als EK 10a, eine mobile Massenmordeinheit, die außerhalb des deutschen Staatsgebiets agierte und jüdische sowie andere Zivilisten ermordete.

Die Entscheidung, die letzte Woche von einem Richter in Ottawa getroffen wurde, fordert die Gerichte dazu auf, „das Ausmaß seiner wesentlichen und wissentlichen Beiträge zu den Verbrechen oder verbrecherischen Absichten des EK 10a" zu prüfen.

Diese Frage ist es, die seit mehr als einem Jahrzehnt wie ein Pingpong-Ball zwischen den Gerichten und der Regierung hin- und herfliegt.

„Das Einsatzkommando 10a hat Babys, Kinder, Frauen und Männer sowie Menschen, die von den Nazis als körperlich oder geistig schwach eingestuft wurden, ermordet. Wenn Mörder wie Oberlander nicht strafrechtlich verfolgt werden, was schafft das für einen Präzedenzfall für die Zukunft?"

„Herr Oberlander hat dem EK 10a als Dolmetscher und zur Unterstützung der Truppen gedient", heißt es in einem Urteil, das ein Bundesberufungsgericht 2009 aussprach. „Zusätzlich zum Dolmetschen gehörte es zu seinen Aufgaben, Lebensmittel zu finden und zu sichern sowie Stiefel zu polieren. Er lebte, aß, reiste und arbeitete in Vollzeit mit dem EK 10a." Der als Deutschstämmiger in der Ukraine geborene Oberlander diente danach von 1943 bis 1944 als Infanterist.

Oberlander stieß um die Zeit seines 17. Geburtstags zum EK 10a. Er sagte dem Gericht, er sei „einberufen worden und seine Teilnahme am EK 10a geschah unter Zwang, da die Strafe für Desertion Hinrichtung war".

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Die kanadische Regierung wollte ihm 1995 die Staatsbürgerschaft aberkennen, wobei sie argumentierte, Oberlanders Mitgliedschaft im EK 10a mache ihn schuldig genug, um für ihn die Bezeichnung „Kriegsverbrecher" zu rechtfertigen. Die Regierung argumentierte weiterhin, er habe sich die kanadische Staatsbürgerschaft illegal angeeignet, indem er bei der Anreise nach Kanada 1954 seine Nazi-Vergangenheit verschwieg.

„Übersetzer waren die unerlässlichen Zahnräder der Todesmaschinerie der SS-Einsatzgruppen."

Oberlander legte Berufung ein und das Urteil wurde mangels einer Reaktion der Regierung aufgehoben. Ottawa entzog ihm ein weiteres Mal die Staatsbürgerschaft und ordnete seine Abschiebung an, doch auch dieses Urteil wurde erfolgreich angefochten. Die Gerichte waren nicht völlig überzeugt, dass Oberlander nicht tatsächlich nur unter Zwang zum EK 10a gehört hatte. Inzwischen versucht Kanada zum dritten Mal, Oberlander loszuwerden.

Doch 2000 entschied das Gericht, es habe „keine Einberufung von Nicht-Deutschen in das deutsche Heer" gegeben, also sei Oberlander als ukrainischer Bürger wahrscheinlich nicht unter Todesangst in die Einheit gezwungen worden, sondern habe sich möglicherweise freiwillig dazu gemeldet.

Oberlanders Arbeit als Übersetzer und Dolmetscher könnte auch für die Gräueltaten der Todeskommandos ausschlaggebend gewesen sein.

„Übersetzer waren die unerlässlichen Zahnräder der Todesmaschinerie der SS-Einsatzgruppen", schrieben Bernie Farber und Eric Vernon letztes Jahr in den Canadian Jewish News. Die Beiden untersuchten durch die Dachorganisation Canadian Jewish Congress Altnazis wie Oberlander.

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Weiterhin hieß es bei Farber und Vernon: „Man kann das Echo ihrer Stimmen hören, wie sie zusammen mit lokalen Informanten und Kollaborateuren ihre menschlichen Ziele zusammentrieben (‚Wie viele Juden haben hier im Dorf gelebt? Wo würden sie sich verstecken?'); wie sie bei den Verhören assistierten (‚Wo sind die anderen? Haben sie Waffen?'); wie sie Opfer an die Stätten ihrer Hinrichtung brachten, immer der deutschen Besessenheit für Kontrolle und Ordnung folgend (‚Stellt euch dort entlang des Grabens auf. Zieht euch aus. Seid still.')."

Die kanadische Regierung hat Oberlander nie eines Verbrechens angeklagt, und andererseits hat ihn auch noch kein Gericht von den Kriegsverbrechen freigesprochen, bei denen er als Komplize agiert haben soll.

„Ich schätze, er wird den Rest seines Lebens in Kanada verbringen", sagte Farber letzten Monat dem Toronto Star gegenüber. Angesichts seines jüngsten rechtlichen Erfolgs und seines hohen Alters sieht das tatsächlich immer wahrscheinlicher aus.

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„Die letzten anderthalb Jahre sind besonders hart gewesen, da er seine Frau nach 62 Jahren an Krebs verloren hat. Doch er macht weiter, denn er will, dass der Gerechtigkeit genüge getan und sein guter Name wiederhergestellt wird", sagte seine Tochter dem Toronto Star im Januar.

Das Simon Wiesenthal Center, eine NGO, die sich der Jagd auf Nazi-Kriegsverbrecher verschrieben hat, listet Oberlander als einen der meistgesuchten Kriegsverbrecher aus dem Zweiten Weltkrieg auf.

„Das Einsatzkommando 10a hat Babys, Kinder, Frauen und Männer sowie Menschen, die von den Nazis als körperlich oder geistig schwach eingestuft wurden, ermordet", heißt es in einer Mitteilung der NGO. „Wenn Mörder wie Oberlander nicht strafrechtlich verfolgt werden, was schafft das für einen Präzedenzfall für die Zukunft?"

Es ist unklar, wohin Oberlander abgeschoben werden soll, oder ob er ausgeliefert wird, um vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt zu werden.