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Billiges Öl: Lohnt es sich, jetzt einen Supertanker zu kaufen?

Schließlich ist der Ölpreis momentan so niedrig wie lange nicht mehr. Wir haben mal nachgerechnet.
Ein rostiger Öltanker liegt ohne Ladung an einem Hafen

Die Coronavirus-Pandemie bedroht nicht nur unsere Gesundheit und unser Sozialleben, sondern auch die Wirtschaft. Millionen Menschen haben weltweit ihre Arbeit verloren, Unternehmen bangen um ihre Existenz und der Ölpreis befand sich zwischenzeitlich 37,63 US-Dollar im Minus. Richtig gelesen, am 20. April hast du für jedes gekaufte Barrel Öl noch einmal 37,63 Dollar obendrauf bekommen.

Wie kann das sein? Normalerweise kaufen Öl-Spekulanten Terminkontrakte. Das sind verbindliche Optionen auf Öl, das man zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft abholt. Spekulanten wetten darauf, dass der Ölpreis in der Zwischenzeit steigt und sie ihren Terminkontrakt gewinnbringend an ein Unternehmen oder andere Spekulanten verkaufen können. Sonst müssten sie das ganze Öl selbst abholen. Aber so weit kommt es normalerweise nicht, weil ihnen immer irgendjemand die schwarze Suppe abkauft, bevor die Terminkontrakte fällig werden. Am 20. April war alles anders.

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Da die Industrie weltweit momentan auf Lockdown-Sparflamme arbeitet, braucht sie weniger Öl. Also schoben die Spekulanten Panik, dass sie tatsächlich das ganze Öl abholen müssen, das sie auf Papier gekauft hatten. Weil das sehr teuer wäre, bezahlten sie Käufer, damit sie ihnen ihre Kontrakte bzw. das Öl abnehmen. Deshalb war der Ölpreis negativ. So viel zu unserem kleinen Ausflug in die schmierige Welt der Ölpreise und damit zum eigentlichen Punkt: Wie kann man das ausnutzen, um reich zu werden?

Würde es sich vielleicht lohnen, einen Öltanker zu kaufen, ihn mit billigem Öl zu füllen und später gewinnbringend zu verkaufen? Ja, wer kann heute schon sagen, wie lange das mit dem Journalismus noch so weitergeht? Hier ist unser wahrscheinlich unvollständiger und definitiv inkompetenter Ausflug ins Geschäft der Öl-Lagerung:

Das Schiff

Gebrauchte Öltanker gibt es reichlich. Das suggeriert jedenfalls ein Blick auf die Seite Horizon Ship Brokers, einer Art mobile.de für Industrieschiffe in der Multimillionen-Dollar-Preisklasse.

Die meisten Preise gibt es nur auf Anfrage, aber die aufgelisteten Schiffe kosten zwischen zehn und zwanzig Millionen US-Dollar – je nachdem, wie viel Öl sie fassen und in welchem Zustand sie sind. Unser Traumschiff für dieses Unterfangen sollte möglichst günstig sein und dabei möglichst viel Öl schlucken können. Ansprüche an Optik und Design stellen wir keine.

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Nach einer gründlichen Prüfung aller Inserate entscheiden wir uns für einen 274 Meter langen Suezmax-Tanker für 17 Millionen US-Dollar. Das Schiff wurde 2000 von Daewoo Heavy Industries gebaut, liegt momentan irgendwo vor Afrika – Afrika ist verdammt groß – und hat eine Tragfähigkeit von 159,057 Deadweight Tons oder DWT, wie man die Tragfähigkeit von Handelsschiffen bezeichnet. Wie der Name schon sagt, ist die Suezmax der größte Schiffstyp, der beladen den Suezkanal passieren kann.

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Der Suezmax | Foto: Horizon Ship Brokers

Die Tragfähigkeit sagt allerdings noch nicht, wie viel Öl das Schiff laden kann. Besatzung und Equipment muss man auch noch dazurechnen. Aber unsere Suezmax gehört schon zu den größeren Tankern und über den Preis lässt sich eigentlich nicht meckern. Aber Vorsicht: Das Schiff ist als "AS IS" gelistet, wird also im Zustand "wie gesehen" verkauft. Als gute Tankerkäufer sollten wir das Schiff also mit prüfendem Blick unter die Lupe nehmen, an zufällig ausgewählten Stellen gegen die Außenwand treten und zwischendurch ein skeptisch-grummelndes "mhmmm" von uns geben. Wenn wir uns geschickt anstellen, können wir den Preis noch um ein, zwei Milliönchen drücken.

Das Öl

OK, wir haben den Tanker, jetzt brauchen wir das Öl. Aber wie viel? Welches? Und überhaupt: woher?

Einem Rohstoffhändler zufolge ist das Kaufen ziemlich einfach: Du bezahlst einen registrierten Händler, der dann in deinem Auftrag Terminkontrakte für Öl kauft. Wichtig für uns: Diese Verträge müssen kurz vor der Erfüllung stehen, damit wir das Öl auch wirklich bekommen.

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Alternativ könnten wir das Öl auch als sogenanntes Kassageschäft kaufen und es damit sofort erhalten. Das wäre allerdings nicht ganz so günstig. Der Preis liegt bei etwa 22 US-Dollar pro Barrel, während wir diesen Artikel schreiben. Aber hey, wir wollen richtig Asche machen, also zurück zum spekulativen Teil des Ölmarkts. Terminkontrakte für "West Texas Intermediate"-Öl bewegen sich gerade bei etwa 5 US-Dollar pro Barrel.

Der U.S.-Energie-Informationsbehörde zufolge berechnet man die Ladekapazitäten eines Öltankers grob, indem man 90 Prozent der Tragfähigkeit nimmt und diese in Barrel umrechnet – dem Gewicht der entsprechenden Ölsorte entsprechend. Demnach kann unserer Suezmax schon etwa 143.151 Tonnen laden.

Es gibt verschiedene Sorten Rohöl – leichtes und schweres, süßes und saures. Wir wollen möglichst gutes Öl für unser Geld bekommen, also nehmen wir West Texas Intermediate, eine leichte und süße, also schwefelarme Sorte. Das Zeug ist aktuell bei Termingeschäften unfassbar günstig. Umso besser für uns!

Mithilfe eines praktischen Online-Umrechners kommen wir zu dem Ergebnis, dass unsere Suezmax etwas über einer Million Barrel vom leckeren Texas-Öl fassen kann. Bei einem Terminkontrakt würde uns ein voller Tanker also etwas über fünf Millionen US-Dollar kosten. Wahrscheinlich sogar noch weniger, wenn wir uns schlau anstellen, was wir aber eindeutig nicht tun würden.

Wären wir superschlau und würden über hellseherische Fähigkeiten verfügen, hätten wir das Öl an seinem bisherigen Tiefpunkt von -37,63 US-Dollar pro Barrel gekauft. Dann hätten wir über 40 Millionen US-Dollar verdient – einfach nur indem wir das Öl nehmen. Dann hätten wir nicht nur das Geld für den Öltanker reinbekommen, sondern auch noch 24 Millionen US-Dollar über, um auszuklamüsern, wie wir das ganze Öl aus Cushing, Oklahoma, wo es gelagert wird, in unseren Tanker kriegen. Leider haben wir das nicht gemacht. Hast du aber auch nicht. Und überhaupt ist es jetzt eh zu spät.

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Haben wir Geld verdient?

Momentan ist Öl ziemlich wertlos. Also selbst wenn wir unseren Plan perfekt durchgezogen hätten, hätten wir jetzt einen Tanker voller Öl und stünden Millionen Dollar im Dispo.

Um keine Miesen zu machen, müssen wir das Öl für mehr verkaufen als den Kaufpreis und die Lagerkosten, also unseren Tanker. Das sind insgesamt gut 23 US-Dollar pro Barrel. Wir wollen jetzt mal nicht so tun, als könnten wir den Ölpreis der kommenden Monate voraussagen – und ja, wir merken langsam auch, dass die ganze Idee ziemlich bescheuert war. Aber gehen wir mal davon aus, dass WTI Terminkontrakte auf den Wert von Januar 2020 steigen, also 55 US-Dollar pro Barrel.

Verdammt, dann hätten wir insgesamt 34.839.712 US-Dollar Profit gemacht.

Also, wenn du 23 Millionen US-Dollar, einen Haufen Kontakte in der Ölindustrie und ein Händchen für Schnäppchen zu Krisenzeiten hast, dann herzlichen Glückwunsch: Du bist das größte Arschloch der Welt! Abgesehen davon kannst du anscheinend gut Geld verdienen.

Natürlich haben wir bei unserer Kalkulation einen Haufen Faktoren ausgelassen – Personal, Schiffserhaltungskosten, Gebühren, Tankersprit, blablub. Unter dem Strich zählt aber: Wir hätten mit einem alten, verrosteten Tanker ordentlich Geld verdient. Oder anders gesagt: Der Rohstoffhandel ist absurd und der Kapitalismus einfach unfähig, in Krisenzeiten eine vernünftige Verteilung von Gütern zu gewährleisten. Es ist der gleiche Grund, warum Bauern ihre Ernte zerstören oder Milch wegkippen, während andere Menschen Hunger leiden – und warum wir überlegen, einen Öltanker zu kaufen.

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