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Gerichtsurteil

Der Zürcher G20-Demonstrant muss nicht ins Gefängnis

Nach elf Wochen in Untersuchungshaft wurde der 29-Jährige am Donnerstag teils schuldig gesprochen – mit einer Bewährungsstrafe.

Während die meisten inhaftierten Demonstranten rund um den G20-Gipfel in Hamburg nach kurzer Zeit wieder auf freiem Fuss waren, musste ein 29-jähriger Zürcher die vergangenen elf Wochen in Untersuchungshaft bleiben. Wie der Tagesanzeiger gestern berichtete, durfte er während dieser Zeit pro Monat gerade mal eine Stunde telefonieren und zwei Stunden Besuch empfangen. Zu hart, fand seine Verteidigerin: In der Schweiz wurde ein Angeklagter in einem ähnlichem Fall mit 500 Franken gebüsst, während über ihren Mandant zusätzlich zu den Haftbedingungen ein medialer Shitstorm hereinbrach – inklusive anschliessender öffentlicher Verhandlung. In einem Artikel publizierte Blick am Abend ein wenig zensiertes Foto aus einem früheren Tagesanzeiger-Bericht, in welchem der Angeklagte als Inhaber eines Zürcher Restaurants portraitiert wurde.

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Nur schon mit einer einfachen Google-Suche konnten so der volle Name und das Restaurant des Angeklagten herausgefunden werden. Deshalb plädierte die Verteidigerin heute auf Freispruch: "Das war Strafe genug", sagte sie in der Verhandlung. Der Verurteilte gab zu, zwei Flaschen auf Polizisten geworfen zu haben, wofür er sich auch entschuldigte. Er habe das nur gemacht, weil er betrunken gewesen sei, was ein Alkoholtest auch bestätigte. Der Demonstrant bestritt aber, einen unbeteiligten Passanten angegriffen zu haben. Auch das Hamburger Gericht sah diesen Vorwurf nicht bewiesen, sprach ihn jedoch für die Flaschenwürfe wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte schuldig. Das Strafmass: ein Jahr Haft.


Dieser Demonstrant muss hingegen seine Strafe absitzen:


Trotzdem darf der Verurteilte heute nach Hause gehen, im Gegensatz zu einem seiner Vorgänger wurde seine Strafe auf Bewährung ausgesprochen – auch weil er bisher nicht vorbestraft war. Gegenüber 20 Minuten sagte die Verteidigerin heute, dass man "recht zufrieden sein könnte, im Lichte der bisher gefällten Urteile zu den sogenannten G-20-Taten." Trotzdem kritisiert sie, dass die Urteile für Flaschenwürfe heute deutlich härter ausfallen als früher und unterstellt dem Gericht, aktiv bei den Medien dafür gesorgt zu haben, dass ihr Mandant identifiziert hätte werden können und als "Schlägertyp" dargestellt wurde.

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