Der Hass zwischen Blackburn und Burnley ist so alt wie der Fußball selbst
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Der Hass zwischen Blackburn und Burnley ist so alt wie der Fußball selbst

Ohne Polizeieskorte geht beim Hass-Derby zwischen Blackburn und Burnley nichts. Auch dank Flugzeugbannern, die den Gegner im eigenen Stadion verhöhnen. Wir waren beim letzten Derby dabei.

Zehn Uhr morgens an einem Samstag in Blackburn. Die Straßen rund um den Ewood Park sind gesäumt von Fußballanhängern, die sich die Kante geben. Während Dose um Dose gekillt wird und Fangesänge durch die Morgenluft wandern, springt plötzlich ein Fan der Blackburn Rovers aus einem Taxi, rennt wie ein Irrer in eine Nebengasse und schreit: „Wir sind Blackburn Rovers, wir pissen, wo wir wollen!"

Wie die anderen Rovers-Fans ist auch er hier, um sich mit dem Bus nach Burnley chauffieren zu lassen. Dort, im „Turf Moor"-Stadion, wird Blackburn auf Burnley treffen. Die Auswärtsfahrer der Rovers haben keine andere Wahl, als sich mit polizeieskortierten Bussen auf die kurze Reise zu machen. Eintrittskarten werden nur mit Bustickets verkauft. Anders kommt heute keiner ins Stadion. Das gilt auch für mich und meinen Vater—zwei Blackburn-Fans, seitdem wir denken können.

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Die strengen Reisebestimmungen für Auswärtsfans im sogenannten „East Lancashire"-Derby sprechen Bände über die Beziehung zwischen den beiden Teams. Die Maßnahmen sind aus Polizeisicht nötig, um Chaos und Ausschreitungen zu verhindern. Denn wenn Blackburn und Burnley aufeinandertreffen, können aus erwachsenen—und meist sogar zivilisierten—Menschen echte Tiere werden.

Als Gründungsmitglieder der Football League ist die Rivalität zwischen beiden Vereinen fast so alt wie der Sport. Schon im späten 19. Jahrhundert musste ein Spiel abgebrochen werden, nachdem es zwischen Burnley- und Blackburn-Fans zu schweren Ausschreitungen gekommen war. Auslöser soll damals ein Einspruch der Rovers bei den Behörden gewesen sein, dass Burnley eine unerlaubte Zahl an schottischen Spielern unter Vertrag hätte. Außerdem hatte die Tatsache, dass Blackburn bei einem großen Baumwollgeschäft die Nachbarn aus Burnley ausstechen konnte, die Rivalität zwischen beiden Städten weiter verschärft.

Doch nicht immer ging es zwischen den Streithähnen aus dem Nordwesten Englands so unversöhnlich zu. Vor den 70er-Jahren koexistierten beide Fanlager eine ganze Zeit lang friedlich nebeneinander, manchmal besuchte man sogar die Heimspiele der anderen. Doch als sich der Hooliganismus im britischen Fußball breitmachte, wurde die Spielpaarung wieder zu einem garantierten Chaos- und Gewalttermin, bei dem sich die rivalisierenden Fangruppen durch die Stadt jagten, prügelten und Züge mit Steinen bewarfen.

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Burnley spielte häufig höherklassig als Blackburn—zwischen 1947 bis Mitte der 70er war man in der ersten Liga vertreten—, bis es schließlich bergab ging. 1987 wäre man fast sogar gänzlich aus der Football League und damit auch dem Profifußball geflogen. Gleichzeitig erlebte der ewige Rivale Blackburn in den 90ern eine sehr erfolgreiche Zeit, in der man sogar englischer Meister wurde. Jetzt waren die Rovers an der Reihe, eine kesse Lippe zu riskieren.

Als Burnley 1991 in einem Playoff-Spiel vor heimischem Publikum den Aufstieg verpasste, flog ein Flugzeug mit dem Banner „Staying down 4 ever luv Rovers Ha Ha Ha" („Ihr werdet für immer unten bleiben. Liebe Grüße, die Rovers. Hahaha)" über das Turf Moor. Die Aktion soll angeblich von der Blackburn-Legende Simon Garner finanziert worden sein. Vielleicht war das seine persönliche Rache für den Schreckensmoment, den ihm einst ein Burnley-Fan eingejagt hatte. Denn nachdem Garner gegen den Lokalrivalen getroffen hatte, wartete vor der Kabinentür ein Burnley-Fan mit einem Fleischerbeil in der Hand.

Die unterschiedlichen Leistungsentwicklungen führten dazu, dass die beiden Mannschaften zwischen 1983 und 2000 in keinem einzigen Ligaspiel aufeinander getroffen sind. Doch die Derby-Abstinenz hat den Hass anscheinend nur noch weiter geschürt. Denn als es 2000 endlich wieder so weit war, verwüsteten Burnley-Fans nach einer 0:2-Heimniederlage ihre eigene Innenstadt, worüber sich Rovers-Anhänger noch heute lustig machen. Millionen von BBC-Zuschauern erlebten 2005 bei einem Aufeinandertreffen im FA-Cup gleich drei Platzstürme. Unter anderem forderte ein Burnley-Hooligan Blackburns Robbie Savage zum Kampf auf, bevor er zwei Polizisten angriff.

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Auch 2010 kam es zu Ausschreitungen, warum die massive Polizeipräsenz beim diesjährigen Derby absolut nachzuvollziehen ist.

Vor dem Stadion in Burnley mangelt es nicht an Polizisten. Foto: PA Images

Gegen halb elf sind die Fans in ingesamt 36 Bussen abfahrbereit. Doch auch nach 20 Minuten tut sich noch immer nichts. Die ersten Passagiere werden immer ungeduldiger. „Was für ein Scheiß! Wir könnten schon längst da sein!" Was keine Übertreibung ist, liegen zwischen den beiden Städten doch nur wenige Kilometer.

In Heeresscharen verlassen die Fans wieder die Busse, um sich an nahegelegenen Zäunen zu erleichtern. Um die Zeit konstruktiv zu überbrücken, werden Atemschutzmasken verteilt. Mit der Aktion soll Burnley als von Krankheitserregern verseuchtes Moloch dargestellt werden. „Die werden wir in dem Shithole auf jeden Fall brauchen, Jungs!"

Als die Karawane um elf endlich losrollt, beginnen sofort die Fangesänge. „Wir fahren in Lancashires Analdrüse!", schreit einer ganz hinten im Bus. Die ersten Bewohner Burnleys werden stilecht mit Victory-Zeichen und Gegen-die-Scheibe-Schlagen begrüßt. Als Dankeschön bespucken die Gastgeber unseren Bus in allen Farben. Das Derby kann beginnen.

Foto: PA Images

Vor dem Stadion wird uns mitgeteilt, dass ein jeder, der sich mit einer Maske erwischen lässt, sofort nach Blackburn zurückgeschickt wird. Vor den Einlasstoren bilden sich lange Schlangen, die Körperkontrollen nehmen ihren Lauf. „Was ist da drin?", will ein Order von meinem Vater wissen und zeigt auf eine Jackentasche. „Fleischpastete", lautet seine Antwort. „Gott sei dank, ich dachte schon, Sie wollen eine dieser Masken ins Stadion schmuggeln."

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Anstoß ist um 12:30 Uhr, und schon nach 16 Minuten kommt die kalte Dusche für uns Blackburn-Fans. Strafstoß und 1:0-Führung für Burnley. Hämische Fangesänge lassen nicht lange auf sich warten.

In der 20. Minute wird dann des jüngst verstorbenen Burnley-Fans Daniel Redman mit Standing Ovations gedacht. Daniel wurde nur 20 Jahre alt. Einige Blackburn-Fans zeigen sich von ihrer schlechtesten Seite und strecken den Mittelfinger in den Himmel. Doch die meisten von uns schließen sich der Totenehrung an und vergessen für einen Augenblick die uralte Rivalität zwischen unseren Vereinen.

Bleibt die Frage, ob jemand—und wenn ja, wie viele—überhaupt seine volle Aufmerksamkeit dem Spiel schenkt. Denn die meisten schimpfen und beschimpfen wie Rohrspatzen die gegnerischen Fangruppen. Ein Blackburn-Anhänger steht 90 Minuten lang auf seinem Sitz Richtung Burnley-Fans und überschüttet die für immer Verhassten mit einer bunten Hasstirade, bei der er sich seine Gegner einzeln rauspickt und ein breites Repertoire von Drohungen und Mutterfick-Methoden offenbart.

Trotz einer starken zweiten Halbzeit unserer Mannschaft bleibt es beim 1:0 für Tabellenführer Burnley. Nachdem wir 34 Jahre lang nicht gegen Burnley verloren hatten, war das jetzt schon die dritte Pleite hintereinander.

Auf beiden Seiten bleiben Fans auch nach dem Abpfiff auf ihren Plätzen, der Austausch von Nettigkeiten geht in die Verlängerung. Einige Blackburn-Fans reißen die hölzernen Sitze aus der Verankerung und recken sie wie Trophäen in die Lüfte.

Foto: Marcus Raymond

Wir Blackburn-Fans trotten zurück zu unseren Bussen. Eine Scheibe wurde während des Spiels eingeschlagen. Die Stimmung auf der kurzen Rückreise ist erwartungsgemäß gedämpft. Bis immer mehr Burnley-Fans am Straßenrand auftauchen, um uns auszulachen.

Ein Rovers-Anhänger verliert die Beherrschung und schreit aus dem Fenster. „Geh deinen Sohn ficken, du Fotze!" Erleichtert setzt sich der Mann zurück zu seinem Sprössling. „So geht das, Kleiner", sagte er grinsend. Der Bus grölt.

Früher habe ich die Derbys noch vollends genossen. Aber sind wir mal ehrlich: Der blinde Hass, die andauernden Beschimpfungen und die stumpfe Gewalt machen aus dem Spiel vieles, aber nur wenig, was mit Fußball zu tun haben sollte. Denn auch echte Derbys sollten ohne Polizeieskorten möglich sein.