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Der ORF wollte eine Doku zur Wehrmacht von FPÖ-Politiker Walter Seledec produzieren lassen

Walter Seledec – Herausgeber des rechten Magazins "Zur Zeit" – sollte für das Gedenkjahr 2018 eine Doku über österreichische Generäle in der Wehrmacht produzieren. Er fiel in der Vergangenheit auch durch kontroverse Aussagen zur NS-Zeit auf.

Titelfoto: Walter Seledec (links) bei der Verleihung des Goldenen Ehrenabzeichens für Verdienste um das Land Wien | Foto: media wien

Update: Wie die APA und Die Presse berichten, hat der ORF inzwischen von den Überlegungen Abstand genommen, Seledec zu beauftragen. Es habe sich nur um eines von vielen Projekten im Evaluierungsstadium gehandelt, heißt es dort.

Walter Seledec ist am Küniglberg sicher kein Unbekannter. Bis zu seiner Pensionierung 2010 war er unter anderem Chef vom Dienst der ZiB, organisatorischer Leiter der ORF-Korrespondenten und Chefredakteur in der ORF-Generaldirektion. Während seiner langjährigen Karriere beim ORF sorgte er außerdem immer wieder aufgrund seiner Nähe zur FPÖ und kontroversen Aussagen zur NS-Zeit für Schlagzeilen und zog den Unmut vieler ORF-Redakteure auf sich.

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2005 nahm Walter Seledec zum Beispiel an einer Kranzniederlegung für den Nationalsozialisten und Jagdflieger der deutschen Luftwaffe Walter Nowotny teil. 2007 gründete er gemeinsam mit den FPÖ-Politikern Johann Herzog und Hans-Jörg Jenewein den "Verein zur Pflege des Grabes Walter Nowotny", dessen stellvertretender Obmann er bis heute ist.

Seither organisiert der Verein jährlich eine Granzniederlegung am Grab Nowotnys am Wiener Zentralfriedhof. Das Gedenken an den NS-Flieger hat sich dabei auch zu einem zentralen Event der rechtsextremen Szene entwickelt. So nahm etwa der Bund freier Jugend an der Gedenkfeier teil, um dort "stellvertretend für alle, im heldischen Ringen um des Vaterlandes Ehre und Freiheit, Gefallenen, Major Walter Nowotnys zu gedenken und ihm die zustehende Ehre zu erweisen".

Aber auch deutschnationale Burschenschafter, rechtsextreme Skinheads aus dem Umfeld von Blood and Honour und der Neonazi Gottfried Küssel nahmen bereits am Nowotny-Gedenken teil.

Gottfried Küssel beim Nowotny-Gedenken im November 2008. Foto: InSight Blog | flickr | CC BY 2.0

Dass Walter Seledec keine Berührungsängste mit ehemaligen Nationalsozialisten hat, zeigt auch seine Unterschrift auf einer Traueranzeige für den verstorbenen FPÖ-Spitzenpolitiker Friedrich Peter aus dem Jahr 2007. Friedrich Peter war bereits 1938 der NSDAP beigetreten, war Freiwilliger der Waffen-SS und stieg bis zum SS-Obersturmführer des Infanterie-Regiment 10 der 1. SS-Infanteriebrigade auf. Teile dieser Einheit ermordeten hinter der Front systematisch hunderttausende Jüdinnen und Juden.

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Umso mehr verwundert es, dass – wie das Profil in seiner aktuellen Ausgabe berichtet – ORF III ausgerechnet Walter Seledec mit der Produktion einer Dokumentation über österreichische Generäle in der deutschen Wehrmacht beauftragt hat. Die Doku soll im Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 ausgestrahlt werden.

"Dafür habe ich kein Verständnis", schreibt der grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser in einem Beitrag auf seinem Blog. Walser verweist auf die "geschichtsrevisionistische Sichtweise" auf das Thema, die Walter Seledec durch "seine Aktivitäten und Äußerungen auf vielfältige Wiese" gezeigt habe.

"Es besteht zweifellos die große Gefahr, dass die geplante Dokumentation zum Reinwaschungsversuch der beteiligten NS-Generäle gerät", so der Historiker und Grünen-Politiker. "Das wäre gerade im Gedenkjahr 2018 schlichtweg eine Katastrophe. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat jedenfalls Erklärungs- und Handlungsbedarf."

Unterstützung bekommt Harald Walser in seiner Kritik an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz vom pensionierten Bundesheer-General Hubertus Trauttenberg. Dieser soll laut Walser in einem Brief an Alexander Wrabetz geschrieben haben, dass der ORF-Generaldirektor "die notwendige ideelle und emotionale Distanz und Neutralität" beim Thema der Dokumentation vermissen lassen würde.

"Die Totengräber der deutschsprachigen Völker von der Ostsee bis zu den Karawanken sind Frau Merkel und ihr Verbündeter Werner Faymann."

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Dass Walter Seledec nicht nur beim Gedenken an den NS-Flieger Nowotny eine weit rechts stehende politische Haltung einnimmt, zeigt auch seine Funktion als Mitherausgeber und ehemaliger Chefredakteur der Wochenzeitung Zur Zeit, die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als "publizistisches Bindeglied zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus" beschrieben wird.

Dort hat sich Walter Seledec in letzter Zeit vor allem über die "Gutmenschen" und "Weltverbesserer" ausgelassen, die "mit der Brandfackel der Rache durch unser Land" ziehen und sogenannte "Heldendenkmäler" bekämpfen würden – "nur" weil unter den "Gefallenen des Zweiten Weltkriegs auch einige Angehörige der SS angeführt wurden". Damit würden sie eine "Kulturschande" betreiben, heißt es weiter, die es nicht einmal "bei den Kulturvölkern im alten Amerika" gegeben hätte – nämlich die "Rache über den Tod hinaus". (Zur Zeit 9/2015)

Auch zum Flüchtlingsthema hatte Seledec die letzten Monate immer wieder etwas beizutragen. So sinnierte der FPÖ-Politiker zum Beispiel über die Frage, ob denn die "sogenannten Flüchtlinge" vielleicht deshalb "ins Land eingeladen" wurden, weil "man sogar froh [war], dass sich mit diesem Massenzustrom leichter das Ziel einer 'multikulturellen' Bevölkerung verwirklichen ließe".

Weiters schreibt er:

"Die Totengräber der deutschsprachigen Völker von der Ostsee bis zu den Karawanken sind Frau Merkel und ihr Verbündeter Werner Faymann. Sie haben sie alle gerufen und stehen nun vor den Trümmern ihrer Politik. Zur Rechenschaft für die Bedrohung der eigenen Völker werden sie vermutlich nie gezogen. Jetzt sind sie eben da, die 'Flüchtlinge'. Weitere Hunderttausende werden ihnen folgen. Gott schütze dieses Land!" (Zur Zeit 1-2/2016)

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An anderer Stelle schreibt Walter Seledec von "bedrohten Räumen der Republik", auf deren Grenze sich "Völkerströme im Ausmaß ganzer Heerscharen" zubewegen würden (Zur Zeit 6-7/2016) und folgert ein paar Ausgaben von Zur Zeit später:

"Wenn der Staat [sich] nicht mehr helfen kann, muss es das Recht des Bürgers sein, sich selbst zu helfen". (Zur Zeit 29-30/2016)

Was genau er damit meint, lässt Seledec offen.

Dass Walter Seledec seine Gesinnung in der ORF-Doku über österreichische Generäle in der deutschen Wehrmacht ebenso offensichtlich zur Schau stellen wird, wie er es in seinen Beiträgen für Zur Zeit tut, ist unwahrscheinlich. Dass unter Seledec' Regie das Thema apologistisch angegangen werden könnte und die Wehrmacht als ideologisch vom NS-Regime zu unterscheidende Streitmacht Deutschlands dargestellt werden könnte, liegt aber auf der Hand. In einem Beitrag zum Bundesheerdenkmal schrieb Seledec zum Beispiel ironisch:

"Da das Bundesheer jetzt eine 'eigene Geschichte' hat, kann man sich von der Traditionspflege der k. u. k. Armee ganz leicht trennen. Und die Soldaten der Wehrmacht waren 'sowieso' alle mit einem Fuß 'im Kriminal'. Also weg mit ihnen aus der Erinnerung! Das alles ist eine Schande!" (Zur Zeit 43-44/2016)

Wie tief verwurzelt die ablehnende, geschichtsrevisionistische Haltung gegenüber einer österreichischen Verantwortung für die Verbrechen der Nazis und den verbrecherischen Eroberungsfeldzug der Wehrmacht in jenem Milieu ist, in dem sich Walter Seledec bewegt, zeigt auch ein Beitrag in Zur Zeit aus dem Jahr 2008.  Dort ist zu lesen:

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"Vor allem die linken Intellektuellen als totalitäre Moralisten haben es nach 1945 verstanden, unser deutsches Volk in Geiselhaft zu halten, und uns beigebracht, bezüglich der Selbstkritik uns von keinem anderen Volk übertreffen zu lassen. Denn das Gebot dieser zeitgeistigen Priesterkaste 'Niemals vergessen!' ist eigentlich eine Drohung gegen unsere Väter und Großväter […]. Diese Drohung ist die ständige Inokulation mit einem unheilbaren Virus, der sich in den Volkskörper eingenistet hat." (Zur Zeit 22/2008)

Dass ein FPÖ-Politiker, der als Herausgeber der Zeitschrift für solche Zeilen mitverantwortlich ist, ausgerechnet für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 eine Doku über österreichische Generäle in der Wehrmacht für das öffentlichrechtliche Fernsehen produzieren soll, kann eigentlich nicht im Interesse des ORF sein. Schließlich wird hier möglicherweise auch der Bildungsauftrag, den der ORF eigentlich erfüllen sollte und mit dem zum Beispiel geschichtliche Zusammenhänge, politische Bildung, Toleranz und Aufgeschlossenheit vermittelt werden sollen, grob verletzt.

Warum man beim ORF dennoch auf Walter Seledec zurückgreift, bleibt offen – sowohl der ORF, als auch Walter Seledec ließen mehrere Anfragen von VICE bis zum Eröffentlichungszeitpunkt unbeantwortet. Laut Oberösterreichischen Nachrichten wurde mit Seledec nach seiner Pensionierung jedenfalls kein "fixes weiteres Engagement, etwa zum Drehen von Dokus" vereinbart.

Paul auf Twitter: @gewitterland

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