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Die skrupellosen Wohltäter—Warum wir Bayern für seine Benefizspiele dankbar sein sollten

Gestern Abend spielte der FCB gegen Dynamo Dresden eines seiner berühmten Benefizspiele. Den Bayern wird Doppelmoral vorgeworfen, dabei leben sie weiterhin nach der Uli-Hoeneß-Moral: Sei skrupellos und tue Gutes.
Foto: Imago

Gestern Abend spielte der FC Bayern München in einem Freundschaftsspiel gegen Dynamo Dresden und setzte sich beim Drittligisten erwartungsgemäß mit 3:1 durch. Für Pep Guardiola war es eine tolle Gelegenheit, auch der zweiten Garde etwas Spielpraxis zu bieten, verschiedene Spielsysteme auszuprobieren und schon mal die erste „englische Woche" der noch jungen Saison zu simulieren.

Doch eigentlich ging es in dem Spiel gar nicht um die Bayern, sondern um den Gastgeber aus Dresden. Das Freundschaftsspiel war ein Benefizspiel. Dabei steckt Dynamo nicht mal wirklich in einer wirtschaftlichen Krise. Im laufenden Geschäftsjahr fuhr die SGD mit einem Gewinn von 2,7 Mio. Euro ein Rekordergebnis ein. Doch in Dresden will man zeitnah ein Darlehen in Höhe von 5,25 Mio. Euro (die Verbindlichkeiten sollen sich zinsbedingt mittlerweile auf über 7 Mio. Euro belaufen) an Investor Michael Klöppel zurückzahlen, und Bayern München war bereit, den Dresdnern dabei unter die Arme zu greifen. Dank der Erlöse aus dem Verkauf von Tickets, Fanartikeln und den TV-Übertragungsrechten kann Dynamo mit Einnahmen von rund zwei Millionen Euro rechnen. Das Benefizspiel eingefädelt hat übrigens der gebürtige Görlitzer und frühere Dynamo- und Bayernspieler Jens Jeremies, auch wenn die Idee selbst von Dynamo-Fans gekommen ist.

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Keine Frage, eine super Aktion der Bayern. Doch ging es in der Partie wirklich nur um das Los der Traditionsmannschaft aus Dresden? Manche Kritiker werfen den Bayern nämlich vor, das Benefizspiel vor allem aus Image- und Marketinggründen organisiert zu haben. Ganz nach dem Motto: Wir zeigen den deutschen Fußballfans, dass auch der FCB eine menschliche Seite hat, dass es auch den Bayern um mehr geht, als nur den Verein als globale Marke auszubauen und möglichst viele Titel zu sammeln.

Dieser Verdacht wurde bereits früher geäußert, denn Benefizspiele haben bei den Bayern eine lange Tradition.

Schon im Sommer 2003 organisierten die Bayern ein Benefizspiel gegen den FC St. Pauli. Nach dem Spiel durfte Uli Hoeneß am Millerntor sogar eine Ehrenrunde drehen—also dort, wo er und sein Verein ansonsten als kalter Kapitalistenverein verabscheut wurden. Weitere Benefizspiele folgten, erst im Januar 2013 gegen Alemannia Aachen, dann im Juli desselben Jahres gegen Hansa Rostock. Im Unterschied zum gestrigen Dresden-Spiel stand bei den drei vorigen Benefizspielen die Zukunft der Vereine auf der Kippe.

Übrigens passen Benefizspiele perfekt ins alte Bayern-Schema: Geht es um den eigenen Erfolg, geht man auch schon mal über Leichen, wird die Konkurrenz auch schon mal absichtlich geschwächt. Gleichzeitig ist man aber für die ganz Armen und Schwachen da und hilft aus, wo es nur geht. Dieses stark ambivalente Verhaltensmuster wird auch in der Person von Uli Hoeneß widergespiegelt. Der hat schon Millionen für einen guten Zweck gespendet, aber gleichzeitig den deutschen Fiskus um unzählige Millionen betrogen.

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Was hat aber der FC Bayern von all diesen Benefizspielen? Natürlich bieten sie, wie auch gestern gesehen, dem Trainer eine gute Möglichkeit, deutlich mehr als elf Spieler und verschiedene Systeme spielen zu lassen. So war beispielsweise das Rostockspiel eines der allerersten Testspiele der Bayern nach der Guardiola-Verpflichtung, sodass man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: helfen und testen. Gleichzeitig ist denkbar, dass sich die Bayern mit den Spielen gegen Rostock und Dresden auch im Osten der Republik ein bisschen beliebter machen wollten. Bei den Spielen gegen St. Pauli und Alemannia Aachen ging es den Bayern nach eigener Aussage darum, zwei deutsche Traditionsvereine vor dem Konkurs zu retten.

Und was sollte jetzt das Spiel gegen Dresden? Die mussten doch gar nicht gerettet werden. Also doch nur ein Marketing-Kniff? Wir glauben: nein. Schließlich haben es die Bayern mitnichten nötig, eine solche Partie nur aus Imagegründen auf die Beine zu stellen. Der FCB hat—Stand: 19. Juli 2015—mehr als 258.000 Vereinsmitglieder und damit mehr als doppelt so viele wie Borussia Dortmund (125.000). Zumal das Hauptaugenmerk der Bayern eh die Märkte im Ausland—und da vor allem in Asien—sind, da dort das größte Wachstumspotential zu finden ist. Und ja, natürlich kommt es dem FC Bayern sehr zupass, als netter Gönner und Retter der kleinen Vereine—nicht selten aus dem Osten—in den Schlagzeilen zu stehen. Dass Bayern-Mediendirektor Markus Hörwick im Rahmen des Rostock-Benefizspiels gesagt hat, „Unser Motto ist: Tue Gutes und sprich nicht darüber", sollte man darum auch cum grano salis, also bitte mit Vorsicht genießen. Denn die Bayern-Verantwortlichen müssen natürlich gar nicht selber darüber sprechen, das tun Sportjournalisten schon zur Genüge. Und wenn selbst Pauli-Fans Uli Hoeneß zujubeln, weiß man, dass der Bayern-Marketingabteilung damals ein großer Coup gelungen ist.

Der Retter des Weltpokalsieger-Besiegers, hier stilecht vor der Telekom-Bande

Aber so what? Warum soll nicht auch der FC Bayern einen Nutzen daraus ziehen, wenn er seine Spieler dafür einsetzt, einem anderen Verein zu helfen. Natürlich macht das Bayern noch lange nicht zum altruistischen Charity-Verein. Natürlich müssen wir jetzt nicht alle Bayernfans sein (und, nein, ich bin auch keiner). Natürlich kann man weiterhin kritisch beäugen, dass die Bayern-Chefetage in der Vergangenheit wiederholt Wasser gepredigt, aber Wein gesoffen hat (etwa als Uli Hoeneß 2013 vor „spanischen Verhältnissen" in der Bundesliga warnte und sich um die sportliche Lage der Konkurrenz sorgte, aber nur wenige Wochen später Mario Götze vom Titelrivalen Borussia Dortmund wegkaufte). Doch all das macht das Engagement der Bayern, sowohl gestern gegen Dynamo als auch in den Jahren zuvor, in keinster Weise weniger bemerkens- und lobenswert. Bayern jetzt einen Strick daraus zu drehen, dass sie einen vormals in Not geratenen Traditionsverein geholfen haben, hat schon fast etwas Perverses.

Und selbst wenn die Bayern tatsächlich aus 100-prozentigem Eigeninteresse gehandelt haben sollten, den Pauli-, Rostock-, Aachen- und neuerdings auch Dresden-Fans wird das herzlich egal sein. Für sie zählt nur, dass Bayern München für sie da war, als man ihre Hilfe brauchte. Denn eine Sache sollte bei der Diskussion klar sein: Dresden, Aachen, Rostock und St. Pauli haben das Spiel gebraucht, der FCB aber nicht.