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Antisemitismus

Das "U-Bahn bis nach Auschwitz"-Lied geistert noch immer durch den Fußball

Weil zwei BVB-Fans von "einer U-Bahn von Jerusalem bis nach Auschwitz" sangen, wurden sie verurteilt. Obwohl es häufig zu Strafen kommt, wird das Lied noch weiter gesungen.
Foto: Imago

Ich habe das "U-Bahn-Lied" schon oft an Spieltagen aus den Mündern betrunkener Fußball-Prolls gehört. Seit Jahren wird der Gesang schon von Fußballfans in Deutschland gesungen. Diesmal hörte man das Lied in Dortmund. "Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir", sangen zwei Fans von Borussia Dortmund beim Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 im April 2014. Es folgte eine Anzeige wegen Volksverhetzung.

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Den Vorwurf der Volksverhetzung konnten die beiden Fans überhaupt nicht nachvollziehen. Ihre erschütternde Ausrede vor Gericht: Sie hätten das Lied in der Nähe einer Gruppe von Mainz-Anhängern gesungen und laut ihnen sei es klar gewesen, dass der Text als Verhöhnung unter rivalisierenden Fangruppen gemeint gewesen sei. Das Amtsgericht Dortmund sah das anders und verurteilte die 42- und 45-Jährigen zu einer Geldstrafe von jeweils 5.400 Euro. Nach einem Einspruch bestätigte das Oberlandesgericht in Hamm jetzt das Urteil.

"Mainz ist nicht Jerusalem und Jerusalem war an dem Spiel nicht beteiligt", erklärten die Richter in der Revision. Der Text sei "ohne Weiteres" auf den Holocaust zu beziehen. Schon das Wort "Auschwitz" gilt hierfür als Synonym (BGH-Urteil vom 20. Dezember 2004; Az.: 2 StR 365/04). Der Text des Liedes sei deshalb eine Billigung der Massenvernichtung der Juden im Konzentrationslager Auschwitz. Da die U-Bahn erst noch gebaut werden soll, hätten die Sänger symbolisch die Möglichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine Wiederholung der Deportationen denkbar sei.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Fußball-Fans wegen des "U-Bahn-Lieds" vor Gericht verantworten mussten. Der Gesang geistert schon seit Jahren durch die deutsche Fanszene und wurde lange Zeit auch in vielen Stadien gesungen, um den Gegner zu beleidigen. In fast jeder Stadionordnung ist das antisemitische Lied jedoch verboten. Seitdem der Rassismus—zumindest der verbale—weitgehend aus den Stadien verdrängt wurde, erklingt der Gesang nun wieder von den Proleten in ganz Deutschland in Fanbussen, Sonderzügen oder vor den Stadien.

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Strafrechtlich relevant ist das Lied aber generell nicht. Das führt zu einer grotesken Situation: Während etwa in Frankfurt (oder auch jetzt in Dortmund) das Lied verboten ist und es schon zu Verurteilungen kam, war das in Rostock anders. Das Oberlandesgericht stufte dort im Jahr 2007 (nach § 130 StGB) einen ähnlichen Gesang von Hansa-Rostock-Fans (gegen den FC St. Pauli) als nicht volksverhetzend ein. Damals sangen Fans: "Ihr könnt nach Hause fahrn', ihr könnt nach Hause fahrn'. Eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von St. Pauli bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir." Das Rostocker Gericht legte die „menschenverachtende Vernichtung" anders aus, unter anderem, weil es laut Urteil "offen bleiben kann, ob dies (lediglich) im übertragenen—sportlichen—Sinn zu deuten ist" und die Passage "Ihr könnt nach Hause fahrn'" vor dem eigentlichen U-Bahn-Lied gesungen wurde.

Gerichte in Braunschweig und auch in Cottbus widersprachen dem Urteil in anderen Fällen hingegen. In den meisten Städten Deutschlands wären die beiden BVB-Fans also für den antisemitischen Gesang belangt worden. Es wird aber bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein, dass gewisse Fußballfans das U-Bahn-Lied herausgröllen.

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