Liebe englische Pubs: Zeigt irgendwer die Frauenfußball-WM?
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vice sports geht in einen pub aus journalistischen gründen

Liebe englische Pubs: Zeigt irgendwer die Frauenfußball-WM?

Letzten Sommer sind Millionen Engländer in die Pubs des Landes geströmt, um sich anzusehen wie ihre Fußballmannschaft kläglich versagt. Aber geht auch irgendjemand in die Kneipe, um sich anzusehen, wie das Frauenteam tatsächlich mal Spiele gewinnt?

Nur wenige Ecken der Welt sind finsterer und unwirtlicher als die Kommentar-Spalte unter dem Trailer für FIFA 16. Die Nationalmannschaften der Frauen sind jetzt auch ‚IN THE GAME' und ihre Aufnahme in diesen erlauchten Kreis, der früher nur edlen Männern vorbehalten war, hat eine Menge frauenfeindlicher Ergüsse mit sich gebracht.

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass jeder Schritt in Richtung Geschlechtergleichheit mit einem Sturm der Entrüstung seitens einer Armee aus Tastaturkämpfern einhergeht. Beleidigungen im Internet sind fester Bestandteil der vierten Welle des Feminismus. Trotzdem scheint dieser Schwall an hasserfüllten Kommentaren einen breiteren Trend in der öffentlichen Wahrnehmung von Frauenfußball zu reflektieren. Ich bin Feministin und ich bin Fußballfan; es ist schwierig, das unter einen Hut zu bekommen, wenn es so viele glühende Beispiele von Sexismus innerhalb der Führungsriegen des Sports gibt.

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BREAKING: EA SPORTS FIFA has released the 1st picture of FIFA 16 Women career mode pic.twitter.com/uJRJvJrI7S
— Troll Football (@Troll__Football) June 15, 2015

Sepp Blatter, dessen Amtszeit als FIFA-Präsident bald wahrscheinlich ein eher ruhmloses Ende nehmen wird, kann sich mit der Gewissheit zur Ruhe setzen, dass sein Beitrag zur Geschlechtergleichheit im Prinzip gleich Null geht. Zu den ‚Highlights' aus Sepps Präsidentschaft zählt in diesem Zusammenhang sicherlich sein Vorschlag, dass Spielerinnen doch in engeren Hosen spielen sollen, wenn sie die Popularität ihres Sports vergrößern wollen.

Aufgrund des mangelnden Respekts und der wenigen Ressourcen, die der FIFA-Frauenweltmeisterschaft entgegengebracht werden, ist es nicht überraschend, dass dem Turnier ungefähr mit so viel positiver Aufmerksamkeit begegnet wird wie einer Schiedsrichterin in einem Stammtischgespräch. Mit diesen Tatsachen im Hinterkopf habe ich beschlossen, während des ersten England-Spiels der WM einige der Pubs in meiner Gegend Liverpools zu bedrängen, das Spiel zu zeigen. Manche Leute mögen mich eine Heldin nennen, aber Emily Davison hat sich nicht vor ein Pferd geworfen, damit mir das Grundrecht verwehrt wird, ein paar billige Biere zu trinken und den Engländerinnen dabei zuzusehen, wie sie der französischen Mannschaft hoffnungslos unterlegen sind.

Ihr macht euch über Frauenfußball lustig. Aber wart ihr schon mal bei einem Spiel?

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Liverpool ist eine Stadt, deren Fundament es im Prinzip ist, in der Kneipe Fußball zu schauen und Mist zu reden, also erschien es mir als der ideale Ort für meinen Ein-Frau-Feldzug, die Weltmeisterschaft in jeden Pub entlang meiner Bus-Route zu bringen. Ich hatte vorher ein bisschen recherchiert und örtliche Kneipen angerufen, um zu fragen, ob sie das Spiel zeigen würden. Ich wurde entweder ausgelacht oder freundlich darauf hingewiesen, dass man es zeigen werde „solange es nicht mit richtigem Fußball in die Quere kommt, meine Liebe".

Mein erster Halt auf der feministischen Fußball-Tour war das Brookhouse auf der Smithdown Road. Das Brookhouse gehörte früher zu den Scream Pubs, einer britischen Kneipenkette, und ist hauptsächlich bei Studenten beliebt oder bei Leuten, die auf billigen Fisch stehen. Es ist eine ziemliche Durchschnittskneipe, mit dem gleichen Essen und den gleichen Möbeln, die man in anderen mittelmäßige Kneipen großer Ketten findet.

Vor dem Hintergrund der inspirierenden Telefongespräche hatte ich mit einiger Feindseligkeit gerechnet. Ich nahm an, dass ich dort so willkommen war, wie ein Manchester-Fan auf dem Kop in Liverpool.

Ich war überrascht, als ich herausfand, dass das Spiel bereits lief, obwohl sie nicht erwarteten, dass viele Leute kommen würden, um es sich anzusehen. Einer der Typen hinter der Bar sagte mir, dass das Problem nicht der Frauenfußball, sondern England allgemein sei. Während man sich in der Mitte Englands auch für eine beschissene englische Nationalmannschaft begeistern kann, herrscht im Nordwesten eine stolze Tradition, sich nicht verarschen zu lassen. Das war für mich in Ordnung und mit dem Gefühl, das erreicht zu haben, was ich wollte, habe ich mein Bier runtergestürzt und bin weitergezogen.

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Ich fühlte mich wie Karren Brady auf Ecstasy und habe mein nächstes Ziel in der Gegend angesteuert. Das Camp & Furnace rühmt sich mit der Fanpark-Initiative, die das Beste aus dem englischen, europäischen und internationalen Fußball auf die große Leinwand bringen will und das in einer der angesagtesten Bars der Stadt. Es ist die Art von Laden, in denen die Leute am Spieltag nur Retro-Trikots tragen und es selbstgebrautes Bier gibt. Da dies ein Independent-Laden mit künstlerischem Anspruch ist, dachte ich, dass es der ideale Ort ist, um eine Diskussion über Sexismus im Sport loszutreten.

Das Ergebnis war jedoch einfach nur beschissen und entmutigend. Ich wurde an einen Typen namens Ian verwiesen, der mir das Gefühl gab, als hätte ich ihn gerade mitten in der Geburt seines ersten Kindes unterbrochen, um mit ihm über die Vorzüge eines 4-4-2-Systems zu sprechen. Ian sagte, er hätte nicht gewusst, dass das Spiel läuft, was nicht sein Fehler ist, und er sagte auch, dass sie keine Spiele zeigen, für die es keine Nachfrage gibt, was ich verstehe. Es hat mich trotzdem überrascht, dass die ablehnendste Reaktion des Abends von dem Laden kam, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte.

Ich bin daran gewöhnt, dass mir besoffene Typen in Bars sagen, Frauen gehören nicht auf den Fußballplatz, aber von einer Örtlichkeit, die sich damit rühmt, Fußball zugänglicher zu machen, hätte ich diese totale Gleichgültigkeit und Abneigung nicht erwartet. Ian hatte mir ein paar recht akzeptable abgedroschene Antworten gegeben, aber seine Einstellung war scheiße, also habe ich einen auf Béla Guttman gemacht und ihren Industrie-Schick verflucht, bevor ich mich zurück ins Zentrum der Stadt gemacht habe.

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Nächster Halt war das Rack and Dollar auf der Berry Street. Es hat erst vor Kurzem aufgemacht, aber anscheinend ist Steven Gerrard ein paar Tage nach seinem letzten Spiel für Liverpool hier aufgeschlagen, also hoffte ich, dass ich hier nach der Niederlage im Camp & Furnace mit ähnlicher Begeisterung empfangen werden würde. Rack and Dollar hat alles, was du dir in einer Sportsbar wünschen kannst: eine Gruppe von Typen in Poloshirts, die den Billardtisch belagern, eine übertrieben Anzahl Flatscreens und ein paar weise Worte an den Türen der Frauentoiletten.

Das Spiel lief bereits, als ich dort ankam, und der Inhaber Darren war sehr höflich und ließ mich mit einigen seiner Gäste sprechen. Zu dieser Zeit hatte ich bereits vier große Biere intus und war betrunken genug, um eine Gruppe von Typen anzusprechen, die sich über das Spiel lustig gemacht hatten. Mir wurde so viel abgedroschener Sexismus entgegengebracht, dass ich anfing zu denken, es wäre vielleicht gar nicht wahr.

Angefangen mit dem immer vielversprechenden: „Hör mal Liebes, ich bin kein Sexist, aber…", drehte sich die Unterhaltung darum, warum sie denken, dass Frauenfußball nie so beliebt werden wird wie der der Männer. Einer der Typen hat meinem zerbrechlichen weiblichen Verstand netterweise erklärt, dass Frauen dem Sport körperlich nicht so gewachsen sind wie Männer und auch von Natur aus nicht so aggressiv seien.

Ermüdet von den Geschlechtervergleichen einer Unterhaltung, die sich am Rande der Argumentation bewegte, dass Menstruation zu Hysterie führt, hatte ich schon beschlossen, es gut sein zu lasen, als einer der Typen mir tatsächlich etwas zum Nachdenken gab. Er sagte, dass Sponsoren nicht in den Frauenfußball investieren, weil ihn nicht genug Leute sehen und es letztendlich „immer ums Geld geht".

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Er hatte es auf den Punkt gebracht und da ich zu besoffen war, um es selbst auszudrücken, kam mir der Schichtleiter der letzten Kneipe zur Hilfe. Lewis vom Fly in the Loaf war ein echter Traum, der mir eine Packung Chips gab und mit mir eine Weile darüber sprach, warum Frauenfußball so wenig Aufmerksamkeit bekommt. Der betrunkene Typ im Rack and Dollar hatte Recht gehabt: Ohne große Investitionen in die Basis und große Sponsoren-Deals ist es unmöglich, eine Anhängerschaft zu kultivieren, die groß genug ist, um am Spieltag eine Kneipe mit Interessierten zu füllen.

Vielleicht war es Lewis' Schuljungencharme, vielleicht war ich auch einfach nur besoffen genug, aber mir wurde klar, dass ich meine Aktion an die falschen Typen gerichtet hatte. Nicht die Kneipen, die keine Frauenfußball-Spiele zeigen, sind schuld oder die Idioten, die es dort verhöhnen.

Die Wahrheit ist, dass Frauenfußball ohne bedeutsame Bemühungen seitens der Entscheidungsgremien wie der FIFA nicht das Potential hat, zu wachsen und eine Anhängerschaft zu gewinnen. Wie bei den meisten Zielen des Feminismus geht es auch hier darum, Sichtweisen zu verändern. Manchmal muss dieser Prozess von oben nach unten funktionieren und die Entscheidungsgremien müssen signalisieren, dass es Zeit ist, Frauenfußball genauso ernst zu nehmen wie das männliche Gegenstück.

Mein Moment der Erkenntnis war im Nebel eines weiteren Bieres schnell vergessen, doch der Abend hatte sich nicht so entwickelt, wie ich erwartet hatte. Ich hatte erwartet, dass man mir mit der Gnade einer Paul Scholes-Grätsche begegnet, aber im Allgemeinen waren die Leute wirklich nett und recht gewillt, das Spiel zu zeigen. Meine Prognosen waren tatsächlich ziemlich furchtbar und ich hatte nicht erwartet, nach Englands unausweichlicher Niederlage, Unmengen an Fritten zu bekommen.