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Gerichts-Posse

"DON'T DRINK AND DRIVE! But if you do...CALL ME!" – Ein Kölner Anwalt will Saul Goodman sein

Und landete vor Gericht. Andere Juristen fanden seine Erotik-Kalender nämlich nicht so witzig.
Collage: Victoria Preuss

Wallendes Haar, lasziver Blick, blanke Brüste – normal für die Titelseite eines Erotik-Kalenders. Nicht normal: ein schmaler Hinweis von einem Rechtsanwalt am oberen Rand. Eingerahmt von zwei Paragraphenzeichen steht hier über dem Nacktfoto: "DON'T DRINK AND DRIVE! But if you do…CALL ME!". Darunter die Adresse und Telefonnummer einer Kanzlei für Versicherungs- und Medizinrecht. Dann der fette Hinweis: "ERSTBERATUNG KOSTENFREI!"

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Klingt nach dem Anwalt Saul Goodman aus Breaking Bad, ist aber die Werbemethode einer Kölner Kanzlei. Aber weil wir nicht in Arizona sind, sondern in NRW, beschäftigt dieser Nacktkalender schon länger die Gerichte – irgendwann vielleicht sogar das Bundesverfassungsgericht.

Hinter der Kalenderwerbung steckt der Anwalt Martin Riemer (45). Ende 2013 und Anfang 2015 schickte er die Nacktkalender an Kölner Autowerkstätten (deshalb "Don't drink and drive"). Sein Ziel: "Wirksam bei einer bestimmten Zielgruppe Werbung machen", sagt er zu VICE.


VICE-Video: Das echte Better Call Saul


Allerdings: Das ist nur die halbe Wahrheit. Der Anwalt wollte nicht nur werben, sondern auch provozieren. Riemers eigentliches Ziel: einen Rechtsstreit auslösen. Schon das erste, noch in bunt gehaltene Exemplar seiner Nacktkalender-Werbung von 2014 schickte er an die Anwaltskammer Köln. "Zur Freien Verfügung", wie er sagt. Als Retour gab es eine Rüge vom Anwaltsgericht, das bei beruflichen Verstößen von Anwälten auf den Plan tritt. Frei aus dem Juristendeutsch übersetzt waren die Pin-Up-Motive dem Gericht zu trashy und unsachlich. Es holte den Zeigefinger raus und verbot dem Aufmüpfigen die Werbung. Riemer blieb renitent, denn er kann nicht nur wie Goodman werben, sondern auch tricksen. Im nächsten Jahr verschickte er wieder Kalender an Autowerkstätten, dieses Mal in Schwarz-Weiß. Kein Trash, sondern "geschmackvolle Kunstdrucke", wie er sagt.

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Für das Oberlandesgericht Köln war das zuviel Aufmüpfigkeit: Die Generalstaatsanwaltschaft drohte mit 8.000 Euro Strafe für die unerlaubte Werbung, eine Entscheidung steht aber noch aus. In dem Begleitprozess entschied das Gericht bisher nur, dass die Rechtsschutzversicherung von Riemer hier nicht einspringen muss. Er habe die Kalender schließlich vorsätzlich und rechtswidrig versendet.

Die Frage ist: Warum der Terz? Der Anwalt gibt zu: "Ich wollte sehen, wie weit Anwälte mit ihrer Werbung gehen dürfen." Das Ganze sei eine Art Testballon, den er steigen ließ. Denn was ihn eigentlich aufregt: Gesetzlich gelten für Anwälte strenge Werberegeln. Genauso wie Ärzte oder Steuerberater dürfen sie nicht werben, wie sie wollen. Das oberste Werbe-Gebot für Anwälte ist die Sachlichkeit. Riemer will nun wissen: Warum? – und testet die Grenzen der Sachlichkeit (und des guten Geschmacks) mit Brüsten aus. Er meint: "Anwälte sind sehr unterschiedlich aufgestellt, nicht jeder spricht potenzielle Klienten mit einer nüchternen Zeitungsannonce an."

Was er will: Werben wie Anwälte in den USA. Das muss nicht zwingend so penetrant sein wie die Werbeclips aus Breaking Bad, als Inspiration dienten sie trotzdem: "Der Slogan war an Saul Goodman angelehnt", sagt Riemer. "Peppige Werbung lockert das Bild über Anwälte in der Öffentlichkeit auf und reduziert die Hemmschwelle, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen."

Diesen positiven Effekt erkennen die Kölner Anwaltskammer und das Kölner Landgericht nicht. Aber Riemer will dranbleiben, im Notfall bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen, sagt er. "Eine Entscheidung fällt vielleicht erst in vier Jahren." Denn: Nebenprozesse, wie das gerade gescheiterte Verfahren zu seiner Rechtsschutzversicherung, dauern. Die Geschichte des Saul Goodman aus Köln wird sich also noch ein Weilchen hinziehen.

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