Bild: Darwin: Wikimedia Commons | CC0 || Screenshot: Information is Beautiful || Stempel: Pixabay | CC0
Evolutionstheorie? Charles Darwin ist der Mann, der das Konzept der natürlichen Selektion groß gemacht hat. Amerika? Der alte Kolumbus hat's "entdeckt". Und dass wir wissen, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt? Das haben wir natürlich Kopernikus zu verdanken. Das ist Allgemeinwissen – und es ist falsch. Denn Jahrhunderte vor den großen Entdeckern des Westens haben Forschende aus der islamischen Welt ihre Erkenntnisse dokumentiert. Wie weit sie dem Westen voraus waren, zeigt jetzt eindrücklich eine Infografik der Seite Information Is Beautiful.Die Grafik trägt eine Reihe von Entdeckungen und Erfindungen in den verschiedensten Bereichen der Forschung zusammen, die während der islamischen Blütezeit entstanden sind. Als Blütezeit oder auch "Goldenes Zeitalter" wird die Periode zwischen 750 und 1258 nach Christus bezeichnet, in der Metropolen und Wissenszentren in Zentralasien entstanden. Insbesondere im heutigen Irak wurden große Erkenntnisse gewonnen, vor allem in den Bereichen der Medizin, Biologie, Mathematik und Physik.In der Grafik zeigt ein Klick auf einzelne Entdeckungen, welcher Forscher sie zuerst beschrieben hat – und welcher großer Name westlicher Wissenschaft teils Jahrhunderte später den Ruhm dafür einheimste. Ruhm, der zum Teil bis heute anhält. Die Fakten dazu stammen aus anerkannten Büchern über die Geschichte der Wissenschaft der islamischen Blütezeit: "House of Wisdom" von Jim al-Khalili, "Lost History" von Michael Hamilton Morgan sowie die Encyclopedia Britannica.Das "heliozentrische" Weltbild, also die Erkenntnis, dass die Erde um die Sonne kreist, wird heute gemeinhin Nikolas Kopernikus zugeschrieben. Doch bereits Hunderte Jahre vor Kopernikus entwickelte der persische Forscher Nasīr ad-Dīn at-Tūsī revolutionäre Modelle über Sternenbewegungen, die eine Erde beschrieben, die um die Sonne kreist. Und über 1000 Jahre bevor Darwin seine "Entstehung der Arten" verfasste und das Konzept der Evolution und natürlichen Selektion groß machte, veröffentlichte der Autor und Biologe Abū Uthmān al-Jāhith in Bagdad ähnliche Erkenntnisse. Über 400 Jahre bevor Kolumbus in See stach, um Amerika zu "entdecken", schätzte der Perser Abū Rayhān al-Bīrūni, wo sich Amerika befindet – indem er mit mathematischen Methoden die Erde vermaß.Auch teils obskure Erfindungen lassen sich in der Grafik entdecken. So soll etwa Muhammad ibn Musa al-Khwarizmi in seinem "Buch Genialer Erfindungen" einen programmierbaren Flötenspieler-Automaten beschrieben haben. Der wohl erste Roboter der Welt – und das um das Jahr 850 herum. In vielen Teilen Europas herrschten zu dieser Zeit die Karolinger, und die Wikinger bereisten die Flüsse.Nicht gezeigt werden in der Grafik noch frühere Beiträge zur Wissenschaft, etwa aus dem antiken Griechenland oder China, auf denen die Forschenden der Islamischen Blütezeit oft ihre eigenen Erkenntnisse aufbauten. Wissenschaft ist eben ein Prozess – und keine Erfindung einer einzelnen Gruppe.
Inzwischen befassen sich auch in Deutschland zahlreiche Forschende damit, dass unsere Geschichtsschreibung blinde Flecken hat. Der Fokus zum Beispiel auf europäische Gelehrte wird als Eurozentrismus bezeichnet. "Die eurozentrische Weltsicht betrachtet Europa als den einzig aktiven Gestalter der Weltgeschichte, gewissermaßen als ihren 'Urquell'", fasst der Historiker Robert Marks das Problem in einem Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen.Die Infografik wird also bei vielen an ihrem Geschichtsbild rütteln, denn nicht nur in der Mathematik waren muslimische Forschende schneller. Klinische Studien, Anästhesie bei OPs, Behandlungen für den Grauen Star: Sie alle entstanden in der Blütezeit des Islams und dienten vielen Forschenden im Westen als hilfreiche Vorlage. Dabei wissen heute viele Kinder in Europa zwar, wer Darwin war, haben wohl aber noch nie von Abū Uthmān al-Jāhith gehört.Folgt Dennis auf Twitter und Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter
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Im Vergleich zu Nasīr ad-Dīn at-Tūsī war Kopernikus ein Spätzünder
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Blinde Flecken der Geschichte
Inzwischen befassen sich auch in Deutschland zahlreiche Forschende damit, dass unsere Geschichtsschreibung blinde Flecken hat. Der Fokus zum Beispiel auf europäische Gelehrte wird als Eurozentrismus bezeichnet. "Die eurozentrische Weltsicht betrachtet Europa als den einzig aktiven Gestalter der Weltgeschichte, gewissermaßen als ihren 'Urquell'", fasst der Historiker Robert Marks das Problem in einem Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen.Die Infografik wird also bei vielen an ihrem Geschichtsbild rütteln, denn nicht nur in der Mathematik waren muslimische Forschende schneller. Klinische Studien, Anästhesie bei OPs, Behandlungen für den Grauen Star: Sie alle entstanden in der Blütezeit des Islams und dienten vielen Forschenden im Westen als hilfreiche Vorlage. Dabei wissen heute viele Kinder in Europa zwar, wer Darwin war, haben wohl aber noch nie von Abū Uthmān al-Jāhith gehört.Folgt Dennis auf Twitter und Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter