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FIFA-Funktionäre sind zu faul für professionelle Geldwäsche

Jahrelang lief alles (wie) geschmiert. Bis die FIFA-Granden so viel Kohle gescheffelt haben, dass sie mit Drittkonten und Strohmännern nicht mehr hinterherkamen. Oder haben die arroganten Säcke einfach nur drauf geschissen?
EPA

Ja, wir schreiben mittlerweile das Jahr 2016 und sprechen noch immer von korrupten FIFA-Funktionären. Warum? Erstens, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch immer nicht Geschichte sind. Und zweitens, weil eine jüngst vom US-Justizministerium (DOJ) eingereichte Anklageschrift zeigt, wie verdammt wenig Mühe sich die meisten Funktionäre gegeben haben, die Spuren ihrer illegalen Aktivitäten zu verwischen. Aber klar, lief ja auch jahrelang—Achtung, Sprachwitz—wie geschmiert.

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Ein US-amerikanischer Ermittler hat die FIFA im letzten Jahr mit der Mafia verglichen. Das Geschäftsmodell einer mafiösen Vereinigung besteht darin, schmutziges Geld sauberzuwaschen. Doch das konnte natürlich nicht die FIFA übernehmen. Die korrupten Funktionäre mussten das Geld schon selber waschen. Und das haben sie äußerst stümperhaft getan.

Jeff Sklar, ein Experte für Geldwäschebekämpfung der SHC Consulting Group, sagt, dass die Herrschaften der FIFA es komplett vermasselt haben. „Man muss sich schon einen besseren Plan ausdenken, als sich die Bestechungsgelder einfach aufs eigene Konto überweisen zu lassen!"

Sklar rät natürlich davon ab, überhaupt Bestechungsgelder anzunehmen oder Geld zu waschen, aber er weiß auch, dass manch einer der Versuchung einfach nicht widerstehen kann. Doch wenn man schon bescheißt, muss man vorsichtig sein.

Die aufgeflogenen FIFA-Funktionäre waren das nicht. Sie ließen sich Bestechungsgelder direkt auf Konten überweisen, die auf den eigenen Namen oder den von Verwandten liefen, sie benutzten US-amerikanische Konten und sie waren nicht wirklich bemüht, den Betrug zu vertuschen. Vor allem in den letzten Jahren agierten sie immer sorgloser und machten sich augenscheinlich keine Sorgen aufzufliegen.

Bevor wir uns den Details zuwenden, ist es wichtig zu verstehen, wie Geldwäsche-Ermittlungen normalerweise ablaufen. Vor 50 Jahren, sagt Sklar, war alles noch ganz anders. Man konnte in verschiedenen Ländern Kontos eröffnen und sich sein Geld hin und her schieben, ohne ein großes Risiko einzugehen, erwischt zu werden. Doch einer der beliebtesten Orte für Geldwäsche-Operationen—die Cayman Islands, wo auch Transaktionen von FIFA-Verantwortlichen abgewickelt wurden—ist mittlerweile deutlich wachsamer, was Finanzkriminalität betrifft. Das gilt auch für andere Steueroasen.

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In den USA lassen Banken den Behörden einen sogenannten Suspicious Activity Report (SAR), also einen Bericht über verdächtige Kontobewegungen, zukommen, wenn sie einen rasanten Anstieg an Überweisungen, Bargeld-Transfers oder anderen auffälligen Transaktionen feststellen. Ein SAR reicht meist noch nicht aus, eine Untersuchung auszulösen, drei oder vier hingegen schon. Die Bank—oder die Behörden—machen sich übrigens auch schlau darüber, ob eingegangene Geldbeträge zum typischen Cash Flow des Kunden passen. Ein Beispiel: Wenn ich, ein kleines Licht bei einem Internetunternehmen, plötzlich jede Woche 10.000 Euro auf mein Konto überwiesen bekomme, würde das sehr wahrscheinlich ausreichen, um einen SAR vonseiten meiner Bank auf den Plan zu rufen.

Wie eine Zwiebel muss auch ein gutes Geldwäschesystem aus mehreren Schichten bestehen. Jack Warner wusste das anscheinend nicht. Foto: EPA.

Um nicht die Finanzermittler hellhörig werden zu lassen, würde ein vorsichtiger Geldwäscher Einnahmen aus Bestechungen etc. nicht einfach auf sein eigenes Konto einzahlen, sondern stattdessen versuchen, die Herkunft dieser illegal erworbenen Vermögenswerte möglichst gründlich zu verschleiern. Zu diesem Zweck würde man das Geld nicht nur in kleinere Teilbeträge splitten (Smurfing), sondern auch in einer Vielzahl von Transaktionen hin und her schieben (Layering).

Es gibt gründliches Layering, bei dem zwischen Auftraggeber und Empfänger verschiedene Schichten aus Scheingeschäften, Auslandszahlungen, Scheingesellschaften und Strohmännern geschaltet werden, um die Verschleierung zu optimieren. Selbst äußerst komplexes Layering kann jedoch in vielen Fällen nicht verhindern, dass Ermittler der wahren Geldquelle theoretisch auf die Schliche kommen können. Doch in der Praxis sieht es laut Sklar meist so aus, dass ein Verfahren eingestellt wird, wenn die ersten Hinweise allesamt im Sande verlaufen sind. Schließlich warten auf dem Schreibtisch des Ermittlers häufig noch Dutzende andere SARs, die bearbeitet werden möchten. Mit anderen Worten lohnt es sich aus Sicht eines Betrügers, ein vielschichtiges Verschleierungsgerüst aufzubauen.

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Genau diese Mühe hat man sich bei der FIFA aber nicht gemacht. Einige haben sich nicht mal darum geschert, ein separates Firmenkonto aufzumachen, um nicht das eigene Privatkonto verwenden zu müssen. Und die, die ihre illegalen Geschäfte über Extrakonten abgewickelt haben, haben nur in den seltensten Fällen mit mehr als ein oder zwei Layering-Ebenen operiert, wie Ausschnitte aus dem Dokument des DOJ zeigen:

Der sogenannte „Co-Conspirator #10" ist im Prinzip nichts anderes als ein Strohmann. An solche Strohmänner wurden Bestechungsgelder überwiesen, die es dann an FIFA-Funktionäre weiterleiten mussten. Macht also genau eine Ebene der Verschleierung, was natürlich nicht ausreicht, um Ermittler abzuschütteln.

Manchmal war man sogar noch fantasieloser, was die Verschleierung betrifft:

Um bei Jack Warner zu bleiben: Der hatte unter anderem versucht, die Gelder einfach auf das Konto eines Verwandten, Daryan Warner, transferieren zu lassen. Nie eine gute Entscheidung, betont Sklar:

Doch der eigentliche Kardinalfehler war noch ein anderer: Die korrupten FIFA-Funktionäre haben keine Steuern gezahlt.

Viele Geldwäscher kommen nicht auf die Idee, Steuern zu zahlen. Doch Sklar erklärt, dass das eigentlich eine ziemlich kluge Entscheidung wäre, will man schmutziges Geld sauber aussehen lassen. Denn indem man auch auf Bestechungsgelder Steuern zahlt, können alle Ausgaben auf ein steuerpflichtiges Einkommen zurückgeführt werden. Wenn die Bank die Quelle des Geldes anzweifelt, könnte man es immer noch als Beratungshonorar ausgeben, das man ordnungsgemäß versteuert hat.

Es kommt nämlich nur selten vor, dass Banken bei versteuerten Einnahmen eine Warnung an die Behörden schicken. Das liegt laut Sklar vor allem daran, dass man von Behördenseite erst einmal beweisen muss, dass die versteuerte Einnahme auf eine betrügerische Aktivität zurückzuführen ist, was umso schwieriger ist, wenn alle an der Transaktion beteiligten Parteien diese Aussage einhellig bestätigen. Im Gegensatz dazu ist es weitaus einfacher, Steuerhinterziehung nachzuweisen.

Und genau darüber sind die FIFA-Funktionäre wohl gestolpert. Aus dem DOJ-Dokument wird nämlich ersichtlich, dass Chuck Blazer, der mit seiner Aussage gegenüber US-Ermittlungsbehörden den Skandal erst so richtig ins Rollen gebracht hat, am Ende wegen Steuerhinterziehung geschnappt wurde. Was er hätte vermeiden können, hätte er—nun ja—Steuern gezahlt. Nachdem er erstmal geschnappt worden war, hat er einfach die gesamte Operation verraten. Spätestens an diesem Punkt wäre es natürlich auch egal gewesen, wie vorsichtig seine korrupten Kollegen im Vorhinein waren. Damit ist für Anti-Geldwäsche-Ermittler der optimale Fall eingetreten. „Man hofft immer, einen zu schnappen, der bereit ist, alles auszupacken, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen."

Fazit (nicht nur für korrupte FIFA-Funktionäre): Es ist gar nicht mal so eine dumme Idee, Steuern zu zahlen.